Im Kontext der Tragödie von Bad Aibling strahlte der Bayerische Rundfunk gestern Abend in seinem Format „Schwaben & Altbayern“ ein Gespräch mit Holzkirchner Rettungskräften aus. Dieses Mal waren sie zwar nicht im Einsatz, dafür aber vor rund 40 Jahren. Damals war die eingleisige Zugstrecke zwischen Holzkirchen und Warngau Schauplatz einer Zugkatastrophe. 1975 prallten hier ebenfalls zwei Personenzüge ineinander. Die traurige Bilanz: 41 Tote.
Es war an einem Sonntagabend als der Katastrophenalarm von einem der zwei zuständigen Fahrdienstleitern ausgelöst wurde – und das sogar noch wenige Minuten bevor sich das eigentliche Zugunglück ereignen sollte, berichtet Sanitäter Werner Jennerwein. Den Fahrdienstleitern war schnell bewusst, dass sie fehlerhaft gehandelt hatten. In einer Zeit aber, in der es noch keine Funk- oder Handyverbindung in das Führerhaus der Züge gab, war die Katastrophe zu diesem Zeitpunkt bereits unabwendbar.
Erinnerungen, die bleiben
Unter anderem waren damals Holzkirchens Altbürgermeister Josef Höß, Franz Festl und Joachim Reschka als Freiwillige Feuerwehrmänner vor Ort. Als wäre es gestern gewesen erinnern sie sich noch an die Ausmaße der Katastrophe. „Ich habe die Bilder lang nicht mehr aus dem Kopf bekommen“, erzählt Festl und auch Höß gibt zu, dass ihm damals daheim im Kreis der Familie die Tränen kamen.
1975 war eine Zeit in der es als „unmännlich“ galt, Gefühle zu zeigen, weiß Festl. Eine besondere Betreuung in Form der Seelsorge für Rettungskräfte gab es damals noch nicht. Jeder Ersthelfer, ob Feuerwehrmann oder Sanitäter, musste aus eigener Kraft mit dem Erlebten, den „Bildern im Kopf“, klarkommen.
Im Interview mit dem BR erinnert sich auch Pfarrer Walter Waldschütz an die seelisch gebrochenen Retter. Erst lange Zeit später erlebte der Seelsorger, wie es aus einem Betroffenen „wie ein Feuersturm“ herausbrach. Immer noch konnte er das Erlebte bis in das kleinste Detail schildern. Bis zu diesem Gespräch mit dem Pfarrer hatte der Mann noch mit niemanden darüber gesprochen – und de facto die Katastrophe daher nie verarbeitet.
Im Gegensatz zu heute gab es damals keine zentral geregelte Leitstelle für die Rettungskräfte. Die Feuerwehr und die Sanitäter mussten improvisieren. Johanna Eck, die damals als Sanitäterin vor Ort war, erinnert sich wie sie die Verletzten vor Ort selektieren musste. Behandelt wurden im Tumult die, die eben nicht mehr schreien konnten. Primär habe man versucht, die Verletzten so schnell wie möglich in die Krankenhäuser abzutransportieren, da die Sanitäter damals noch schlecht ausgestattet waren. Auch im Krankenhaus wäre man dann mit dem Ausmaß der Katastrophe überfordert gewesen, so Eck.
Vom ersten Anblick der Zugwracks über die Rettungsmaßnahmen und Hilfeleistungen vor Ort bis hin zur Aufbahrung der Toten in der Allerheiligen Kirche in Warngau – den Helfern sitzt das Zugunglück von vor 40 Jahren noch heute in den Knochen. Noch immer, wenn er über den besagten Bahnübergang fahre, komme das Zugunglück ihm wieder in Erinnerung, schließt Altbürgermeister Höß. Vergessen werden die Helfer von damals wohl nie.
Die Sendung „Schwaben und Altbayern“ mit dem Beitrag über die Holzkirchner Rettungskräfte und ihre Erlebnisse vom Zugunglück 1975 steht derzeit online noch in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks bereit.
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