Dennoch gibt es ein Problem: Gerade für junge Leute, die auch mal länger aufbleiben wollen, gibt es abends nur wenig, das sie wachhält. Sie fahren lieber in die Stadt. Doch auch mit dem Pendeln wird es nachts schwer.
Die Pendlerzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Zwar schwirren Tag für Tag rund 4500 Holzkirchner Bürger zum Arbeiten nach München oder Rosenheim, aber auch in benachbarte Gemeinden aus. Aber dem stehen etwa 5500 Arbeitnehmer gegenüber, die für ihren Job nach Holzkirchen fahren. Demnach pendeln mehr Menschen ein als aus, wie es in der Fachsprache heißt. „Dank unserer Gewerbegebiete gibt es in Holzkirchen über 7000 feste Arbeitsplätze“, bilanziert der designierte Bürgermeister Olaf von Löwis. Das Einzugsgebiet schätzt er auf 30 Kilometer rund um die Marktgemeinde.
Und dass dies nicht das Ende der Fahnenstange ist, zeigten die Entwicklungen im heimischen Gewerbe mit den Firmen Hexal, HEP und nun dem neuen Entwicklungs- und Forschungszentrum von Bosch im Gewerbegebiet Föching. „Schlafstadt – das halte ich überhaupt nicht für zutreffend“, bekräftigt Annett Fischer, die Pressesprecherin von Bosch Engineering GmbH vehement.
“War Holzkirchen je eine Schlafstadt?”
Von den Mitarbeitern kämen zwar etwas über 42 Prozent aus München, aber eben so viele aus dem Umland von Holzkirchen. Sogar 15 Prozent seien waschechte Holzkirchner Bürger. „Wir sehen in Holzkirchen einen lebendigen Standort mit hohem Freizeitwert, der im Vergleich zu einigen umliegenden Gemeinden viele Firmen, Geschäfte und Restaurants hat“, ergänzt die Bosch-Sprecherin. Und wer Großstadtambiente suche, könne immer noch abends nach München fahren.
„War Holzkirchen je eine Schlafstadt?“, fragt Alexandra Killisperger, die für den Standort Holzkirchen zuständig ist, angesichts des regen Vereinslebens und des differenzierten Einzelhandels vor Ort. „Wir haben über hundert Vereine, viele kleine Shops, zwei Buchhandlungen, zahlreiche Modegeschäfte und neuerdings sogar einen Schallplattenladen – das zeigt doch dass hier genügend Nachfrage besteht“, freut sie sich.
Für Jugendliche wird es abends schwer
Holzkirchen scheint also erwacht zu sein – doch trotz der erfreulichen Zahlen stimmt das nicht so ganz. Denn wenngleich man hier tagsüber hellwach leben kann, ist es dennoch schwer, hier wirklich lange aufzubleiben: Wer Nächte in ambitionierter Feiermanier durchmachen will, wird enttäuscht. Nachts versinkt der Ort nach wie vor in einen Dornröschenschlaf.
„Holzkirchen ist ein langweiliger Ort – besonders für Jugendliche“, beschwert sich eine Holzkirchner Mutter von zwei Söhnen. Ihr 21-jähriger Sohn fahre ständig nach München, wenn er abends noch etwas unternehmen wolle.
Susan Andres, die als pädagogische Fachkraft für die Jugendfreizeitstätte Holzkirchen (JUZ) tätig ist, bekräftigt dies: „Für Jugendliche ab 16 wird es in Holzkirchen schwierig, die fahren eher nach Tölz oder München. Direkt in Holzkirchen findet wenig statt. Eine Disko fehlt.“
“Es fehlt seit langem eine Art Club”
Was sagen Holzkirchens jüngste, neu gewählte Gemeinderäte dazu? Während Sebastian Franz findet, dass das Angebot an Bars in Holzkirchen “eigentlich ganz gut” ist, teilt Karl Bär das Urteil von Andres: „Es fehlt halt seit langem eine Art Club“, sagt er. „Die Leute fahren lieber nach München, Tölz oder Miesbach.“
Franz stört sich weniger an der Tatsache, dass es keine Diskothek im Ort gibt, sondern vielmehr an der lückenhaften S-Bahn-Anbindung:
Die Disko fehlt uns nicht unbedingt. Wenn man wirklich weggehen will, fährt man nach München, da gibt es ein großes Angebot. Aber die S-Bahn ist ein Problem.
In München ginge man erst ab Mitternacht weg, die letzte S-Bahn ginge aber schon um halb drei. “Da ist ein Riesenloch dazwischen. Vielleicht lässt sich die Verbesserung der nächtlichen Anbindung anpacken”, schlägt er vor.
Wenngleich sich das Image der reinen Schlafstadt also gewandelt hat, wird Pendeln weiter ein Thema für Holzkirchen bleiben.
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