Händler folgen Kunden ins Netz

Amazon, Zalando und Co. sind für viele Geschäftsleute in Deutschland ein rotes Tuch. Sie bedrohen den stationären Einzelhandel – auch in Holzkirchen. Immer mehr Geschäfte denken daher um und wagen sich mit ihren Waren ins Internet. Andere sehen hingegen die Zukunft der Kinder in Gefahr.

Täglich werden in Deutschland Millionen von Päckchen verschickt - ein immer größer werdender Teil davon stammt aus Lagerhäusern von großen Online-Händlern wie Amazon. (Foto: Amazon)
Täglich werden in Deutschland Millionen von Päckchen verschickt – ein immer größer werdender Teil davon stammt aus Lagerhäusern von großen Online-Händlern wie Amazon. (Foto: Amazon)

Der E-Commerce ist auf dem Vormarsch. Daran lässt das Ergebnis einer aktuellen Studie der Uni Regensburg zum mittelständischen Einzelhandel keinen Zweifel. Demnach ist der Online-Handel in Bayern seit 2007 um 21,2 Prozent gewachsen – im Durchschnitt, pro Jahr. Denn im selben Zeitraum waren die Umsätze der gesamten Branche preisbereinigt rückläufig. Für lokale Geschäfte ist das eine große Herausforderung.

Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner rät deshalb: „Auch der Einzelhandel braucht eine digitale Strategie. Die stationären Händler stehen unter einem enormen Wettbewerbsdruck. Sie müssen die Chancen des wachsenden Online-Handels noch besser nutzen.“ E-Commerce-Giganten wie Amazon oder Zalando haben in vielen Ländern Maßstäbe gesetzt, mit denen lokale Geschäfte nur schwer mithalten können.

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Treulose Kunden: Beratung im Geschäft, Bestellung im Internet

Vor allem die oft niedrigeren Preise locken zahlende Kundschaft ins Netz statt in die Geschäfte nebenan. So berichtet es Gabriele Haitzer von „kids schuh welt“ in Holzkirchen: „Das nimmt überhand. Manche Kunden kommen ins Geschäft, lassen sich die Füße messen und passende Schuhe aussuchen, bestellen dann aber im Internet.“ Einen Online-Handel gemäß Ilse Aigners Vorschlag kann sie sich aber nicht vorstellen.

Denn gerade bei Produkten wie Schuhen für Kinder und Jugendliche sei die Retourenquote besonders hoch, so Haitzer. Auch Zalando hatte lange mit diesem Kostenproblem zu kämpfen, schließlich gehört die Retoure fest zum Geschäftsmodell. Dennoch macht der E-Commerce seit Jahren massiv Druck auf den lokalen Einzelhandel. Zu den meistgefragten Produkten zählen neben Kleidung auch Elektronik und Bücher – ganz zu schweigen vom Trend zum e-Reader.

Auch in Holzkirchen: Lebensmittel per Online-Express

Auf diesen Zug springt nun offenbar eines der meistbekannten Geschäfte in Holzkirchen auf: Der Schreibwarenladen Strohmeier plant einen Büchershop mit „24h Online Filiale“. Zum Sortiment sollen nicht nur Bücher, sondern auch eBooks, Hörbücher und DVDs gehören. Laut Website will der Schreibwarenladen Abholung im Ladengeschäft schon am nächsten Morgen sowie kostenlosen Versand ab 15 Euro Warenwert anbieten – letzteres erinnert zweifellos an Amazon.

Andere Holzkirchner Geschäftsleute sperren sich hingegen ganz dem Wandel zum Netzgeschäft. So fürchtet eine Ladenbesitzerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, dass der Online-Handel über kurz oder lang „unsere Kinder kaputt machen“ werde. Sie kritisiert auch den Trend, dass man mittlerweile sogar Essen im Netz bestellen kann.

Kein Förderprogramm für Einzelhandel

Rewe ist da offensichtlich anderer Meinung. Die Supermarktkette, die auch in Holzkirchen eine Filiale betreibt, bietet nun im Gebiet der Marktgemeinde einen Lieferservice für Einkäufe an. Kunden können aus bis zu 19.000 Artikeln wählen und unter anderem mit PayPal bezahlen – im Internet ist das Standard.

Nach der Bestellung setzt Rewe auf kurze Transportwege mit speziellen Kühlfahrzeugen und Zustellpersonal. Die Auslieferung erfolgt ohne zusätzlichen Verpackungsmüll. Der Online-Handel ist für Rewe ein weiterer Vertriebskanal, erklärt Pressesprecher Thomas Bonhart:

An der Haustür kann der Kunde die Ware prüfen und gegebenenfalls zurückgeben – solche Artikel werden dann auch nicht berechnet.

Für den Wirtschaftsstandort Holzkirchen sind diese eher gemischten Eindrücke problematisch. Eva-Maria Schmitz von der Standortförderung Holzkirchen: „Derzeit gibt es kein Förderprogramm für den Einzelhandel. Die Kommunikation mit den Geschäftsleuten ist aber da, wie man zuletzt beim Sommerzauber gesehen hat.“

Man wolle zudem prüfen, so Schmitz, ob eine Bewerbung für das Modellprojekt „Digitale Einkaufsstadt“ in Frage komme. Bis zum 31. Oktober will die bayerische Staatsregierung drei Städte auswählen. Mithilfe von Experten sollen die Städte „hinsichtlich der optimalen Nutzung digitaler Innovationen von kompetenten Experten gecoacht werden.“ Der Marktgemeinde würde das über kurz oder lang aber nicht helfen, meint eine weitere Ladenbesitzerin, die anonym bleiben möchte:

Für Holzkirchen sehe ich düstere Zeiten. Das liegt natürlich auch an Amazon. Es gibt Leute, die bekommen jeden Tag ein Paket. Der stationäre Einzelhandel wird irgendwann schrumpfen. Der Ortskern stirbt aus.

Doch nicht alle Wolken am Horizont sind finster. Eine repräsentative Studie des IfD Allensbach – „Lokale Welten“ – zeichnet ein etwas freundlicheres Bild vom deutschen Einzelhandel. Demnach schätzen 84 Prozent der Befragten die persönliche Beratung im stationären Handel.

Durch innovative Beratungsmethoden im Internet ist jedoch auch diese Komponente gefährdet – der Holzkirchner Einzelhandel muss sich etwas einfallen lassen. Bei “wir liegen richtig” werden momentan vor allem Paketzulieferer nicken.

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