Wie die Vergangenheit so die Gegenwart

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Schlimme Hochwasser gab es im Tegernseer Tal immer wieder. Die Aufzeichnungen von Überschwemmungen reichen bis ins Mittelalter zurück. So hatten im Jahr 1899 die Talbewohner mit einer ähnlichen Flut zu kämpfen, wie vor rund zwei Wochen. Damals wie heute stellen sich die Betroffenen im Nachhinein die Frage, ob eine solche Katastrophe zu verhindern gewesen wäre und suchen immer noch nach geeigneten Maßnahmen.

Vom Tegernsee haben wir einen Bericht gefunden, wie die Menschen sich mit der Flut von 1899 auseinandersetzen mussten. “Am 14. September dieses Jahres wurde das bisher größte dokumentierte Hochwasser am See gemessen. Der Pegel war auf 287 Zentimeter über Normalnull gestiegen, was einem Pegel von 727,93 Metern entspricht.” Zum Vergleich: der Höchststand des Sees von Anfang Juni betrug 727,53 Meter über Normalnull und war damit noch 40 Zentimeter niedriger, als vor 114 Jahren.

Bild des Jammers im Jahr 1899

Damals hatten die Menschen ähnlich zu kämpfen wie heute. Im Rosenheimer Anzeiger vom 14. September 1899 steht beispielsweise zu lesen:

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14. September: Rottach ist ein Bild des Jammers und der Verzweiflung. Der See steht hoch über den Ufern. In Tegernsee ist es noch schlimmer. Das Cafe am See ist gewesen, die Fluten haben es weggespült. Die Häuser am See stehen unter Wasser, die ganze Straße ist überflutet, die Gärten sind zerstört. Weinen und Wehklagen überall.

Im Tegernseer Tal Heft von 2007 ist bereits zu lesen, mit welchen technischen Mitteln die Menschen am See – aber auch Politiker des Landes – im Jahr 1899 versuchten, gegen die Flut anzugehen. Das Bild ganz oben zeigt die Szenerie in der Rottacher Seestraße. Schon damals sah man Wehre als wertvolle Hilfe an, wie der damalige Staatsminister Freiherr von Feilitzsch am 4. 0ktober 1899 im Landtag erklärte:

„Geradezu unheilvoll war das Hochwasser der Mangfall in ihrem ganzen Gebiete vom Tegernsee bis zu ihrer Mündung in den Inn bei Rosenheim. Glücklicherweise gelang es, das erste Wehr in der Nähe bei Gmund am Tegernsee mit Aufbietung aller Kräfte zu erhalten. Wäre das nicht gelungen, so wäre eine ungeheure Wassermasse aus dem Tegernsee in der Mangfall weitergegangen und hätte noch viel größeres Unglück verursacht.“

2013: Andere Zeit-aber die selben Fragen

Auch im Jahr 2013 fragen sich viele Anwohner und Betroffene ob das Hochwasser nicht zu verhindern gewesen wäre. „Warum habt ihr den See nicht abgelassen?“ fragte Andrea Gradwohl, Bewohnerin in der Schwaighofstraße 62, die vom Hochwasser am See mit am meisten betroffen war.

Diese Entscheidung ist wahrlich schwierig zu treffen, wie auch das Tegernseer Tal Heft verrät: Der Tegernsee soll als Rückhaltebecken zur „Hochwasserbewirtschaftung“ im Unterlauf der Mangfall dienen. Viele Menschen beklagen, dass der See künstlich gestaut wird. Zum Schutze der Mangfallanlieger und der Stadt Rosenheim ließe man dann das Wasser weniger stark abfließen, als es möglich wäre, so ein oft gehörter Vorwurf.

Gerüchte um eine „vermeidbare Flut“ am Tegernsee, die allerdings nichts mit der Realität zu tun hätten, wie Paul Geisenhofer vom Wasserwirtschaftsamt uns vergangene Woche erklärte. Ob das Hochwasser am Tegernsee zu verhindern gewesen wäre, lässt sich laut Geisenhofer im Nachhinein nur schwer abschätzen. Allerdings betätigte er, dass zumindest eine „graduelle Verbesserung in jedem Fall möglich gewesen“ wäre.

Und zwar, wenn die schon geplanten Neuerungen am Schuhmacher-Wehr oberhalb von Louisenthal bereits umgesetzt gewesen wären. Schließlich hätte man dann die Möglichkeit gehabt, den Zu- und Abfluss des Tegernsees so zu steuern, dass die Auswirkungen des Hochwassers weniger gravierend ausgefallen wären. Eine aktive Steuerung, die mit dem aktuellen, mittlerweile in die Jahre gekommenen Schuhmacher-Wehr jedoch nicht möglich sei, wie der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes klar machte.

Über das Schuhmacher-Wehr in Gmund wird der einzige Abfluss des Tegernsees gesteuert.
Über das Schuhmacher-Wehr in Gmund wird der einzige Abfluss des Tegernsees gesteuert / Foto: Christoph Bertram

Dort könne man derzeit nur ein knapp 35 cm hohes Brett verstellen, um die Wassermassen zurückzuhalten. „Die Auswirkungen des Bretts sind aber marginal“, so Geisenhofer.

Mit der angedachten Planung für das neue Schuhmacher-Wehr könnte der Tegernsee zukünftig im Vorfeld abgelassen werden, um so bis zu drei Millionen Kubikmeter weiteren Rückhalteraum zu schaffen. Profitieren würden am Ende sowohl die Talbewohner als auch die unteren Mangfallanlieger. Ob die Bewohner im Tal das auch glauben, steht dabei auf einem anderen Blatt. Doch auch da unterscheiden sich die Generationen nicht voneinander.

Startbild: “Land unter am Tegernsee: die Rottacher Seestraße im Jahre 1899” – mit freundlicher Genehmigung des Tegernseer Tal Heftes

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