Der eigentliche Streit fand bereits im März statt, die erste Verhandlung im August. Damals beschloss man, mehr Zeugen hören zu wollen. Die waren bei der heutigen Sitzung zwar alle erschienen, brachten aber wenig Neues. Was war geschehen: Ein 18-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan war mit seinem Waschtag fast fertig. Schnell wollte er noch einen Freund holen, der als nächster dran wäre.
Als er wieder kommt, findet er seine nasse Wäsche auf der Waschmaschine wieder und die eines anderen darin. Der 18-Jährige ist aufgebracht und ärgert sich, dass seine Sachen womöglich wieder dreckig sind. Ein Schuldiger ist schnell gefunden.
Wegen nasser Wäsche verprügelt
Ein 19-jähriger Mitbewohner, auch Afghane, hatte die vermeintlich fertige Wäsche herausgenommen und seine eigene in die Waschmaschine gesteckt. Eine Bagatelle, die zunächst zu einem verbalen Streit führt. Daraufhin zieht sich der 19-Jährige in sein Zimmer zurück, wird aber von dem Jüngeren verfolgt. Es kommt zum Handgemenge, das mit einer gebrochenen Nase für den 19-Jährigen endet.
Ein als erneuter Zeuge geladener Sicherheitsmitarbeiter berichtet heute, wie der Geschädigte verängstigt auf seinem Bett gelegen habe – grün und blau im Gesicht. Der Angeklagte wirkt ruhig und eloquent. Er erklärt immer wieder, sich dem Urteil des Gerichts zu beugen und bedankt sich auch immer wieder bei allen Prozessbeteiligten.
Der Zeuge erinnert sich, dass sowohl der Angeklagte als auch der Geschädigte eigentlich eher unauffällig sind. Beide würden zur Schule und zu Deutsch-Kursen gehen, während der Beschuldigte mittlerweile an einer Berufsintegrationsklasse teilnimmt.
Die weiteren geladenen Zeugen dienen der heutigen Wahrheitsfindung nicht wirklich. Beide waren zum Tatzeitpunkt nicht in der Unterkunft, beide sagen nur aus, dass man nach dem Vorfall zu einem klärenden Gespräch zusammengesessen habe. Der Angeklagte Afghane bestätigte erneut den Streit, bestritt jedoch, den Geschädigten geschlagen zu haben.
Schlägerei oder Unfall?
In der Tat habe er sich sehr aufgeregt, dass seine Wäsche aus der Waschmaschine genommen worden sei, und er sei dem Geschädigten auch aufs Zimmer gefolgt. Dort sei es dann zu der verbalen Auseinandersetzung gekommen. Aber der Geschädigte habe ihn zuerst angegriffen. Die Verletzung sei ein Unfall gewesen, beteuert der Angeklagte. Sein Mitbewohner sei durch ein Versehen mit der Nase gegen an der Wand befestigte Steckdosen gefallen.
Der Geschädigte, der mittlerweile in Tegernsee lebt, berichtete hingegen, er sei so heftig geschlagen worden, dass seine Nase gebrochen sei. Ein Röntgenbild bestätigt seine Aussage. Auch heute leide er noch an den Folgen, wenn auch nur leicht. Der Angeklagte erklärte dem Gericht und dem Zeugen erneut, dass er sich der Entscheidung des Gerichts beugen werde, aber vor allem auch, dass ihm der Vorfall leid täte.
Händedruck und Umarmung
Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe bat daraufhin um eine kurze Unterbrechung, um zu klären, ob beiderseitig daran Interesse bestehe, sich zu versöhnen. Tatsächlich reichten sich die Kontrahenten – in Abwesenheit des Richters – wieder die Hände, umarmten sich gar.
Aufgrund der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe forderte die Staatsanwaltschaft drei Beratungsgespräche, in die auch der Geschädigte mit einbezogen werden sollte, um ein weiteres Zusammenleben einfacher zu gestalten. Dabei bewertete der Vertreter der Anklage vor allem positiv, dass der Angeklagte sich gegenüber dem Gericht gefügig zeigte, aber auch, dass dieser mit seiner Ausbildung – und nach Aussagen des Helferkreises – nun auf dem besten Wege der Integration sei.
Amtsgerichtsdirektor und Vorsitzender Richter Klaus-Jürgen Schmid überschritt allerdings die Forderung der Staatsanwaltschaft, wenn auch nicht immens. Schmid:
Der Anlass war sicherlich nichtig. Aber der Geschädigte leidet noch heute unter den Spätfolgen der gebrochenen Nase. Das kann man nicht nur mit Beratungsgesprächen ahnden.
So verurteilte er den jungen Mann zusätzlich zu einem Wochenende Arrest und wies darauf hin, dass wenn der Verurteilte den Beratungsgesprächen nicht nachkommen würde, er weitere vier Wochen Freiheitsstrafe verhängen müsse.
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