Für die kommenden Tage ist gutes Wetter vorausgesagt. In normalen Zeiten würde der Deutsche Alpenverein Tipps und Infos rund um den Bergsport herausgeben. Angesichts der Corona-Krise appelliert er aber eindringlich, keine Bergtouren zu unternehmen. Es gibt triftige Gründe für diesen Appell.
DAV-Präsident Josef Klenner appelliert an die Bergsportgemeinde: „Bitte gehen Sie in der momentanen Situation nicht in die Berge!“ Es gehe darum, so Klenner, alpine Notfälle zu verhindern und dadurch sowohl das Rettungswesen als auch die Krankenhäuser zu entlasten. Mit Blick auf die Situation an zurückliegenden schönen Tagen nennt Josef Klenner einen weiteren Grund für seinen Appell: „Besonders beliebte Wanderziele können so stark frequentiert sein, dass auch ein Infektionsrisiko besteht.“
Das Rettungs- und Gesundheitssystem entlasten
Bergsport ist gesund, Unfälle und Notfälle sind auf einzelne Aktive gerechnet sehr selten. Wo viele Menschen unterwegs sind, sieht das aber ganz anders aus: An schönen Wochenenden im Frühjahr sind 40 Einsätze und mehr für die Bergwacht in den Bayerischen Alpen keine Seltenheit. Normalerweise sind solche Einsatzzahlen zu bewältigen, in Zeiten von Corona aber kaum. Zum einen ist der Aufwand pro Rettung wegen der Pflicht zum Einsatz von Infektionsschutz-Ausrüstung erheblich größer.
Zum anderen können einzelne Covid-19-Infizierte ganze Rettungsteams in Quarantäne zwingen. Diese beiden Aspekte zeigen: Das alpine Rettungssystem steht in Corona-Zeiten bereits bei wenigen Einsätzen erheblich unter Druck. Hinzu kommt die zusätzliche Belastung der Krankenhäuser. Es ist eine Frage der gesellschaftlichen Solidarität, ob Freizeitunfälle in Krisenzeiten die Belastung des Gesundheitssystems erhöhen sollten.
Übrigens: Viele Bergsportlerinnen und Bergsportler sind – möglicherweise zu Recht – davon überzeugt, ihre Touren besonders sorgfältig und defensiv zu planen und der Bergwacht sicherlich nicht zur Last zu fallen. Trotzdem sollten sie sich fragen, ob sie gegen Fehleinschätzungen, Blackouts oder einfach Pech gefeit sind. Hinzu kommt: Es ist zwar Frühling, aber in den Bergen herrscht noch Winter. An diesem Wochenende wird der jüngste Neuschnee noch nicht abgetaut sein. Es besteht also eine erhöhte Gefahr von Abrutschen und Steinschlag.
Infektionsrisiko kann auch in den Bergen bestehen
Bei einem Großteil der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise geht es um die Reduzierung der sozialen Kontakte mit dem Ziel, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Eine Bergtour steht diesem Ziel zunächst nicht entgegen, solange man alleine oder nur innerhalb der jeweiligen häuslichen Gemeinschaften unterwegs ist. Anders sieht es aus, wenn Wanderungen überlaufen sind: An den oftmals kleinräumigen Gipfeln kommen sich die Menschen zwangsläufig näher, als es sein sollte.
Am Weg dorthin sind viele nach oben unterwegs, andere gehen bergab. Wer aneinander vorbei will, muss den Sicherheitsabstand verletzen, weil Bergwege oftmals schmal sind, insbesondere jetzt im Frühjahr, wo teils noch Schnee liegt. Dabei müssten Bergsportlerinnen und Bergsportler eigentlich mehr Abstand halten. Schließlich atmen sie öfters und tiefer ein und aus. Dieses Szenario klingt übertrieben? Am letzten Wochenende waren viele Parkplätze bei den klassischen Wanderungen in den Münchner Hausbergen überfüllt.
Klettern und Bouldern
Kletterhallen sind inzwischen flächendeckend geschlossen. Es liegt nun freilich nahe, dass viele Aktive an die Kletterfelsen in den Mittelgebirgen ausweichen. Wie bei den Bergtouren lautet der Appell des DAV allerdings: Bitte geht nicht klettern!
Die Gründe sind die gleichen wie beim Bergwandern. Unfälle können passieren, ein gewisses Infektionsrisiko besteht. Im angehenden Frühling drängen sich die Kletterinnen und Kletterer an den sonnigen und bekannten Felsen – und das umso mehr, weil eben die Hallen geschlossen sind.
In Bewegung bleiben
Bergsport im engeren Sinne ist also derzeit nicht empfehlenswert. Durchaus sinnvoll ist es hingegen, in Bewegung zu bleiben. Das kann ein Spaziergang im Wald um die Ecke sein, vielleicht auch eine leichte Wanderung am nahe gelegenen Hügel oder eine Joggingrunde im Park.
Wichtig ist dabei nur, soziale Kontakte über die häusliche Gemeinschaft hinaus zu vermeiden. „An die frische Luft gehen ist wichtig, um gesund und fit zu bleiben“ sagt Josef Klenner und schaut dabei auch in die Zukunft. „Die Zeit der Bergtouren wird wiederkommen.“ Bis dahin gibt der DAV unter alpenverein.de/berge-zuhause viele Tipps, wie man der Bergsehnsucht begegnen kann, ohne dorthin fahren zu müssen.
Bergsport und Corona – die rechtliche Situation
In Bayern gilt eine relativ weitgehende Ausgangsbeschränkung, das Verlassen der eigenen Wohnung ist nur aus triftigen Gründen erlaubt. Zu diesen triftigen Gründen gehören explizit „Sport und Spazierengehen an der frischen Luft“. Das bedeutet: Bergsport ist nicht verboten. Allerdings heißt es in den Empfehlungen des Bayerischen Innenministeriums: „Unter dem Aspekt des Gemeinwohls möchten wir Sie bitten, zu Hause zu bleiben bzw. Bewegung an der frischen Luft in der unmittelbaren näheren Umgebung durchzuführen. Es wird dringend davon abgeraten, am Wochenende Ausflüge in die Berge zu unternehmen.“
Die rechtliche Situation in anderen Bundesländern und im angrenzenden Ausland stellt sich unterschiedlich dar. In NRW zum Beispiel ist der Klettersport flächendeckend verboten. In Tirol ist Bergsport generell verboten, es herrscht eine sehr weitgehende Ausgangssperre. Die Regelungen in den Bayerischen Alpen beruhen auf Freiwilligkeit. Auch, damit das so bleibt, appelliert der DAV an die Bergsportgemeinde, sportliche Aktivitäten nur in der Nähe der eigenen Wohnung zu betreiben.
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