Wahlkampfgetöse oder ein echtes Problem?
Wer die Wölfe managt, managt die Wählerstimmen

Das Bayerische Wirtschaftsministerium lädt zur “Beutegreifer”- Information nach Oberaudorf und Markus Söder macht sich seine eigenen Gesetze.

Idyllisch und hübsch: Wölfe würden die sog. Freiweide wählen.

Eilfertig hat das Kabinett am Dienstagabend die sogenannte Bayerische Wolfsverordnung beschlossen. Pünktlich zu den Almauftrieben soll sie in Kraft treten. Hintergrund sind mehrere Risse im Raum Rosenheim und das Aufbegehren vieler Almbauern und Wirtinnen. Ja, jetzt muss eine Lösung her. Rasch, weil wer hat ahnen können, dass sich Wölfe im Alpenraum ansiedeln? Tatsache ist, dass es neue Verdachtsfälle gibt, im Landkreis Rosenheim und Donau-Ries. Insgesamt geht es um 16 tote Schafe. Zehn davon gehen auf einen Fall in Donau-Ries. Laut Söders Superwaffe-Wolfsverordnung kann ein Wolf geschossen werden, wenn er nur einen Riss tätigt. Neu daran? Auch eine Identifizierung seit nicht mehr nötig, sprich, ein aufwändiges Genverfahren, wie es aktuell vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) praktiziert wird, entfällt. Die Garantie, dass es ein Wolf war, damit auch.

Planloser Aktionismus

„Das ist ein planloses Vorgehen, es entspricht nicht dem Aktionsplan Wolf und wird den Weidetierhaltern nicht helfen“, empört sich Uwe Friedel, Wolfsexperte vom Bund Naturschutz (BUND). Der BUND hält das Vorgehen der Staatsregierung für juristisch nicht haltbar. Denn auch in Bayern gelten EU-rechtliche Rahmenbedingungen und die sagen: Herdenschutz vor Wolfsabschuss. Auch, dass im Naturschutzgesetz längst geregelt ist, dass Wölfe entnommen – also abgeschossen werden können, erlischt im Medieneifer. „Wenn ein Zaun übersprungen wird, kann der Wolf geschossen werden“, so Friedel, da hört also der Schutz auf. Wölfe können also bereits unter bestimmten Bedingungen geschossen werden, ganz ohne Verordnung. Klar, mit Verwaltungsaufwand und Begründung. Nicht die Nachtsichtjäger-Romantik, wie es der Ministerpräsident malerisch schildert.

Schafe und Ziegen schützen

Wozu also die Aufregung? Weil Herdenschutz zäh und hart ist. Unpopulär. Die Idee, eine Gruppe von Schafen auf den Almen abends einzupferchen, klingt heiter. Doch Schafe verteilen sich bockelwild über die Wiesen. Und der Betreuungsschlüssel ist weit schlechter als in zahlreichen Kindertagesstätten. Und selbst, wenn es gelingt, alle einzupferchen, bleibt der listige Wolf: „Das große Problem ist nicht, dass die Wölfe über den Zaun springen, sie drücken sich am Boden durch.“ Auch Friedel weiß, dass Herdenschutz schwierig und frustrierend ist und viele Almbauern vor massive Probleme stellt. Trotzdem ist er überzeugt davon, denn „die Freiweide hat keine Zukunft“ und verweist auf die Notwendigkeit von Förderstrukturen, um etwa Personal aufzustocken und auch darauf, dass es für den Zaunbau Gelder vom Staat gibt. Für diesen “investiven Zaunbau“ hat der Landkreis Miesbach im letzten Jahr genau 0 Anträge gestellt. Garmisch immerhin 92. Ob da der Wolf begraben ist?

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Eine Prise Liebe

Auch Gerhard Waas, Förster und Landtagskandidat der Grünen vom Schliersee, sieht eine Verrohung der Debatte: “Wir brauchen ein Stück Pragmatismus, wild-biologisches Verständnis und ja auch, Liebe zum Wolf, wenn wir vernünftig zusammenleben wollen.” Seine Empfehlungen beschränken sich nicht auf die klassischen Zaunempfehlungen, sondern gehen hin zu Bereichseinteilungen und alpenübergreifender Teamarbeit. Da streifen die Wölfe durch, da siedeln sie sich an, da geht der Mensch rein. Quasi ein Wolf-Zonen-Management mit Eingreif-Optionen. Etwa, wenn sich ein Wolf im Durchstreifungsgelände verknallt und eine Familie gründen will. “Entnehmen” heißt es dann. Auch dazu müsste der Schutzstatus des Wolfes runter. Übrigens: Wölfe pfeifen auf Landesgrenzen, ob bayerische oder tirolerische Schafe auf dem Speiseplan stehen. Einerlei. Aber ein übergreifendes europaweites Wolfsmanagement könnte dem bayerischen Alleingang eine langfristige Perspektive gegenübersetzen.

Randnotiz: Die entsprechende Abschussgenehmigung sollen die Landratsämter ausstellen, aka die untere Naturschutzbehörde. Problem verlagert, Problem gelöst. So die Vorstellung der Bayerischen Landesregierung.

Wölfe und Gesetze

Bayerns Alleingang widerspricht dem Bundesnaturschutzgesetz und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU. Bayern ist ein Bundesland, darüber sitzt der Bund (Naturschutzgesetz) und noch eins darüber die EU (FFH-Richtlinie).  Bundesgesetz bricht Landesgesetz. Und eine EU-Richtlinie muss in Bundesgesetzgebung umgesetzt werden. Auch der sogenannte Aktionsplan Wolf von 2019 will Konflikte durch gezielte Managementmaßnahmen minimieren und steht der Wolfsverordnung diametral gegenüber. Dafür muss aber erstmal jemand klagen, damit die Verordnungspyramide in sich zusammenfällt. Und das dauert ja bekanntlich. Die Landtagswahlen 2023 sind dann vermutlich durch.

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