Sepp Bierschneider, CSU-Bürgermeister aus Kreuth, will die Leonhardifahrt und die Anbindehaltung für Kühe auf Kreuther Höfen zum Kulturerbe erklären.
Es ist das Jahr der Landtagswahl – da müssen Wählergruppen bei Laune gehalten werden. So wirkt jedenfalls der Vorstoß vergangener Woche im Kreuther Gemeinderat. Das Finanzministerium ruft Gemeinden auf, sich für die Aufnahme in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes (IKE) zu bewerben.
Bei Traditionsfragen gewinnt die Einstimmigkeit
“Wir haben auch 2013 schon überlegt, ob wir uns bewerben sollen. Wir haben damals abgewartet, weil nicht klar war, ob und welche negativen Konsequenzen das haben könnte”, erklärte Bierschneider in der Sitzung am Donnerstag und schlug vor, “einerseits die Kreuther Leonhardifahrt aufzunehmen. Andererseits schlagen wir vor, die traditionelle Land- und Almwirtschaft in das immaterielle Kulturerbe aufzunehmen. Wir wollen diese Kultur langfristig erhalten.” Einstimmigkeit beim Gemeinderat. Im sonst sehr eventfreien Kreuth ist die Leonhardifahrt, (immer 6. November), neben dem Faschingsumzug (nicht verwechseln!), ein wichtiger Punkt im Kalender. Und wer kann schon etwas gegen die traditionelle Almwirtschaft haben? Toll, diese schönen Kühe dort oben, denkt man.
Aber, was hat es mit diesen Punkten auf sich? Fangen wir mit dem Fahren in Truhen zu Leonhardi an. Bierschneider dazu: ” … In der Liste zu stehen, birgt Vorteile. Gewisse Dinge, die rechtlich eigentlich durch die Straßenverkehrsordnung nicht möglich sind – beispielsweise das Fahren und Lenken der historischen Truhenwagen mittels Stoßzügel – seien als Tradition gedeckt.” Was geht uns das Gesetz an, wir feiern hier Leonhardi?
Druck aufs Pferdemaul
Stoßzügel werden von Reitern eingesetzt, um die Pferde besser zu führen: Der Stoßzügel wird am Sattelgurt befestigt und läuft zwischen den Vorderbeinen des Pferdes hindurch bis zum Gebiss oder, je nach Verschnallung, zu den Kappzaumringen. Stoßzügel sollen verhindern, dass das Pferd den Kopf hochreißt. Je nachdem wie heftig ein Pferd den Kopf hochreißt, kann es zu einem hohen Druck und starken Schmerzen im Pferdemaul oder auf dem Nasenrücken kommen. Erfahrene Pferdehalter werden an dieser Stelle mit den Schultern zucken. Ist ja nur für einen kurzen Auftritt. Und: So eine Leonharditruhe will sorgfältig und sicher bewegt werden. Da fahren auch mal Landräte und andere Promis mit. Wenn die stürzen …
Weiter zur Kombi-Haltung, von Bierschneider als traditionelle Landwirtschaft verpackt. Wir schrieben im April dazu: “Kombi-Haltung ist ein schwieriges Feld. Bei dieser Haltungsform bleiben Kühe im Stall, bekommen an mindestens 120 Tagen im Jahr freien Auslauf (für zwei Stunden). Klingt für viele Bauern ok, stößt aber sensiblen Konsumenten, die nicht die Fachzeitschrift Top Agrar abonnieren, schwer auf.”
Keine Kombihaltung, keine Almen?
Nur, wenn diese Kombihaltung in Berlin oder Brüssel mal gekippt wird, ist die örtliche Landwirtschaft in der Tat in Gefahr. Und da hat Bierschneider und seine CSU tatsächlich einen Punkt: Das Betreiben der Almen durch eben jene betroffene Bauern fiele dann weg. Daran hat keiner ein Interesse. Bürgermeister, Sepp Bierschneider, erklärt das mit etwas mehr Girlanden: “Mit der Aufnahme würden wir das Bewusstsein dafür schärfen, dass das Erhalten einer Kulturlandschaft nicht als Selbstverständlichkeit verstanden werden kann, sondern nur durch die Bewirtschaftung mit Vieh funktioniert.“
Bis zum 31. Oktober muss eine aussagekräftige Bewerbung beim Ministerium eingehen, damit das Fahren in Truhen, und das Anbinden von Kühen als Kulturerbe, in die Annalen eingeht. Übrigens: Wir haben im vergangenen Monat unsere Leserinnen und Leser abstimmen lassen, ob Kühe in den Freilauf sollen oder Kombihaltung Kultur ist. Das Ergebnis: 55 Prozent der Leserschaft stimmte für die Kombihaltung als Kulturgut. 436 haben bei der Umfrage mitgemacht.
SOCIAL MEDIA SEITEN