Schäferhunde suchen Fährten. Ein Hubschrauber kreist über der Szenerie. Ein halbes Dutzend Beamten steht noch beim Juwelier. Passanten beschweren sich, weil sie um die rotweiß gestreifte Polizeiabsperrung drumherum gehen müssen. Eigentlich möchte jeder gerne seinem Alltag nachgehen. Doch etwas hat gestört heute früh in der Seestraße.
Drei junge Männer waren heute Vormittag in einen Juwelierladen gestürmt und hatten „Überfall“ gerufen. Sie bedrohten die drei Angestellten und fingen an, eine schwarze Sporttasche mit Schmuck vollzupacken. Hartmut T. (Name geändert) war am Gehsteig draußen gesessen, hatte einen Kaffee getrunken und gewartet, bis die Handwerker seinen Laden von den Hochwasserschäden befreien.
Er kennt solche Szenen schon von früheren Einbrüchen in der Seestraße. Deshalb war er auch sofort wachsam ob der Aktion, die sich in dem Laden offenkundig abspielte.
„Es wird halt viel geklaut“
Ein Schrei, drei Männer frühmorgens in einem Laden. Hektische Bewegungen beim Einpacken von Schmuck. „Da stimmt was nicht“, ging es in ihm vor. Er griff zum Telefonhörer und verständigte die Polizei, beschrieb ganz genau den Tathergang, versuchte dann, den flüchtenden Tätern zu folgen. Als einer eine Pistole zieht, kehrt er lieber um.
Schon etlichen Eigentümern – Boutiquebesitzern aus der Rottacher Seestraße – konnte er ihre Sachen zurückgeben, indem er Diebe gestellt hatte. Auf frischer Tat erwischt, hatte er diese jeweils freundlich darauf hingewiesen, dass das nicht ihre Sachen seien, und „sie sollten diese doch bitte an die rechtmäßigen Besitzer zurückgeben“.
Dann würde sich auch der Einsatz der Polizei eventuell erübrigen. „Es wird halt viel geklaut“, fasst er seine Erfahrungen zusammen. „Aber wir leben hier noch in einer heilen Welt“, ist der Rottacher überzeugt.
Den Eindruck hat auch die Dame, die in der Walentowski-Galerie ein paar Schritte weiter arbeitet. Sie kommt aus Frankfurt, wo Kriminalität in manchen Vierteln an der Tagesordnung steht. Sie findet es typisch für manche Diebe, dass sie kurz nach der Ladenöffnungszeit eindringen.
„Dann brauchen sie nicht einzubrechen“, beschreibt sie die „Vorteile“, eine solche Tat am helllichten Tag zu vollbringen. Sie selbst hat keine Angst. Denn die Bilder, die sie verkauft, sind alle limitiert und nummeriert. „So was können die gar nicht verkaufen“, weiß sie. „Außerdem ist alles gut gesichert“, spielt sie auf Alarmanlage und Sicherheitstüren an.
Alles gut gesichert
„Raub lohnt sich bei uns nicht“, heißt es ebenso aus der Boutique von Gert Lindig. Seine Ehefrau gibt bereitwillig Auskunft. Vergitterte Fenster, Kameras, Alarmanlage und Sicherheitsmaßnahmen seien selbstverständlich und das Hereinkommen in der Nacht erschwert. Tagsüber ist immer eine Kollegin da, das heißt, man ist nie allein im Laden, was die Angst minimiert.
Bezahlt wird fast immer mit Karte, also gäbe es fast kein Bargeld im Laden. Außerdem sei Kleidung schwer abzusetzen. „Diebe haben es eher auf Schmuck und Geld abgesehen.“ Ein komisches Gefühl bleibe trotzdem, gerade auch, weil in letzter Zeit mehr passiert ist – diverse Einbrüche oder der Mord ein paar Häuser weiter.
Jedenfalls sehe man sich die Leute, die zur Tür hereinkommen, doch etwas genauer an. Drei junge, südländische Männer, das wäre ungewöhnlich. „Höchstens Russen oder Japaner kommen zu dritt, die kaufen vielleicht Geschenke.“
„Der Zusammenhalt ist super“
„Ich bin jetzt wachsamer, aber ich fühle mich nicht unsicher“, beschreibt Hildegard Bayerschmidt von der Parfümerie nebenan ihre Gefühlslage. Sie habe das Großaufgebot an Polizei beobachtet, und das veranlasst sie zu einem gewissen Gefühl der Sicherheit.
Vor allem möchte sie endlich wieder zum Alltag zurückkehren – einfach nur wieder dem Warenverkauf nachgehen. „Erst das Hochwasser, dann war hier den ganzen Tag die Kripo, ich war gerade mit meinen Mädels beim Essen, und wir wollen einfach nur runterkommen.“ Im Modegeschäft Lisa E., direkt neben dem Juwelier, haben die Angestellten um Elisabetz Eilender-Berger alles hautnah mitbekommen.
Die Ladenchefin hat ihr Team inzwischen auf mögliche Überfälle vorbereitet und wie sie in einer solchen Situation am besten reagieren. Da ist es auch gut, den Rückhalt der anderen in der Straße hinter sich zu wissen. „Der Zusammenhalt ist super“, bestätigt auch Hartmut T.
„Die Ganoven sind auch nicht mehr das, was sie mal waren“
Er war es auch, dessen Familie Opfer eines der größten Juwelenraube Deutschlands geworden ist. Der Laden war in Bad Kissingen beheimatet, und die Diebe hatten sich als Bauarbeiter getarnt. So konnten sie relativ unbemerkt ihren Raubzug vorbereiten, und flugs war eines Nachts das Geschäft leergeräumt.
Die drei jungen Männer von heute hatten anscheinend nur Schmuck in geringem Wert erbeuten können. Einen mächtigen Schrecken und ein ebensolches Polizeiaufgebot erzeugten sie trotz allem. Gefasst ist die junge Bande noch nicht. „Bestimmt hocken die noch irgendwo in einer Pension hier“, vermutet eine Anwohnerin.
„Die teuren Sachen haben die liegengelassen“, fügt Hartmut T hinzu. Und fast ein wenig enttäuscht fährt er fort: „Naja, die Ganoven sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.“
SOCIAL MEDIA SEITEN