“Vor dem Hintergrund der bei den Verkehrsunternehmen sehr angespannten wirtschaftlichen Lage müssen wir daher zum Ende der Osterferien, also ab dem 25. April 2022, auf die Ausgabe von regulären Schülerfahrkarten bestehen.”
So steht es in einer Mail der DB Regio Bus, versendet an diverse Schulen. Die Mail liegt der Tegernseer Stimme vor. Der selbsternannte Markführer, Slogan “Menschen bedarfsgerecht in die Regionen befördern”, ist eine hundertprozentige Tochter der Deutschen Bahn AG. Zu Beginn des Kriegs hatten die Bahnler aus Berlin, wie eben auch die Tochter in Tegernsee, großzügig den Gratis-Transport der Flüchtlinge angeboten. Andere Verkehrsunternehmen in Deutschland folgten dem Beispiel. Die DB Regio sorgt mit ihrem Busverkehr für einen landkreisweiten Transport zwischen den Bahnhöfen.
Schluss mit umsonst
“Als Fahrtberechtigung genügt dazu ein ukrainisches Ausweisdokument. Mitreisende Kinder unter 18 Jahren benötigen kein Ausweisdokument”, schreiben die staatlichen Busunternehmer in der Mail, und weil es in Deutschland ohne Ausweis kein wahres Leben existiert, betont der Niederlassungsleiter Andreas Päschel in der uns vorliegenden Mail: “Für die Schülerbeförderung ergibt sich aus dem Umstand, dass Kinder unter 18 Jahren oft über keine Ausweisdokumente verfügen, ein Nachweisproblem. Um Problemen bei der Schülerbeförderung in diesem Kontext vorzugreifen, möchten wir Sie bitten, alle geflüchteten Kinder aus der Ukraine mit regulären Fahrscheinen auszustatten.”
Dann kommt der Satz: Die Lage sei wirtschaftlich angespannt. Ende der Osterferien sei Schluss mit Umsonst für ukrainische Kinder und Jugendliche. Hübsch dann auch noch der Hinweis zum Ende der Mail: “Ebenfalls weisen wir darauf hin, dass es aus Gründen der Diskriminierungsfreiheit auch im Bereich der Erwachsenen zum 25. April keine Freifahrtregelung mehr geben wird.” Man hört förmlich, wie der Ticket-Schalter nach diesem Satz gedanklich geschlossen wird.
Wer soll also zahlen? Na klar. Erster Ansprechpartner ist hier der Staat, also das Landratsamt. Da kam die Ansage aus der Tegernseer Niederlassung so mittel an. “Wir sind überrascht über die plötzliche Kehrwende der DB Regio. Von anderen Transportunternehmen haben wir nach wie vor die Info, Geflüchtete aus der Ukraine vorerst weiterhin kostenlos transportieren zu wollen.” Das Landratsamt, aber derzeit auch und vor allem die Gemeinden, haben mit der Unterbringung einen gehörigen Kostenposten zu tragen. Da sind die Verwaltungen über jede Entlastung dankbar.
Ist das nicht etwas kurzfristig?
Das Landratsamt in Miesbach indes bittet um Geduld: “Bis die staatlichen Strukturen in Deutschland voll greifen, dauert es trotz größter Bemühungen nun einmal etwas, bis jeder Geflüchtete auch die richtigen Anträge auf Schülerbeförderung gestellt hat usw.” Einen kleinen Seitenhieb konnte sich Miesbach nicht verkneifen, wenn sie explizit andere Firmen und deren Hilfsbereitschaft loben: “Glücklicherweise gibt es sehr viele Unternehmen und Privatpersonen in unserem Landkreis, die Geflüchteten aktiv helfen und damit Unterstützung und Sicherheit bieten in extrem unsicheren Zeiten.
“Wir versuchen nun insbesondere für die geflüchteten Schülerinnen und Schüler eine Lösung zu finden. Die Ankündigung der DB Regio kommt sehr ungünstig kurz vor den Schulferien, während der die Schulen, die die Anträge für Schülerbeförderung üblicherweise in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt abwickeln, kaum besetzt sind. Wir klären nun, wie wir vorgehen können.”
Was sagt die DB Regio dazu?
Ralf Kreutzer, RVO-Niederlassungsleiter, erklärt es mit zwei Punkten: Wir müssen in diesen Zeiten sehen, woher wir die Liquidität bekommen. Angesichts der steigenden Energiekosten sind wir zu solchen Maßnahmen gezwungen. Es sind schon Unternehmen in Oberbayern in die Insolvenz gegangen.”
Und dann gibt es einen eher unschönen Punkt. Kreutzer verweist auf die mögliche Diskriminierung gegenüber anderen, bedürftigen Gruppen. “Wenn ein Mensch mit 900 Euro Lohn sich für 60 Euro ein Monatsticket kaufen muss, und andere Gratis fahren, wird es Diskussionen geben. Hier muss der Landkreis eben einspringen.”
Klar ist, dass mit der Fortdauer des Kriegs immer mehr Flüchtlinge kommen werden. Klar ist auch, dass auch staatliche Unternehmen wirtschaftlich agieren müssen. Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Es ist eine Staatsfirma. Hätte die nur wenige Wochen länger ihre Sitze im Bus für Flüchtlinge bereitstellen können, bis eine Kostenerstattung des Staats geregelt wird?
“Nein”, sagt der DB Regio-Niederlassungsleiter. “Wir finden drei Wochen Vorlauf ist durchaus ausreichend, um z.B. Schülern seitens des Landkreises die Tickets zahlen zu lassen. Und wann soll man denn mit den Gratisfahrten aufhören?” Also Renditeziele und eine mögliche Neiddebatte – so schnell kann es mit dem guten Willen zu Ende sein.
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