Adieu, Adolf!

Vor 83 Jahren verliehen – gestern wieder weggenommen. Adolf Hitler und Paul von Hindenburg wurde die Ehrenbürgerschaft der Stadt Tegernsee aberkannt. Doch warum erst jetzt? Das konnte gestern Abend irgendwie keiner so recht beantworten.

Der Tegernseer Stadtrat musste sich gestern mit einer ungewöhnlichen Angelegenheit beschäftigen.
Der Tegernseer Stadtrat musste sich gestern mit einer ungewöhnlichen Angelegenheit beschäftigen.

Warum wurde Adolf Hitler und Paul von Hindenburg in Tegernsee die Ehrenbürgerschaft nicht schon vor 70 Jahren entzogen? Weil man es schlichtweg vergessen hat. Weil seitdem viel Zeit vergangen ist. Weil man dachte, nach dem Tod erlischt die Ernennung automatisch. Es gibt viele Gründe. Bürgermeister Johannes Hagn will nicht spekulieren. Sein Anliegen: Er will Versäumtes nachholen.

Rund 4.000 Kommunen haben es in Zeiten der NS-Diktatur Tegernsee gleich getan und darüber hinaus häufig noch weiteren bekannten NS-Parteigrößen die Ehrenbürgerschaft zugesprochen. Der Tegernseer Rathauschef erklärte auf Nachfrage der TS vor einigen Wochen:

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Nach dem Krieg erfolgte dann der automatische Verlust der Ehrenbürgerschaft für alle rechtmäßig verurteilten Kriegsverbrecher. Das hatte eine Direktive des Alliierten Kontrollrats in Deutschland so festgelegt. Mangels gerichtlicher Verurteilung galt das aber nicht für Hitler und Hindenburg.

Dabei hätten es sich die Tegernseer auch einfach machen können. Wie andere Gemeinden könnte sich die Stadt ebenfalls auf den Bayrischen Gemeindetag beziehen, der die Rechtsauffassung vertritt, dass eine Ehrenbürgerschaft nur auf Lebenszeit gelte und daher mit dem Tode erlischt. Laut dieser Logik müsse man nicht auf die Forderung nach einer Aberkennung der Ehrenbürgerschaft eingehen.

Die Ehrenbürgerschaft auf Lebenszeit gibt es nicht

Dass das vielen Gemeinden dann aber doch zu heikel war, zeigt, dass ein Großteil von ihnen die Aberkennung in einem symbolischen Akt vorgenommen hat. Auch anderen Personen wird die Ehrenbürgerschaft immer häufiger posthum – also nach dem Tod – aberkannt.

So war es beispielsweise auch bei Joseph Goebbels. Rosa Luxemburg hat die Stadt Berlin wiederum posthum zur Ehrenbürgerin ernannt. Die Ehrenbürgerschaft auf Lebenszeit trifft hier mitnichten zu.

Die Straße vom Rathaus Richtung Gmund war nach Hitler benannt - das wurde aber schon 1947 wieder geändert
Die Straße vom Rathaus Richtung Gmund war nach Hitler benannt – das wurde aber schon 1947 wieder geändert

Der Stadtrat war sich in der gestrigen Sitzung jedenfalls einig – die Ehrenbürgerschaft wurde beiden Männern ohne Diskussion aberkannt. FWG-Stadtrat Peter-Friedrich Sieben erklärte:

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal über Hitler abstimmen werde.

Gerade in Zeiten wie diesen, wo es Zusammenschlüsse wie die AfD gebe, müsse man ein Zeichen setzen, so der Tenor der Räte. Die nach Hitler und Hindenburg benannten Straßenabschnitte durch den Tegernseer Ortskern wurden schon 1947 wieder in „Hauptstraße“ umbenannt. Damit ist die Ära von Hitler und Hindenburg jetzt auch in Tegernsee ein für alle Mal beendet.

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