Roulette – reine Glückssache oder ist doch mehr im Spiel?

Roulette ist das klassische Casinospiel schlechthin. Seit dem 17. Jahrhundert hat es erst den Adel und den Geldadel und längst auch ganz alltägliche Zocker erobert. Ob in der eleganten landbasierten Spielbank oder im Online-Casino – wenn die berühmten Worte „Riens ne va plus – Nichts geht mehr“ fallen, steigt die Spannung für die nächsten Sekunde spürbar an, bis das Rad ausrollt und die Kugel in ein Fach fällt.

Während sich die Freunde des Spiels über den Reiz einig sind, scheiden sich die Geister, wenn es darum geht, ob sich das eigene Glück beim Roulette spielen beeinflussen lässt.

Einer der berühmtesten Zocker, der sich rühmte, ein unschlagbares System entwickelt zu haben, war ein britischer Erfinder namens Charles Wells, der sich mit von gutgläubigen Investoren aufgebrachten 4.000 Pfund in der Tasche 1981 nach Monte Carlo aufmachte. Im dortigen Casino gelang ihm dann eine Sensation. Binnen 11 Stunden sprengte er ein Dutzend Mal die Bank – ein Ereignis, bei dem die Chips oder Jetons am Tisch ausgehen und Nachschub gebracht werden muss. Um eine Million Francs reicher verließ er den Roulettetisch. Im Jahr darauf wiederholte Wells, der in der Zwischenzeit Geschmack an einem Luxusleben gefunden hatte, dieses Kunststück.

Das erneute Sprengen des Casinos in Monte Carlo brachte ihm diesmal allerdings weniger Glück. Er verzockte schon bald darauf sein ganzes Vermögen. Um seinen Lebensstandard zu halten, gründete Wells schließlich in Paris seine eigene Bank und zog Anlegern mit dem Märchen von schwindelerregend hohen Dividenden das Geld aus der Tasche. Lange ging das nicht gut, und er wurde verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Für Charles Wells ging tatsächlich nichts mehr. Bis heute wird vermutet, dass auch seine Riesengewinne im Casino auf Betrugsmanövern beruhten, doch bewiesen ist hier nichts, so dass die Idee von einem sicheren System sich bei manchen Leuten hartnäckig hält.

Vor Wells hatte schon ein anderer Brite Schlagzeilen als Roulettespieler, der ebenfalls die Bank von Monte Carlo sprengte, gemacht. Der Mechaniker Joseph Hobson Jagger hatte 1875 heimlich die Ergebnisse an den sechs Roulettetischen mitschreiben lassen und die Resultate analysiert. Das Ergebnis: Er erkannte, dass eine schiefe Walze an einem Tisch die Wahrscheinlichkeiten zugunsten einiger weniger Zahlen beeinflusste. Damit konnte er die Gewinnchancen stark genug zu seinen Gunsten verändern, um nach wenigen Tagen mit zwei Millionen Francs die Spielbank zu verlassen. Jagger investierte seine Gewinne in Immobilien und gab das Zocken auf.

Die Idee, dass die Kessel den Schlüssel zum Erfolg bilden, hat sich seitdem gehalten. Zu Jaggers Zeiten konnten winzige Unterschiede bei den Größen der Fächer oder eben eine nicht perfekt ausgewuchtete Walze einen Unterschied machen.

Heute sind die Kessel perfektioniert, aber Physik bleibt der ausschlaggebende Faktor.

Als erster Zocker soll es ein US-amerikanischer Mathematiker vor mehr als einem halben Jahrhundert geschafft haben, den Glücksfaktor kontinuierlich zu seinen Gunsten zu verändern. Dazu reichen schon wenige Prozent, weil beim europäischen Roulette der Hausvorteil lediglich bei 2,63 Prozent liegt. Im amerikanischen Roulette, wo ein zusätzliches Fach mit einer Doppelnull existiert, liegt er bei 5,24 Prozent.

Das Geheimnis seines Erfolges war für J. Doyne Farmer ein heimlich eingesetztes Gerät, das nach dem Starten des Kessels die Geschwindigkeit der Kesselumdrehung und der Kugel berechnete. In den wenigen Sekunden bis zum Ende der Einsätze, wenn nichts mehr geht, konnte Farmer das wahrscheinliche Ergebnis auf einige wenige Fächer einschränken und auf die jeweiligen Zahlen setzen. Obwohl das Resultat nie hundertprozentig vorausgesagt werden konnte, waren seine Gewinnchancen so stark gestiegen, dass er sich auf lukrative Abende verlassen konnte. Erst, als die Casinobetreiber das Geheimnis seines Erfolgs erkannt hatten, war seine künstlich erzeugte Glückssträhne zu Ende und er erhielt Casinoverbot.

Dass ein Minicomputer das Roulettespiel zugunsten der Zocker beeinflussen kann, war schon länger ein Thema in akademischen Kreisen. Darunter war Edward O. Thorp, der das Blackjack-Spiel studiert und mithilfe der ersten Computerhirne ein so erfolgreiches Kartenzählsystem entwickelt hatte, dass er bald zum Schrecken der Spielbanken wurde. Selbst Hausverbote reichten nicht, weil er seine Formel des Glücks in Buchform allen Zockern zugänglich gemacht hatte. Doch sein Interesse beschränkte sich nicht nur auf Kartenspiele. In Zusammenarbeit mit dem Nobelpreisträger und „Vater der Informationstechnologie“ Claude Shannon soll Thorp einen Roulettecomputer entworfen und erfolgreich in der Praxis getestet haben. Der mit einem Stroboskop ausgerüstete zigarettenschachtelgroße Computer konnte Ball- und Rotorgeschwindigkeit messen und so das wahrscheinliche Ziel der Kugel berechnen. Um 44 Prozent soll die Gewinnwahrscheinlichkeit gestiegen sein, wenn auf die angegebene Zielzahl und die vier Nachbarn links und rechts davon gesetzt wurde.

In etlichen Ländern sind mittlerweile elektronische Hilfsmittel verboten, und selbst, wo der Gesetzgeber dem keinen Riegel vorgeschoben hat, ist der Einsatz verpönt.

Wissenschaftlich nicht fundierte Systeme halten sich ebenfalls in Zockerkreisen, um die eigenen Chancen positiv zu beeinflussen. Im Roulette sind die Auszahlquoten strikt geregelt. Für das Setzen auf Rot oder Schwarz, Ungerade oder Gerade, Hoch (19-36) oder Niedrig (1:18) gibt es eine Auszahlung von 1:1. Bei Tipps auf Kolonnen oder Dutzend erhöht sich die Quote auf 2:1. Mit 5:1 werden erfolgreiche Zocker beim Setzen auf eine Kombination aus sechs Zahlen belohnt, und bei Kombis aus 4 Zahlen gibt es 8:1. Kombinationen aus drei Zahlen haben eine Auszahlung von 11:8, Zweierkombis kommen auf 17:1, und wer erfolgreich auf eine einzelne Zahl setzt, kassiert eine Quote von 17:1.

Anhänger des Martingale-Systems setzen auf eine Verdoppelungsstrategie bei einem niedrigen Grundeinsatz. Wird eine Runde gewonnen, bleibt der Einsatz gleich. Wird die Runde hingegen verloren, wird im nächsten Spiel der doppelte Einsatz riskiert. Das umgekehrte System, wobei nach Gewinnen verdoppelt und nach Verlusten zum Grundeinsatz zurückgekehrt wird, gibt es ebenfalls.

Populär ist auch die Paroli-Strategie. Dabei wird auf die einfachsten Chancen mit den niedrigsten Quoten gesetzt. Im Gewinnfall wird der Einsatz viermal auf dem Tisch gelassen, ehe eine neue Runde mit dem Grundeinsatz beginnt. So bald verloren wird, geht es sofort wieder mit dem Grundeinsatz los.

An ein unschlagbares System haben im Laufe der Jahrhunderte schon viele Zocker geglaubt. Einer davon war der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski. So sicher war er sich allen Erfahrungen zum Trotz, dass er schließlich sogar den Schmuck seiner zweiten Ehefrau versetzen musste, um seine Gläubiger zu befriedigen. Seine ruinösen Erfahrungen in den noblen Casinos von Deutschland wurden hingegen für die Literaturwelt ein Gewinn. Dostojewskis Roman „Der Spieler“ gilt noch heute als eines der bedeutsamsten schriftstellerischen Werke in der Geschichte.

Das erfolgversprechendste System im Roulette blieb dem Autor hingegen verborgen. Das besteht einfach und allein darin, zu wissen, wann aus dem Spaß Ernst wird. Wer sich hingegen ein bescheidenes Budget setzt und strikt daran hält, selbst wenn eine Glückssträhne winkt, gewinnt auf jeden Fall, was das Vergnügen angeht. Doch nicht jeder Zocker besitzt so viel Selbstbeherrschung. Damit Dostojewskis Schicksal eine Warnung bleibt, ohne Nachahmer finden zu können, hat der Gesetzgeber in Deutschland strenge Limits für das Online-Glücksspiel festgesetzt. Maximal 1000 Euro dürfen pro Monat verzockt werden. Auffälliges Verhalten soll ebenfalls unterbunden werden. In dem Fall droht die Aufnahme in eine Sperrdatei. Wer hingegen risikobewusst zockt, ist beim Roulette willkommen, ob er nun zum Adel, Geldadel oder zu den ganz alltäglichen Spielern gehört.

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