Wende am zweiten Prozesstag

Sie waren befreundet, eine Angeklagte sogar die Geliebte des Opfers. Jetzt treffen sich vier junge Menschen vor Gericht wieder. Der Vorwurf gegen drei von ihnen: schwere Körperverletzung. Doch der Prozess wirft Fragen auf. Waren alle beteiligt? Und was ist mit dem Opfer?

Sind alle der mutmaßlichen Schläger zurecht angeklagt?
Sind alle der mutmaßlichen Schläger zurecht angeklagt?

Fast ein Jahr ist es her, dass das Opfer Florian B. krankenhausreif geprügelt wurde. Im November 2015 sollen zwei Männer auf den 28-Jährigen eingeschlagen und eingetreten haben. Die Folge: Knochenbrüche im Gesicht, die nun Platten und Schrauben zusammenhalten. Der Koch leidet bis heute unter den Schmerzen.

Doch die Schläger-Odysee begann bereits im Oktober 2015. Erika T., die Ex-Geliebte Florians, Enrico D. und das Opfer waren zusammen unterwegs, es wurde Alkohol getrunken. Später am Abend wollte Florian bei Erika übernachten. Die Kellnerin aus Schliersee wollte derweil in der Nachbarwohnung, bei einen der mutmaßlichen Schläger, übernachten. Das gefiel dem Opfer gar nicht und er äußerte sich abfällig über die beiden. Ein fataler Fehler: der 30-jährige Rottacher Enrico schlug auf ihn ein, warf seine Sachen aus dem Fenster und rief: „Du fliegst gleich hinterher, ich bringe dich um.“

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Florian will auch gesehen haben, dass seine Ex-Freundin ihm Tritte verpasste. Im zweiten Prozesstag gegen die Schläger am Landgericht II in München wurden gestern zahlreich Zeugen geladen. Doch die hielten sich eher bedeckt. Keiner will die Tritte gesehen haben.

Wo ist mein Telefon?

Als erstes wurde ein 18-jähriger Koch aus Rottach-Egern befragt. Und der betonte:

Zunächst war alles friedlich, ein geselliger Abend mit ein paar Bier. Dann flog ein Stuhl. Ich habe gehört, wie sich gestritten wurde. Es ging um ein verschwundenens Handy, das Enrico einforderte. Florian sagte, er habe es nicht. Ich riet ihm daraufhin, zu gehen. Das wollte Florian aber nicht. Ich bin dann aus der Bar gegangen und habe ihn später nochmal zufällig in der Nähe der Gaststätte getroffen. Er sah ziemlich verletzt aus im Gesicht.

Der nächste Zeuge ist auch Koch. Roman D. kennt alle. Mit dem Angeklagten ist er gut befreundet, sie hatten eine Wohngemeinschaft. „Schildern sie den Tathergang,“ ordnet der Richter an. Der 38-jährige beschreibt: „Es war Mitternacht, als die Streitereien los gingen. Wir hatten alle schon etwas getrunken. Enrico hat Florian in der Bar laut angeschrien: „Wo ist mein Telefon?“, so ging es die ganze Zeit. Enrico wurde lauter und ich bin zu Florian, um ihn zu gehen aufzufordern. Er ist aber nur provokativ sitzen geblieben und hat gegrinst.“

In der Rottacher Bar blieb es daraufhin permanent unruhig. Eine Flasche wurde von Enrico auf den Boden geknallt, so Roman. „Dann hat Enrico Florian am Kragen gepackt und vom Hocker gezogen. Er hat ihm eine Ohrfeige verpasst.“ Der Zeuge erzählt, der Angeklagte sei sehr diskussionsfreudig unter Alkoholeinfluss: „Wir haben auch schon gestritten. Aber da ist nie was passiert.“

Eine rauschige Nacht mit schweren Folgen

Der Arbeitnehmer einer Bühnenfirma, Michael P., ebenfalls als Zeuge geladen, ist dagegen sichtlich genervt von der Verhandlung. Er nuschelt nur so vor sich hin. Das Gericht muss ihm die Informationen aus der Nase ziehen: “Bitte nehmen sie die Sache ernst! Hier geht es um einiges für die Angeklagten.” Das zieht. Der 41-Jährige berichtet vom Abend:

Ich habe gesehen, wie Enrico einen Streit angefangen hat. Florian wurde an der Krawatte gepackt, Enrico hat mehrfach zugeschlagen. Florian wurde aufgefordert zu gehen. Der grinste aber nur und blieb sitzen. Dann war es kurz ruhig und die Streitigkeiten gingen weiter. Ein Hocker flog und Florian ging zu Boden. Kann möglich sein, das Enrico auf ihn eingetreten hat.

Christine M., Inhaberin der Bar, erzählt, alle seien alkoholisiert gewesen und schildert den Abend so: „Es gab ein Gerangel. Eine Flasche ist auf den Boden gelandet und ich habe gesehen, wie Enrico und Roman auf den Florian eingehauen haben. Wobei es im ersten Moment so aussah, als wollte Roman nur helfen. Enrico hat drei – viermal zugeschlagen. Florian lag auch am Boden. “

Danach sei das Opfer wieder aufgestanden und meinte mit Blick auf die Inhaberin: „Die bringen mich um.“ Die 42-Jährige erkannte aber nicht, wie schwer das Opfer verletzt war, gab ihm nur Tempos und begleitete ihn nach draußen. „Er konnte normal sprechen und hatte Nasenbluten,“ so Christine M. Das Prügel Duo blieb im Laden: „Ich bin bis dahin mit Enrico immer zurecht gekommen. Er war oft Gast,“ erzählt sie abschließend.

Die Wende?

Nun wird der Geschädigte Florian B. in den Gerichtsaal gebeteten. Es kommt ein junger, schmächtiger Mann herein. Nervös schaut er Richtung Anklagebank und begibt sich auf seinen Platz. Er beginnt zu erzählen. „Ich war am 20.10.15 mit Erika und Enrico unterwegs, wir haben etwas getrunken. Später wollte ich bei ihr übernachten. Sie sagte, sie schläft dann bei Enrico. Das fand ich nicht gut und es gab Streit. Enrico hat angefangen mich zu schubsen, hat mich über den Tisch gezogen und geschlagen. Ich habe laut um Hilfe geschrien. Dann kam Erika dazu und hat auch noch getreten. Meine Sachen hat Enrico dann aus dem Fenster geschmissen und gerufen ich werf dich gleich hinterher.“

Den zweiten Abend in der Rottacher Gaststätte erzählt das Opfer so: „Ich war ab 23 Uhr in der Bar. Erika kam mit Roman die Treppe herunter. Auch Enrico kam in die Schänke. Ich wusste, heute bekomme ich Schläge und habe mich vollaufen lassen. Enrico kam auch mich zu und war der Ansicht, ich hätte sein Handy geklaut. Das hatte ich aber nicht. Dann hat er mich in das Gesicht geschlagen. Ich habe sofort gemerkt, das da einiges kaputt gegangen ist. Ich lag irgendwann am Boden und dort wurde auf mich weiter eingetreten.“

Ein Sachverständiger des Gerichts wirft nun Fragen auf. Der Arzt verhört das Opfer direkt vor Gericht. Heraus kommt, dass Florian schon öfter in psychologischer Behandlung in der Psychatrie war, seine Ex-Freundin Erika auch schon mit dem Messer angegriffen hat. Seine Ex-Freundin bezeichnete er bereits früher als “Junkie” und “wesensgestört”. Eine Aussage, die er vor Gericht allerdings revidierte. Der implizite Vorwurf des Arztes: er wolle Erika T. und Roman D. absichtlich mit in die Tat einbeziehen, weil die beiden am Tatabend gemeinsam erschienen und das Opfer eifersüchtig sei.

Das Gerichtsverfahren dauert an.

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