Markus Raschke, Theologe, Soziologe und Leiter des „Fair Handelshaus Bayern eG“, schilderte anschaulich, warum Menschen besonders aus Westafrika ihr Land verlassen, um in Westeuropa oder Amerika bessere Lebensbedingungen zu finden.
Absichtlich sparte er Bürgerkriegsgründe, die gegenwärtige Situation der Flüchtlinge sowie ihr Bleiberecht in Deutschland aus und warf gezielt einen Blick auf die wirtschaftlichen Probleme in Westafrika. Denn diese seien seiner Meinung nach hauptsächlich durch das Gewinnstreben der westlichen Welt verursacht werden.
Wenn die Perspektiven fehlen, weil die wirtschaftliche Situation so schlecht ist, „dass ich mich selbst nicht mit meinen Fähigkeiten verwirklichen kann, dann gehe ich dort hin, wo ich bessere Chancen habe“, meine Raschke. Und er meinte damit nicht nur Menschen aus Entwicklungsländern, sondern auch bei uns.
Wirtschaftsmigration ist auch in Deutschland normal.
Er zeigte anhand der offiziellen Statistiken, dass Wirtschaftsmigration auch in Deutschland und besonders in Bayern eine ganz normale Angelegenheit sei, da bekanntlich der Zuzug gerade nach München und Oberbayern anhaltend groß sei. Wie könne man es dann Menschen, die in ihrem Land keinerlei Zukunft sehen, verdenken, nach Deutschland kommen zu wollen?, fragte Raschke.
Deutsche Subventionspolitik vernichtet in Afrika Arbeitsplätze
Bewusst war Raschke, dass Grundgesetz Artikel 16a für politisch Verfolgte, nicht aber für Wirtschaftsflüchtlinge gelte. Das läge daran, dass dieser Artikel noch unter dem Eindruck der Nazizeit so streng formuliert wurde und sich nur auf diese Personengruppe beziehe. Das Genfer Abkommen sei da aber viel weiter gefasst.
Hier herrsche dringend Handlungsbedarf, um auch die anderen Gründe, die Menschen zwingen ihr Land zu verlassen, aufzunehmen, meinte er. Ein Datenschutzgesetz aus den 50er Jahren würde heute ja auch völlig an den Realitäten vorbei gehen, so die Meinung des Experten.
Eindringlich schilderte Raschke, wie sich das wirtschaftliche Handeln und das Konsumverhalten in der westlichen Welt negativ auf die Lebensbedingungen der Entwicklungsländer auswirken könne. Besonders die EU-Subventionspolitik vernichte Arbeitsplätze, ist er überzeugt. Er nannte als Beispiel Ghana, ein Land, in dem traditionell viel Hühnerfleisch verzehrt werde.
In Deutschland werde hauptsächlich die Hühnerbrust nachgefragt. Die anderen Hühnerteile werden tiefgefroren nach Ghana exportiert. Und zwar nicht zum Herstellungspreis, sondern stark subventioniert. Dadurch kostet ein Kilo Hühnerteile aus Deutschland in Ghana etwa 40 Eurocent, ein im eigenen Land produziertes Huhn jedoch 2,40 Euro pro Kilo. Die Folge: 92 Prozent der ghanaischen Hühnerzüchter mussten von 1996 bis 2002 in Insolvenz gehen.
Das gleiche Schicksal traf Schlachter, Futtermittelhersteller, Transporteure und Händler. Insgesamt wurden in dem Zeitraum über 120.000 Arbeitsplätze vernichtet. Die Menschen verarmten, berichtet Raschke. Zudem gäbe es in den ländlichen Regionen keinen Strom, somit keine Kühlung und die aufgetauten Hühnerteile würden erst nach Tagen verarbeitet. Mit den entsprechenden Folgen für die Gesundheit. Ein hoher ghanaischer Beamter bat daher dringend darum: „Keine Chicken mehr schicken!“
Exporte und Subventionen produzieren Flüchtlinge
Raschke brachte noch weitere Beispiele, von den unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Textilfabriken, in denen „Menschen wie Tiere gehalten werden“, bis hin zu Nigeria, das riesige Mengen an Erdöl habe, aber keine Raffinerie, so dass die Menschen Benzin importieren müssten.
Das Geld bleibe nicht im Land, sondern bei den westlichen Großkonzernen. „Dadurch, dass in der westlichen Welt Arbeitsplätze und Überproduktion geschaffen werden und Gewinne nicht im Land bleiben, wird Westafrika ausgeblutet“, so Raschkes Aussage. Dies produziere Flüchtlinge, die dann wieder nach Europa kämen. Ein hausgemachtes Problem der westlichen Welt.
Eine Diskussion über die aktuelle Situation in Deutschland blieb daher auch aus. Stattdessen drehten sich die Fragen um die Ursachen in den Herkunftsländern. „Was sollen wir dagegen machen?“, kam die Frage aus dem Publikum. Raschke hatte dafür simple Antworten: Das eigene Konsumverhalten überprüfen und sich politisch engagieren. Nicht nur auf großen Veranstaltungen vor Wahlen, sondern im Kleinen und darüber reden. „Viele kleine Schritte von kleinen Menschen werden so zu großen Schritten“, so die Empfehlung des Referenten.
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