Was sich diesmal im Sitzungssaal des Miesbacher Amtsgerichts zutrug, gibt es nicht häufig. Drei Freundinnen – eine Waakirchnerin, eine Kreutherin und eine Rottacherin – sollen sich nach einer fröhlichen Geburtstagsfeier zusammengetan haben, um eine vierte Frau zu misshandeln. Im Weissacher Bierfassl waren Opfer und Angeklagte aufeinander getroffen. Dort sollen sie eine andere Kreutherin geschlagen, zu Boden gerissen und getreten haben.
Aber schnell traten bei der gestrigen Verhandlung Zweifel auf.
Die drei Freundinnen kamen im vergangenen November nach einem Abendessen anlässlich des Geburtstages der Kreutherin in die Bar. Nach ein paar Bier beim Abendessen wollten sie hier noch entspannt einen Prosecco trinken. Wie das damalige Geburtstagskind gestern erklärte, seien sie in guter Stimmung gewesen, allerdings wären sie von der anderen Kreutherin, die schon als Gast anwesend war, unangenehm angesprochen worden.
Die fing gleich das Stänkern an. „Du suchst dir immer reiche Männer“ und „Du hast dein Leben nicht im Griff“, hat sie zu mir gesagt.
Die Angeklagte erklärte weiter, dass die vermeintlich Geschädigte ihre Beschimpfungen quer durch das ganze Lokal gerufen haben. „Daraufhin haben wir ihr gesagt, sie soll doch näher kommen, wenn sie uns was zu sagen hat“, erklärte die eine Angeklagte weiter. „Das hat sie auch gemacht. Dann haben wir ihr gesagt, dass sie nun ja wieder gehen kann.“
Opfer hört nicht auf zu provozieren
Das tat die Frau wohl nicht, sondern griff einer anderen Angeklagten in die Haare und an den Rücken, was sich diese verbat. Die Frau setzte sich neben die Gruppe und setzte ihre Beschimpfungen fort. Als sie vom “Geburstagskind” am Kragen gepackt wurde, fiel sie vom Barhocker. „Ich habe sie festgehalten, damit sie nicht auf den Boden knallt.“, führte die Angeklagte aus.
Von Schlägen und gar Tritten könne überhaupt keine Rede sein. Das habe sich die Geschädigte selbst ausgedacht. Tatsächlich machte das “Opfer” einen wenig verlässlichen Eindruck. Die Kreutherin gab noch ehrlich zu, selbst sehr betrunken gewesen zu sein. In ihrer Aussage verstrickte sie sich unaufhörlich in Widersprüche.
Nicht nur, dass sie in ihrer Aussage während der Verhandlung von dem abwich, was sie bei der Vernehmung durch die Wiesseer Polizei ausgesagt hatte. Sie widerrief Aussagen, die sie selbst keine zwei Minuten vorher gegenüber Richter Walter Leitner machte.
Richter warnt vor Falschaussage
So sagte sie einmal aus, sie sei vom Barhocker gestoßen worden, einmal sei sie von allein gefallen. Zum einen erklärte sie, sie wäre noch stehend bereits geschlagen worden, das andere Mal sie habe schon am Boden gelegen. Sie sagte zuerst, es wäre die Bedienung gewesen, die sie nach dem Vorfall zum Taxi gebracht habe, dabei war es ein anderer Gast. Einen Arzt besuchte sie erst fünf Tage nach dem Vorfall. Richter Leitner mahnte:
Sagen Sie die Wahrheit. Das ist ihre letzte Chance.
Allerdings gab sie zu, schwer alkoholisiert gewesen zu sein – ähnlich wie auch die beiden Zeugen, die ihre Aussage stützen sollten. Ein weiterer Zeuge gab an, dass er genau gesehen habe, dass das Opfer getreten worden sei, aber nur von einer der Angeklagten. Worum es bei dem Streit gegangen sei, habe er nicht mitbekommen. Auch er habe mindestens vier Bier und einige Schnäpse intus gehabt.
Nur eine nüchterne Zeugin
Die andere Zeugin meinte, sie habe eigentlich gar nichts gesehen. Sie habe nur einen Rums gehört und die Geschädigte habe dann auf der Erde gelegen. Von Schlägen und Tritten habe sie dagegen nichts mitbekommen. Die Einzige, die in der Bar wohl nüchtern war, war die Bedienung.
Auch sie wurde als Zeugin vernommen, hatte aber nicht gesehen, dass das vermeintliche Opfer geschlagen oder getreten wurde. Allerdings sei sie auch nicht die ganze Zeit im Raum gewesen und beschrieb die Situation wie folgt:
Ich musste Getränke aus dem Keller holen und habe auch Besteck in der Küche poliert.
Nach der alles in allem schwierigen Beweisaufnahme, war nur eine Tatsache klar: Einstimmig sagten alle Beteiligten aus, dass die Rottacherin völlig unbeteiligt war und sogar schlichtend eingreifen wollte. Sie sollte auch nach Ansicht der Staatsanwältin freigesprochen werden.
Für die anderen zwei Angeklagten forderte die Staatsanwältin je 90 Tagessätze entsprechend ihres Einkommens. Einzig der Anwalt der Rottacherin wollte sich der Forderung der Staatsanwältin anschließen. Die beiden anderen Verteidiger forderten auch für ihre Mandanten einen Freispruch. „In dubio pro reo“ – Im Zweifel für den Angeklagten – führten beide an:
Die Zeugen hatten erhebliche Wissenslücken, eine Absprache zur Körperverletzung kann nicht nachgewiesen werden und ob überhaupt Tritte ausgeführt wurden, ist fraglich.
So sah es dann auch der Richter. „Der Einzige der Tritte gesehen hat, sagt, sie wurden nur von einer Person ausgeführt. Wer das war, konnte der Zeuge heute nicht mehr sagen“, fasste Leitner zusammen. „Wir müssen zu Gunsten der einen davon ausgehen, dass es die andere war. Und zu Gunsten der anderen, dass es die eine war.“ Alle drei Angeklagten wurden daher freigesprochen.
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