Im Juli vergangenen Jahres griff die Polizei mit einem größeren Aufgebot in eine häusliche Auseinandersetzung in Waakirchen ein. Ein bereits polizeibekannter 33-Jähriger habe seinen Vater angegriffen, lautete der Notruf, der an die Einsatzwagen ging.
Mit gleich vier Streifenwagen fuhren die Beamten zu dem Haus, wo zusätzlich fast zeitgleich ein Rettungswagen eintraf. Eine der Beamtinnen vor Ort war beim heutigen Verfahren als Zeugin geladen. Als sie ankam, fand sie einiges Chaos vor.
Vater-Sohn-Streit und verwüstete Wohnung
Der Waakirchner, der wegen Körperverletzung angeklagt war, stand damals bereits vor dem Haus. Er selbst war aufgebracht, verletzt und wollte sich zunächst nicht behandeln lassen. Auch sein Vater, der den Notruf abgesetzt hatte, wies Schnittwunden an Armen und im Gesicht auf. „Die beiden stritten immer noch“ erzählte die Beamtin vor Gericht. „Sie waren kaum zu trennen.“ Die Wohnung war ein Trümmerfeld.
Der Angeklagte verweigerte bei der heutigen Verhandlung jede Aussage, aber ließ durch seinen Verteidiger ein ärztliches Attest vorlegen. Demnach ist der Landschaftsgärtner bereits seit zwölf Jahren schwer an Diabetes erkrankt. Die Krankheit ist bei ihm so stark, dass enorme Blutzuckerschwankungen vorkommen können.
In dem Befund des Hausarztes, der von Richter Walter Leitner verlesen wurde, heißt es weiter, dass die Krankheit mit Verwirrtheit und Aggression einhergeht und dass Entgleisungen, aber auch ein Koma vorkommen können. Nachdem der Angeklagte an besagtem Abend überzeugt werden konnte, sich mit dem Krankenwagen in die Klinik fahren zu lassen, wurden dort in der Tat drastisch überhöhte Blutzuckerwerte festgestellt.
Ein Fall für die Polizei oder den Arzt?
Wie der Beschuldigte wollten auch weder Vater noch Bruder vor Gericht zu dem Fall aussagen und machten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Der Vater hatte das Gericht schriftlich davon informiert. Leitner las den Brief auszugsweise vor. Darin hieß es, der Vater habe den Notruf zum Schutz seines Sohnes angerufen und nicht um diesen anzuzeigen. Weiter im Brief:
Da es jetzt dadurch zu einem Strafverfahren gekommen ist, werde ich zukünftig genau überlegen, ob ich wieder einen Notruf absetze.
Von der Polizeibeamtin wollte der Verteidiger bezüglich des Notrufes wissen, ob sie gehört habe, dass es dabei um die Schlägerei ging oder um den Gesundheitszustand des Angeklagten. Die Polizeibeamtin erklärte, dass sie nur die Angaben der Schaltzentrale und die sich nur zur Schlägerei geäußert habe. Den genauen Wortlaut des Anrufes kenne sie aber nicht.
Unklare Beweislage
Zudem wollte der Anwalt wissen, ob denn der Angeklagte wie auch Vater und Bruder an dem Abend über ihr Zeugnisverweigerungsrecht aufgeklärt worden seien. Die Beamtin:
Nein, wurden sie von mir zumindest da nicht. Wir mussten erst einmal Ordnung in die Situation vor Ort bringen und uns um die Verletzten kümmern.
Auch sei nicht feststellbar, wer mit der Rangelei angefangen habe und wie der Streit wirklich verlaufen sei. So blieb der Staatsanwältin aufgrund der Verweigerung der Zeugenaussagen nur die Möglichkeit einen Freispruch zu beantragen. Der Richter folgte dem Antrag. Der 33-Jährige wurde freigesprochen.
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