Im Juli letzten Jahres veröffentlicht eine Münchner Zeitung ein Interview mit einer Einzelhandelskauffrau. Die generelle Fragestellung des Interviews ist „Wie kommt man mit dem relativ geringem Einkommen einer Verkäuferin in München zu Recht?“. Die Interviewte erklärt damals, dass es schon schwierig sei, sie jeden Cent umdrehen müsse.
Irgendetwas an diesem Interview störte eine Tegernseerin. Sie suchte sich die Nummer der Interviewten aus dem Telefonbuch heraus und rief sie an. Das gibt die Angeklagte heute vor Gericht auch zu, ansonsten schweigt sie lieber. Am anderen Ende der Leitung nahm der erwachsene Sohn der Interviewten ab:
Schmarotzer hat sie uns genannt und wenn es uns hier nicht gefällt, sollen wir zurück nach Griechenland.
Der Mann regte sich sehr über das Telefonat auf, fühlte sich sogar bedroht. So fotografierte er das Display des Telefons mit der Nummer aus Tegernsee. Mit diesem Bild ging er zur Polizei und erstattete Anzeige. Er selbst sei, so der Mann heute vor dem Miesbacher Amtsgericht, in Deutschland geboren und besitzt beide Staatsbürgerschaften. Auch daher fühlte er sich angegriffen und in seiner Ehre verletzt.
Ein Anruf hat ihr nicht gereicht
Doch damit nicht genug. In den folgenden Tagen kam es zu weiteren Anrufen derselben Nummer. Immer wieder die gleiche Stimme, die der Zeuge als weiblich und von einer über 60-Jährigen beschreibt. Diesmal zeichnete der Anrufbeantworter die Gespräche auf. Der Zeuge überspielte die Aufnahmen auf sein Handy und ging damit zur Polizei.
Eine Beamtin transkribierte die Telefonate. Feigheit wurde darin der Mutter des Angerufenen vorgeworfen. Sie wolle ihre vermeintlich durch das Interview erworbene „Publicity“ dazu zu nutzen, den deutschen Staat auszusaugen.
Ältere Dame oder Klein-Kriminelle?
Hatte man bisher im Gerichtssaal den Eindruck es mit einer gelangweilten, älteren Dame zu tun zu haben, wandelt sich der Eindruck nach Vorlesung der Historie der Tegernseerin. Neun Einträge gibt es im Strafregister, darunter Betrug, Unterschlagung, Verleumdung, Diebstahl und Vortäuschung von Straftaten.
Auch aus diesem Grund will die Staatsanwaltschaft dem Antrag der Verteidigung auf Einstellung des Verfahrens nicht zustimmen. Und auch Richter Walter Leitner sieht keine Möglichkeit zumal das Geständnis und die Reue der Angeklagten nicht sichtbar sind.
So fordert die Staatsanwaltschaft 60 Tagessätze zu je 30 Euro und betont noch einmal, dass die Angeklagte die Möglichkeit gehabt hätte, auf einer öffentlichen Plattform der Zeitung ihre Meinung zu äußern. Stattdessen habe sie mit großem Aufwand die private Telefonnummer der Interviewten gesucht und sei damit in deren Privatsphäre eingedrungen.
Kein Geständnis, keine Einstellung des Verfahrens
Ganz anders sieht das die Anwältin der Tegernseerin. Sie bezweifelt die Schwere der Tat, unterstellt dem Zeugen stattdessen einen „Belastungseifer“: Er habe unbedingt Anzeige erstatten wollen. Doch Richter Waltner Leitner schließt sich der Staatsanwaltschaft an. Er sieht es als zweifelsfrei erwiesen an, dass das Gespräch – wie vom Zeugen beschrieben – stattgefunden habe.
Dafür sprächen die Fotografien und die Mitschnitte. Leitner vermutet ein Motiv in der im letzten Sommer in den Medien noch stärker präsenten Griechenlandkrise:
Die Deutschen zahlen für Griechenland. Geld, das sie wohl nie wiedersehen. Das hat die Angeklagte wohl auf die Geschädigte bezogen.
Er sieht zu dem die erhebliche Vorgeschichte der Angeklagten und die Mühe, die sie sich gegeben hat, um eine andere Person zu beleidigen. Daher verurteilt Leitner die 69-Jährige wegen Beleidigung. Dabei bleibt er bei seinem Strafmaß bei den geforderten 1.800 Euro der Staatsanwaltschaft.
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