Einen „Neujahrsempfang des Freigeistes“ kündigte die Verlegerin Christiane Götz-Weimer zur Begrüßung an – und kann zur Mittagszeit durchaus schon auf konstruktive Vorträge und Debatten zurückblicken. Wie die TS berichtete, dreht sich beim heutigen Treffen im Namen von Ludwig Erhard alles um die großen Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft – vor allem bezogen auf Deutschland.
Eingeläutet wird der Gipfelreigen dann auch vom prominenten Zukunftsforscher Prof. Dr. Ulrich Reinhardt, der sich durch seine Arbeit für die BAT-Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg einen Namen gemacht hat. In seinem Vortrag beschreibt Reinhardt das größte Problem der Deutschen: Sie hätten zu viel Angst vor der Zukunft. „Erstmals ist die Angst der Zuversicht Herr geworden,“ und zwar bei ganzen 55 Prozent der Deutschen, erläutert der Wissenschaftler.
Finanzpolitik: „Heute herrscht Einfalt“
Und setzt gekonnt Spitzen, wenn es um unsere Gewohnheiten und Präferenzen geht: „2015 wurden weltweit mehr Android-Handys verkauft als Zahnbürsten!“ Auch Georg Fahrenschon, Präsident des deutschen Sparkassen- und Giroverbands, legt den Finger in die Wunde und fragt: „Wollen wir eine Gesellschaft, die immer mehr auf Pump lebt?“ Fahrenschon spart nicht mit Kritik an der Nullzinspolitik der Notenbanken und erntet viel Applaus, als er sagt: „Das Motto der EU lautet: In Vielfalt geeint. Und heute herrscht Einfalt!“
Es gebe ein Überangebot an günstigen Krediten, so Fahrenschon, und „dieses ganze billige Geld trägt den Geruch der Krise.“ Ähnlich skeptisch klingen dann die Einschätzungen der Banker, die sich zur ersten großen Diskussion des Tages zusammengefunden haben: Bernhard Brinker, Bereichsvorstand der HypoVereinsbank für Private Banking und Wealth Management. Martin Mihalovits, Vorstandsvorsitzender der KSK Miesbach-Tegernsee. Und Andreas Schmitz, der bei HSBC-Trinkaus den Aufsichtsratsvorsitzenden gibt.
„Den Kunden reinen Wein einschenken“
Moderator Wolfram Weimer legt gleich los, als gebe es kein Morgen – „der Start ins Börsenjahr war wie eine Horrorshow“ – und lässt die drei Finanzexperten Einschätzungen aus ihrer Perspektive liefern. Der Grundton: Verhalten, vorsichtig, bisweilen fast schwarzmalerisch – man merkt auch den Hochkarätern der Finanzwelt an, dass es keine leichten Zeiten sind. Mihalovits gibt zu: „Da ist guter Rat teuer!“ Wichtig sei vor allem, den Kunden reinen Wein einzuschenken und vor Risiken zu warnen, etwa beim Immobilienkauf. Denn: „Die Zeit des klassischen Sparens ist endgültig vorbei.“
Von Andreas Schmitz gibt es eine Breitseite in Richtung der medialen Berichterstattung: „Wenn man sich die Medien in den letzten 10 Jahren anschaut, gewinnt man den Eindruck, als wären wir von einer Apokalypse in die nächste gestolpert.“ Und vergleicht die Wirtschaftswelt mit der Titanic, mit einem Unterschied:
Wir haben alle Rettungsboote schon abgeworfen.
Etwas positiver lautet hingegen die Einschätzung von Bernhard Brinker, der die aktuelle Aufregung an den internationalen Kapitalmärkten für übertrieben hält und zu vorsichtigem Optimismus rät, denn: „Zu Tode gefürchtet ist am Ende auch gestorben.“ Auf das Jahr 2016 und die Chancen für Anleger angesprochen meint Martin Mihalovits: „Hoffnungen machen kann ich in keinster Weise.“ Sein Institut sei derzeit vielmehr als Bremser gefragt, wenn es um vorschnelle oder gar falsche Investitionen gehe.
Die „Master Speech“ kurz vor der Mittagspause kommt dann von Ilse Aigner: Die bayerische Wirtschaftsministerin spricht darüber, wie gut es Bayern geht und wie man dafür sorgen könne, dass das so bleibt. Auch in puncto Flüchtlingskrise kommt von Aigner wenig Neues, sie lobt jedoch noch einmal ausdrücklich das Engagement von Ehrenamtlichen und Behörden: „Ich weiß nicht, ob es jemals so eine große Herausforderung gegeben hat wie im Moment.“
Es sei nun die Aufgabe der Politik, Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit unter den Asylbewerbern zu vermeiden und jene, die bleiben dürften, schnellst- und bestmöglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Übermäßigen Optimismus verbreitet sie dabei aber nicht, schließlich brauche alles viel Zeit: „Wir wollen nicht, dass es dann hier am Ende lauter Hilfsarbeiter gibt.“
Dafür hat Aigner eine ganz klare Ansage zur Integration, die sich passend in den dialogischen Rahmen des Ludwig-Erhard-Gipfels einfügt: „Der Handschlag funktioniert nur, wenn beide die Hände reichen.“
SOCIAL MEDIA SEITEN