Friseure im Lockdown

Die Haare wuchern, der Ansatz ist schon längst rausgewachsen und immer mehr Menschen greifen in ihrer Verzweiflung selbst zu Rasierapparat und Schere. Inzwischen sind Anfragen nach Schwarzarbeit bei Friseuren keine Seltenheit mehr. Die Branche ist in einer schwierigen Situation. Das Verständnis für das Arbeitsverbot fehlt immer mehr.

Nina Alessa Selmani und Matthias Lühr in ihren Salons.

Nina Alessa Selmani betreibt mit einem sechsköpfigen Team in Bad Wiessee ihren Friseursalon Alessa Hairdesign. Zumindest bis der Lockdown kam, und jegliche Dienstleistung am Kunden nicht mehr möglich war. Sie weiß um die prekäre Situation der Friseure, besonders jetzt im zweiten Lockdown, und will in der Hoffnung auf Besserung auf ihre Lage aufmerksam machen.

Keine Hilfe vom Staat im zweiten Lockdown

Seit dem 16. Dezember ist der Salon zu, keinerlei Einkommen. Als Mutter eines dreieinhalb Jahre alten Sohnes, dessen Vater ebenso in einer vom Lockdown beeinträchtigten Sparte arbeitet, sei sie froh, dass ihre Familie immer unterstützend hinter ihr stehe. Denn finanzielle Hilfen vom Staat sind bisher nicht angekommen. Nicht einmal den Antrag konnte sie bislang stellen. Das sei im ersten Lockdown um einiges besser abgelaufen. “Da waren nach 4 – 6 Wochen die Hilfen auf dem Konto.”

Ein weiteres Problem: Für die Betriebe, die im November schließen mussten war als Hilfe noch 75 Prozent des Vorjahresumsatzes veranschlagt, nun sollen wohl aber für die Betriebe, die erst am 16.Dezember schließen mussten maximal 90 Prozent der Betriebskosten erstattet werden. “Unfair”, findet Selmani, denn damit sind überhaupt keine privaten Kosten gedeckt. Jetzt müsse man an die Rücklagen, die man vielleicht für die Altersvorsorge zurückgelegt hat. Auch auf die Auszahlung der Kurzarbeitergelder müsse man teils länger warten, die Löhne sollen aber gezahlt sein, also müssen weitere Gelder vorgestreckt werden. Selmani sagt:

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Es ist manchmal nicht leicht, die Sorgen tagsüber auszuschalten.

Auch für ihre Angestellten sei das Ganze teils existenzgefährdend. Glücklicherweise ist der Januar der erste Monat, in dem die angestellten Friseurinnen wirklich nur mit dem 60-Prozent-Kurzarbeitergehalt auskommen müssen. Im ersten Lockdown und im Dezember, konnte Selmani das Gehalt noch aufstocken. Da nun keine Hilfen da sind, geht auch das nicht mehr.

Neues Problem: Schwarzarbeit

Durch die anhaltende Schließung der Salons steht die Branche inzwischen vor einem neuen Problem. Die Anfragen nach Schwarzarbeit mehren sich, Selmani weiß von Fällen, wo die finanziellen Sorgen zu groß sind, um den fehlenden Lohn nicht durch einen privaten Haarschnitt etwas auszugleichen. Die Stammkunden sind ihrem Salon glücklicherweise treu, unterstützen mit Produkt- und Gutscheineinkäufen und wissen, dass es bei Alessa Hairdesign keine Schwarzarbeit gibt. Trotzdem gab es wohl einige Anfragen. Diese Entwicklung sieht Selmani mit Sorge, denn:

Schwarzarbeit schadet nicht nur der Branche und der Wirtschaft, auch hat man ein unkontrolliertes Hygieneverhalten und ist nicht so sicher wie beim Friseur, der ja alle Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen einhält.

Es ist Selmani wichtig zu betonen, dass ihr Fokus natürlich auf der Gesundheit aller liegt, doch sie wünscht sich, dass sich etwas an der Situation ändert. Vor allem verlangt sie schnelle, unbürokratische Hilfen. “Wieso erhalten wir nicht wieder 75% vom Umsatz des Vorjahres, die jetzige Überbrückungshilfe sieht nur eine Erstattung der Betriebskosten vor. Wir Unternehmer bekommen nichts, dabei haben auch wir Lebenshaltungskosten. Ebenso würde ich mir sehr wünschen, dass das Kurzarbeitergeld auf mindestes 80% angehoben wird”.

Trotz allem will Selmani positiv bleiben. Sie sei dankbar für ihre Familie und ihr Team. Sie erklärt: “Wir haben regelmäßig Telefon Meetings, wir bieten Click&Collect an, wir halten unsere Kunden über die sozialen Netzwerke auf dem Laufenden und bilden uns während des Lockdowns online weiter. Wir halten zusammen und sehen positiv nach vorn, denn irgendwann wird es ja wieder weiter gehen, deshalb investieren wir weiter in die Zukunft.”

In Gmund kaum mehr Verständnis

Der Gmunder Friseur Matthias Lühr hat mittlerweile wenig Verständnis für sein Berufsverbot. Auch er weist auf die extrem schwierige finanzielle Situation der Unternehmer hin. Gelder kommen verspätet oder zunächst gar nicht, Mitarbeiter sind auf Kurzarbeiterlöhne angewiesen und dass der Friseurberuf im niedrigeren Lohnsektor liegt, macht die Dinge nicht einfacher. Lühr bezahlt ebenso wie Selmani bisher weiterhin 100 Prozent Lohn an seine Mitarbeiter. Man sei ja schließlich ein Team.

Der Wunsch nach einem Haarschnitt ist scheinbar bei vielen übermächtig. Bereits im Januar habe er Anfragen bekommen, nach dem Motto: “Kommst du jetzt auch mal privat vorbei?” Seine Mitarbeiterinnen werden teils von völlig unbekannten kontaktiert, Menschen, die nicht einmal Kunden sind, aber nach ihrer Dienstleistung verlangen.

Der Friseur hat auch einen Anteil am Wohlbefinden der Menschen.

“Niemand sieht morgens gerne in den Spiegel und hat ungepflegte Haare”, meint Lühr. Das sei nur eine weitere psychische Belastung im Lockdown.

Was sollen wir denn noch machen?

Für den Unternehmer stellt sich mittlerweile die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen, das Berufsverbot für Kosmetiker und Friseure betreffend. “Wir haben in Hygienemaßnahmen investiert, wir führen Kontaktlisten, lüften, arbeiten mit FFP2 Masken und haben überall Desinfektionsspender. Was sollen wir noch machen?”

Das Friseurhandwerk sei das einzige Handwerk, welches seiner Tätigkeit momentan nicht nachgehen darf, und das obwohl hier hohe Hygienestandards eingehalten werden. Allein die starken Anfragen nach Schwarzarbeit sind ein Zeichen, wie sehr sich die Menschen wieder nach etwas Alltag und Normalität sehnen. “Vielleicht”, überlegt der Friseur, “sollte man den Menschen das wieder etwas mehr geben, dann fällt es auch sicherlich wieder leichter, sich besser an Maßnahmen zu halten.”

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