Alltagsdroge Alkohol

Eine Feierabend-Halbe oder ein Gläschen Wein vor dem Fernseher. Für viele Alltag. Alkohol ist gesellschaftsfähig. Doch wo ist der Übergang in die Sucht? Und wo finde ich Hilfe? Ein Bericht über die Alltagsdroge Alkohol.

Auch in diesem Jahr wird es zum Vatertag wieder etliche Schnapsleichen geben. In der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Agatharied werden sie dann zunächst entgiftet.
In der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Agatharied werden Suchtkranke behandelt.

Ein Bierchen zum Feierabend, der Prosecco am Wochenende, Bier in kleinen Gläsern geht gar nicht. Der gute Wein zum Abendessen, nur noch ein Absacker! Disco ohne Alkohol? Schwer vorstellbar. Alkohol ist gesellschaftsfähig.

Doch immer noch verbinden die meisten Menschen mit dem Begriff „Sucht“ das Bild des Heroin-Süchtigen mit der Nadel im Arm, des It-Girlies, das sich Kokain in die Nase zieht oder die Marihuana-Plantage, die mancher Konsument auf dem heimischen Balkon betreibt.

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Droge Nummer 1

Tatsächlich steht jedoch Alkohol unangefochten ganz oben, vergleicht man die Patienten, die in der Klinik in Agatharied eingeliefert und entgiftet werden. Die Ärzte behandeln Menschen, die mit Drogen-Vergiftungen eingeliefert werden, entgiftet sie und bietet einen Entzug mit psychotherapeutischer und psycho-edukativer Behandlung.

Das heißt, Patienten werden nicht nur entgiftet und medikamentös behandelt. Sie werden auch psychologisch betreut und können in der Therapie lernen, was Süchte wirklich sind. Doch zumeist sind die Patienten Alkoholkrank. Privatdozent Dr. Michael Landgrebe ist der ärztliche Leiter der Klinik und stellt fest:

Alkohol führt die Statistik mit 1.500 Fällen im Jahr an. Das sind zehnmal so viele wie bei Platz 2, den Schmerz- und Betäubungsmitteln.

Auf dem 3. Platz befinden sich Menschen mit multiplen Abhängigkeiten, also zum Beispiel Konsumenten von Alkohol und Schmerzmitteln. Häufig kommen Patienten wiederholt in den Entzug. Laut Dr. Landgrebe beträgt die Rückfall-Quote nach der Entgiftung bis zu 70 Prozent.

In der Klinik in Agatharied werden hauptsächlich Patienten aus den Landkreisen Miesbach und Bad Tölz-Wolfratshausen behandelt, gelegentlich auch Fälle aus Weilheim-Schongau. In der Regel dauert die Entgiftung des Körpers zwischen einer Woche und zehn Tagen. Danach erfolgt die sogenannte Entwöhnungs-Therapie. Sie kann auch ambulant vorgenommen worden, und dauert Wochen. Manchmal auch Monate.

Akzeptierte Droge

Ein wichtiger Partner ist die Suchtberatung der Caritas Fachambulanz. Auch hier ist Alkohol das Problem Nummer 1 wie Alexandra Peis-Hallinger, Suchttherapeutin im Kreis Miesbach, erklärt. Zirka 750 Menschen lassen sich in den drei Beratungsstellen im Landkreis jährlich beraten und betreuen. Davon sind 65 Prozent alkoholabhängig. Preis-Hallinger sieht eine Gefahr in der gesellschaftlichen Rolle der Droge:

Alkoholkonsum ist in unserem Kulturkreis durchweg normal und akzeptiert, selbst ein gelegentlicher Rausch ist akzeptiert. Verliert allerdings jemand die Kontrolle über seinen Alkoholkonsum, dann ist das Wissen über Suchterkrankungen noch nicht sehr verbreitet und wird von vielen immer noch nicht als Krankheit akzeptiert.

Dabei leiden deutschlandweit 3,4 Prozent der Bevölkerung an einer Alkoholerkrankung, unabhängig von sozialem Status, Herkunft oder Bildung. Die Suchttherapeutin rechnet hoch, dass dann im Landkreis Miesbach mit ungefähr 3.000 Alkoholabhängigen zu rechnen sei.

Die Caritas bietet in ihren Beratungsstellen in Miesbach, Holzkirchen und Tegernsee umfassende und qualifizierte Suchtberatung. Außerdem unterstützt sie den Landkreis bei der Präventionsarbeit.
Die Caritas bietet in ihren Beratungsstellen in Miesbach, Holzkirchen und Tegernsee umfassende Suchtberatung.

Die Caritas begleitet in Miesbach, Holzkirchen und Tegernsee Suchtkranke mit qualifiziertem Personal auf dem Weg aus der Abhängigkeit. Viele, die in die Beratungsstellen kommen, leiden zudem unter einer Depression oder Angststörung, was es zusätzlich schwer macht, den Teufelskreis zu durchbrechen. Die Droge Alkohol wie auch andere Drogen kann diese Störungen auslösen oder schon vorhandene psychische Störungen, wie zum Beispiel Depressionen, verstärken.

Statistiken zeigen, dass nach einer ambulanten Entwöhnungstherapie ungefähr 55 Prozent der Patienten nach Ablauf eines Jahres nicht Rückfällig werden. Preis-Hallinger wertet das als großen Erfolg.

Landkreis setzt auf Präventions-Dreierlei

Seitens des Fachbereiches Gesundheit im Landratsamt setzt man auf drei unterschiedliche Formen der Prävention. Angebote der universellen Suchtprävention richten sich an die allgemeine Bevölkerung, die ein niedriges oder durchschnittliches Risiko haben, eine Sucht oder Abhängigkeit zu entwickeln. Ein typisches Umfeld für die universelle Suchtprävention sind vor allem die Schulen des Landkreises.

Dabei gehen die Berater nicht nur auf die Schülerinnen und Schüler zu, sondern auch auch auf Lehrkräfte, Erzieher sowie vor allem auf die Eltern. Im März dieses Jahres zum Beispiel hielt Tini Borkowski, Fachkraft für Suchtprävention am Landratsamt Miesbach, im Rahmen der Otterfinger Gesundheitstage einen Vortrag mit dem Titel „Leben ohne Krücken – Suchtprävention in der Familie“.

Prävention auch für Asylbewerber

Im Rahmen der Prävention arbeiten die Mitarbeiter des Landratsamtes aber auch mit einzelnen Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel mit Asylbewerbern. Wie sich in den letzten Monaten zeigte, gibt es bei ihnen ein signifikant höheres Risiko, dass de Alkoholkonsum ausartet. Die traumatischen Erlebnisse der Flucht, Kriegserfahrungen, der Verlust der Heimat, das schlechte Gewissen selbst in Sicherheit zu sein und die Familie teilweise zurücklassen zu müssen, haben zu starken psychischen Belastungen geführt, die zum Teil im Alkohol „ertränkt“ werden.

Und auch das Landratsamt sieht Alkohol als größtes Problem. Bei den illegalen Drogen, die zwar statistisch als Bedrohung weit hinter Bier und Schnaps kommen, sei davon auszugehen, dass Haschisch die meistkonsumierte Substanz ist.

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