Intensivstation belegt wie in Corona-Hoch-Zeiten

Mitten in die oberbayerische Feiersaison platzt ein dringender Appell aus dem Kreiskrankenhaus Agatharied. Dort befinden sich aktuell nicht nur sechs Patienten auf der Intensivstation, sondern auch der Krankheitsstand in der Belegschaft, die allgemeine Bettennot und die zwei Coronastationen machen große Sorgen. Wie geht es hier weiter?

Betreiber des Kreiskrankenhauses in Agatharied fordern aktive Unterstützung der Bundesregierung ein.

Bei vielen Menschen ist momentan die Sorge vor den Auswirkungen der anhaltende Hitzewelle im Tal größer als die vor der Pandemie, die zwei lange Jahre unser Leben fest im Griff hatte. Eigentlich steht die Pandemie still in einer Ecke und soll frühestens im Oktober ein klein wenig wieder im Alltag sichtbar werden. So denken die meisten. Zumal Omikron ja auch viel weniger gefährlich ist als Delta.

Und ehrlich gesagt, freuen wir uns doch alle über die neugewonnene Freiheit der letzten Monate. Wer mag da noch über Masken, Tests und Abstand nachdenken? Gefühlt keiner. Die aktuelle Sieben-Tages-Inzidenz im Landkreis liegt knapp unter 900. Die Hospitalisierungsrate bayernweit mit 10,9 deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Alles im gewohnten Omikron-Rahmen, auch wenn Fachleute eine deutlich höhere Dunkelziffer bei den Infizierungen für möglich halten.

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Doch nun erreicht uns eine alarmierende Nachricht aus dem Krankenhaus Agatharied. Gefragt hatten wir, wie die Lage denn in der Klinik sei, wo so viele Menschen unter der Hitze leiden. Zumal schon bekannt geworden war, dass die Rettungsdienste bei ihren Einsätzen längere Anfahrtswege nach Notfällen zu den Krankenhäusern haben. Aus Aghataried erhalten wir die Bestätigung, dass ein hohes Notfallaufkommen herrscht. Zwischen 80 und 100 Patienten in Agatharied täglich. Was jedoch nicht in erster Linie der Hitze geschuldet sei, wie Dr. Steffen Herdtle, Chefarzt der Akut- und Notfallmedizin, erklärt.

Vielmehr liege der Hauptgrund der aktuell “massiven Belastung” aller Krankenhäuser in der Region, bei den “hohen, auch krankheitsbedingten Mitarbeiterausfällen” sowie der “Bettenknappheit”, wie der Mediziner weiter ausführt. Hinzu komme die hohe Zahl der Corona-Patienten in den Kliniken. Daher sei man auch im Kreiskrankenhaus gezwungen, die Notaufnahme immer wieder von der Rettungsleitstelle abzumelden.

Patienten müssen teilweise ausgeflogen werden

In der Folge dieser temporären Schließungen, die alle Kliniken in der Region betrifft, müssen die Patientinnen und Patienten per Rettungsdienst “geballt” in die dann noch verfügbaren Kliniken gebracht werden. Die Krankenhäuser unterstützen sich in dieser Situation gegenseitig, aber es bliebe nicht aus, berichtet Herdtle weiter, dass nach Agatharied zum Teil Notfälle aus entfernteren Landkreisen wie München oder Garmisch-Partenkirchen verlegt werden. Ebenso müssen Patienten aus dem Landkreis vom Kreiskrankenhaus abgewiesen werden, die dann in entferntere Häuser gebracht werden.

Der Chefarzt der Akut- und Notfallmedizin macht aber deutlich, dass aufgrund der sehr gut funktionierenden Zusammenarbeit der Kliniken der Region sich “meist eine Lösung” finde. Jedoch sei die aktuelle Situation für den Rettungsdienst im Landkreis eine weitere schwere Belastung, wie für die betroffenen Patienten und deren Angehörige.

In Hinblick auf den Herbst fordern die Verantwortlichen in Agatharied deutlich mehr Unterstützung von Seiten der Politik ein. So sei schon jetzt die Belastung durch die Pandemie wieder sehr hoch. Allein sechs Patienten werden derzeit auf der Intensiv- und IMC-Station behandelt – so viele wie zur Hochzeit der Coronawelle im Dezember 2021. Hinzu kommen zwei Stationen im Krankenhaus, die nur von Coronapatienten belegt werden. Was wiederum durch die notwendigen Isolations- und Schutzmaßnahmen und den zusätzlichen pflegerischen Mehraufwand bedeute, dass die Bettenkapazität der Stationen nicht ausgenutzt werden kann.

Die Klinikleitung um Vorstand Benjamin Bartholdt befürchtet, auch aufgrund der “enormen, krankheitsbedingten Personalausfälle” und der neuerlichen Belegungseinschränkungen durch Coronapatienten, eine erneute Belastungsprobe für den Krankenhausbetrieb:

Im Krankenhaus Agatharied versuchen wir derzeit dringend zu vermeiden, dass die Corona-Bereiche weiter ausgeweitet werden müssen, denn das würde erneut die Verschiebung von OPs und elektiven Behandlungen bedeuten.

Welche schwerwiegenden Auswirkungen die aktuelle Situation in den bundesdeutschen Kliniken auf die Versorgung der Bevölkerung habe, scheint, so Bartholt weiter, in der Bundespolitik noch nicht angekommen zu sein. Außerdem weisen die Verantwortlichen in Agatharied auf die Kostensteigerungen in Folge der “enormen Inflation” hin, die die finanzielle Lage der Kliniken weiter zuspitzen würde. Deshalb fordert Bartholdt, wie seine Kollegen deutschlandweit, von der Bundesregierung schnellstens ein “Sofortprogramm zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Krankenhäuser” auf den Weg zu bringen – und das “noch vor dem Herbst”.

Zur Information für euch die tagesaktuelle Erhebung der deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zur Hospitalisierungsrate in den deutschen Krankenhäusern.

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