Internet: Traumland voller Stolperfallen

Lena hat das Gefühl, die ganze Schule tuschelt über sie, und kann sich das nicht erklären, bis sie erfährt, dass eine peinliche SMS über sie kursiert. Mitschüler von Max haben eine Max-Hasser-Gruppe gegründet. Einen peinlichen Film über Jonas findet man im Internet. Es gibt viele Wege von Cyber-Mobbing.

Und das ist nicht die einzige Stolperfalle, mit der Jugendliche zurechtkommen müssen. Beispiele wie jüngst die Facebook-Party in Waakirchen sind auch Auswüchse einer immer komplexer werdenden Medienwelt. Wie man darin den Überblick behält, darum ging es beim gestrigen Infoabend an der Realschule Bad Wiessee. Und Konrektor Tobias Schreiner machte klar: „Eine Schule ganz ohne Mobbing gibt es nicht.“

Tobias Schreiner spricht vor Eltern über Mediennutzung
Tobias Schreiner spricht vor Eltern über Mediennutzung

Hundert neue Schüler bekommt die Realschule zu jedem Schuljahresbeginn. „Und damit mindestens hundert Erwachsene, die eine Angst mit sich tragen, ihr Kind könnte sich im Mediendschungel verlaufen“, so die einleitenden Worte Schreiners bei dessen Vortrag vor rund 30 Eltern im Klassenzimmer der 5b. Diese ist dabei noch nicht einmal die Zielgruppe, denn der „richtige“ Medienkonsum beginnt etwa in der 7. Klasse. Im Alter von zwölf bis 18 Jahren besitzt fast jeder Jugendliche ein Handy und einen eigenen Internetzugang.

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Ziel sei es jedoch nicht, die Jugendlichen vom Internet fernzuhalten, so Schreiner. „Ich mag es selbst sehr, ich kenne mich aber auch gut aus.“ Vielmehr solle man versuchen, seine Kinder anzuleiten, wie sie sich sicher im Internet bewegen. Eine elterliche Kontrolle im jungen Alter sei unbedingt notwendig. „Die Jugendlichen können diese Öffentlichkeit nicht einschätzen.“

Was das Internet mit Jugendlichen macht

Im Durchschnitt, so Schreiner, verbringe ein Jugendlicher an einem Werktag 111 Minuten mit Fernsehen, 131 Minuten im Internet. „Wenn man jetzt vier Stunden am Tag Musik machen würde, würde das die Strukturen im Gehirn verändern“, erklärte er. „Mediennutzung tut das auch.“ Dabei wirke sich das Internet bei der Nutzung ganz anders aus als Fernsehen. Um das zu verdeutlichen, zeigte Schreiner einen Screenshot von Spiegel Online. Darauf erkenne das Gehirn 250 Möglichkeiten, zu klicken.

Ein aktueller Screenshot von Spiegel Online
Ein aktueller Screenshot von Spiegel Online

Bei Facebook beispielsweise, das einen sehr unruhigen Aufbau aufweist, muss das Gehirn deutlich mehr Entscheidungen treffen. Klicken ‒ lesen ‒ klicken. Messungen hätten ergeben, dass es hier zu einem echten Dauerfeuer „Wo klicke ich hin?“ komme. Doch Jugendliche gewöhnen sich an das Tempo. Wenn sie dann aber beispielsweise ein Buch lesen, so wäre das Gehirn irritiert ob der Langsamkeit der Reize und würde sich ständig fragen, ob man denn nicht jetzt mal was Aktives machen wolle. „Wir verlernen, konzentriert und ausdauernd an einer Sache dranzubleiben“, so Schreiners Resümee.

„Ja mei, die sind doch alle like-geil“

„Hast du was dagegen, wenn ich dein Facebook-Profil im Lehrerzimmer aushänge?“ Wenn ein Jugendlicher diesen Spruch, den er stets beim Medienführerschein anbringe, nicht verstehe, habe er auch die Tragweite sozialer Netzwerke nicht verstanden, so Schreiner. „Facebook ist nicht per se schlecht“, so der Konrektor zu den gespannt lauschenden Eltern.

Die Wirkung solcher Portale sei klar nachvollziehbar. Schon immer wollten Jugendliche einen Raum, wo sie sich austauschen können. „Ein Jugendlicher stellt sich ja permanent selbst infrage, wenn er also eine Bestätigung von außen bekommt, ist das genau das Gewünschte. Ich stelle Fotos von mir in Facebook und bekomme Hunderte von Likes. Dem Gehirn gefällt das. Und es sagt: Mach das noch mal. Irgendeiner klickt schon auf ,Gefällt mir’. Oder wie es ein Junge beim Medienführerschein einmal formulierte: „Ja mei, die sind doch alle like-geil.“

facebook

„Wenn man Facebook verbietet, stigmatisiert man es nur“, so Schreiners Botschaft. Mit einem Verbot mache man sein Kind ein Stück weit zum Außenseiter. Die größte Gefahr sei, dass Jugendliche – oft sehr unbedachte – persönliche Daten ins Netz stellen, die dann für immer dort gespeichert seien. „Ich bezahle nichts. Ich bin kein Kunde. Ich bin der Zulieferer. Ich liefere mit meinen Daten deren Grundlage. Facebook hat ein Interesse daran, dass jeder möglichst viel von sich preisgibt.“

Doch die Jugendlichen lernen auch schon, mit dem Medium umzugehen. „Es wird langsam besser“, ist sich der Konrektor sicher. Negative Beispiele wie aus dem Ruder laufende Facebook-Party seien eben auch Ausnahmen, die sich durch die richtige Bedienung weiter einschränken ließen.

Cyber-Mobbing, Missbrauch, Spielsucht, Abzockfallen

Als Schreiner auf die Gefahren des Internets zu sprechen kommt, zeigt er unverhüllte Bilder, die die Jugendlichen mit ein paar Klicks erreichen könnten. Bilder, die die Eltern im Raum erschrecken lassen. Portale von Suizidgefährdeten, gewaltverherrlichende und solche von Gruppen, die der Magersucht frönen. In einer solchen Lage sei es am wichtigsten, Kontakt zum Jugendlichen zu halten. Und trotzdem Beweise zu sammeln ‒ etwa Screenshots ‒ und sich Unterstützung zu sichern ‒ bei der Schule, bei der Polizei oder in Beratungsstellen.

„Als Eltern sucht man ja immer noch nach Möglichkeiten, zu sanktionieren“, gibt Schreiner zu bedenken. Früher war es das Fernsehverbot, heute konzentriere sich das Verbot mehr auf das Internet. Was also tun, um die Kontrolle zu behalten? „Die Kinder haben mehr Verständnis, als man meint“, beruhigt Schreiner. Die meisten sähen schon ein, dass „es schon besser wäre, wenn man in Ruhe lernen könnte“.

Kein PC im Kinderzimmer

Grundsätzlich könnte man den Medienkonsum am besten im Zaume halten, indem man für medienfreie Lernzeiten sorge und klare Vereinbarungen treffe und diese dann auch durchhalte. „Kein PC im Kinderzimmer für Kinder unter 14“, so sein gut gemeinter Rat.

Wichtig sei das Vertrauen zwischen Eltern und Kind. Klare Handlungsanweisungen wie „Wenn dir was passiert, reagiere nicht, sondern hol mich“ helfen dabei. Kontakt in sozialen Netzwerken sollte, so Schreiners Rat, nur zu persönlichen Freunden gesucht werden. Und über „problematische Inhalte“ sollte man mit dem Kind rechtzeitig sprechen.

„Warten Sie nicht, bis Ihr Kind solche Seiten findet, sondern sprechen Sie direkt an: ,Es gibt Bilder von extremer Pornografie im Netz und auch von brutaler Gewalt, und es ist völlig in Ordnung, wenn du sagst, das will ich nicht sehen. Du kannst auch kurz hinsehen und dann sagen, es ist eklig.’“

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