In einem dreistündigen Schöffengerichtsprozess klärte Amtsgerichtsdirektor Klaus-Jürgen Schmid heute die tatsächlichen Geschehnisse. In zwei der Anklagepunkte gestand der junge Mann sofort. Bei einer Hausdurchsuchung wurde ein Butterflymesser gefunden, was einen Verstoß gegen das Waffengesetz darstellt.
Auch gab er zu vor der Münchner Diskothek „P1“ randaliert zu haben und anschließend Polizeibeamte beschimpft und angegriffen zu haben. Den Vorwurf mit Ecstasy-Pillen gehandelt zu haben, wies er allerdings weit von sich.
Zeuge aus München angereist
Auch weigerte sich der Angeklagte zuzugeben, am Ostbahnhof Drogen verkauft zu haben. Den Zeugen und Käufer, der zur heutigen Verhandlung geladen war, habe er nur einmal beim „Isar-Rauschen“-Festival kennengelernt. Er habe zwar auch über Facebook eine Weile danach Kontakt zu ihm gehabt, aber mehr nicht.
Der aus München angereiste Zeuge sagte hingegen aus, man habe sich in einem Münchner Club kennengelernt und Telefonnummern ausgetauscht. Der Münchner habe recht bald erfahren, dass man von dem Angeklagten auch größere Mengen Ecstasy kaufen könne:
Wir haben zunächst über WhatsApp geschrieben, dann sind wir auf Telegram gewechselt, weil sich da die Nachrichten selbst löschen.
So kam es zu der Verabredung am Ostbahnhof. Für 1.200 Euro sollten 300 Pillen gekauft werden. Für 20 Euro pro Pille wollte der, wegen dieser Tat bereits rechtskräftig verurteilte Zeuge, sie weiterverkaufen.
Ecstasy im Sonderangebot
Ein Sachverständiger des Landeskriminalamtes bescheinigt den Pillen einen hohen Wirkstoffgehalt „Zu dem Preis ein Schnäppchen“, wie er erklärt. Auch der Käufer meinte, er sei froh gewesen, die Ware zu dem Preis gekauft zu haben. „Allerdings musste ich dann feststellen, dass es weniger Pillen als vereinbart waren.“
Bei seiner Festnahme hatte der Zeuge gegenüber der Polizei zunächst einen anderen Namen als Verkäufer genannt, sich aber kurz darauf korrigiert und den heutigen Angeklagten eindeutig aus einer Reihe von Fotos identifiziert. Während die Beamten der Kriminalpolizei Holzkirchen bei einer Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten zwar das erwähnte Butterfly-Messer fanden, konnten sie auf seinem Handy keinen Nachweis über den Handel mit Rauschgift entdecken.
Der Holzkirchner Beamte erfreute die Zuschauer im Gerichtssaal mit einem kleinen Scherz. Gestern war er wieder wegen einer Drogenfahndung zur Hausdurchsuchung bei dem Angeklagten. Man habe dabei nichts Belastendes gefunden. Der Beamte beschwerte sich jedoch:
Sie hatten aber immer noch nicht aufgeräumt.
Die Kollegen des Rauschgiftdezernats in München hatten bezüglich der Telefonnummern mehr Glück. „Wir haben die Nummer des Angeklagten auf dem Handy des Zeugen gefunden und auch einige WhatsApp-Nachrichten.“, erklärte ein weiterer Polizeibeamter. „Danach hat man sich auch schon sechs Monate vor der hier verhandelten Tat getroffen.“ Da aber wieder auf den Messenger-Dienst Telegram gewechselt wurde, konnte man nicht mehr lesen, worum es konkret ging.
Vor P1 gepöbelt
Ohne Zusammenhang zu den beiden Fällen stand das Randalieren vor dem „P1“. Der Angeklagte wollte dort nach einem Wiesn-Besuch im September letzten Jahres weiter feiern, wurde aber in den Morgenstunden des Lokals verwiesen.
Daraufhin nahm er sich einige Cocktail-Gläser, die Gäste vor dem Lokal abgestellt hatten und warf sie über den Zaun. Dabei verfehlte er einige Gäste nur knapp. Außerdem zertrat er einen Werbepavillion und richtete so einen Schaden von zirka 1.500 Euro an.
Als die Polizei eintraf, weigerte sich der Mann sich auszuweisen und beschimpfte die Beamten. Zwei Polizisten, die ihn letztendlich an dem Abend festnahmen, waren heute auch als Zeugen geladen. Der Angeklagte hatte ihnen nach einiger Diskussion seinen Ausweis vor die Füße geworfen. „Er drohte allerdings, wenn wir den anfassen würden, rastet er aus“, erzählte einer der Beamten.
Weil sie die Situation deeskalieren wollten, hatten sie sich entschieden, den Angeklagten damals erstmal zu beruhigen. Der andere Polizist kam jedoch später zu der Gruppe, hatte von der Vorgeschichte nichts mitbekommen und hob den Ausweis auf. Daraufhin ging der Beschuldigte auf ihn los.
Wir haben drei Mann gebraucht, um ihn zu Boden zu bringen und zu fesseln.
Aber auch gefesselt war er noch gefährlich. Im Streifenwagen hatte er versucht einen Beamten mit dem Kopf zu stoßen. „Ich konnte gerade noch reflexartig ausweichen.“ Der Angeklagte entschuldigte sich bei den Beamten, erklärte, dass er sich überhaupt nicht vorstellen könne, was da mit ihm los gewesen war. „Ich habe auch kaum noch Erinnerung daran“, so der 21-Jährige. „Aber so will ich auf jeden Fall nie wieder sein.“
Zweifellos gehandelt
Der Staatsanwalt glaubte ihm seine Reue in dem Fall. Allerdings glaubte er dem Zeugen bezüglich des Drogengeschäftes mehr. Der habe sich zwar anfangs im Namen geirrt, sei aber ohne Not und Drang bei seiner zweiten Aussage geblieben. „Der Zeuge hat auf eine nüchterne Art ohne Belastungseifer ausgesagt“, erläuterte der Staatsanwalt und forderte unter Anwendung des Jugendstrafrechtes einen Dauerarrest von zwei Wochen.
Die Verteidigerin berief sich auf den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ und verlangte einen Freispruch für ihren Mandanten bezüglich des Drogengeschäftes. Für die gestandenen Taten sei die Leistung von Arbeitsstunden bei einer sozialen Einrichtung ausreichend.
Allerdings kamen bei Richter Schmid und den zwei Schöffen gar keine Zweifel auf. Sie werteten die Aussage des verurteilten Drogenkäufers zusammen mit der Aussage des Kripo-Beamten bezüglich der gefundenen Telefonnummer als eindeutig. So sahen sie sich fest überzeugt, dass der Angeklagte alle drei ihm vorgeworfenen Taten begangen hatte. Aufgrund der hohen Menge Ecstasie wurde der Angeklagte zu drei Wochen Arrest und zur Bezahlung der Kosten des Verfahrens verurteilt.
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