Ärztemangel – ein Thema?

Der Ärztemangel ist in aller Munde. Die Holzkirchner Stimme möchte wissen wie gut die Bürger vor Ort versorgt sind. Auftakt ist die Frage nach der Lage bei den niedergelassenen Ärzten – besonders nachdem das Krankenhaus Ende der 90er Jahre dichtgemacht wurde.

Für seine Patienten wünscht sich der langjährige Arzt weiterhin eine gute Betreuung
Franz Xaver Kühnel: Es gibt weniger Ärzte wie früher.

„Die Anzahl der Allgemeinmediziner ist in den letzten Jahren im Vergleich zu früher ziemlich ausgedünnt,“ so die Bilanz des Allgemeinmediziners Franz Xaver Kühnel aus Otterfing. Zwar hat er im vergangenen Jahr seine Praxis aufgegeben und seine Patienten der Obhut seines Nachfolgers Dr. Martin Ulbrich anvertraut. Als langjährig praktizierender Hausarzt kennt er die Lage im Nordlandkreis trotzdem gut.

Wie viele Allgemeinmediziner gibt es in Holzkirchen? Laut Kassenärztlicher Vereinigung Bayern (KVB) verfügt Holzkirchen über 14 Hausärzte. Dabei handelt es sich um die niedergelassenen, von der KVB zugelassenen Ärzte. In dieser Zahl sind Klinikärzte und Kollegen, die nur privat, also nicht über die Krankenkassen abrechnen, nicht eingerechnet.

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Holzkirchen liegt über dem Soll

Auch bei den Fachärzten ist Holzkirchen gut aufgestellt. Als niedergelassene Spezialisten sind bei der Bayerischen Landesärztekammer 24 Mediziner gemeldet, erklärt Sophia Pelzer von der Pressestelle. Darunter gibt es laut KVB beispielsweise fünf Chirurgen, je zwei Frauen- und Kinderärzte sowie drei Augenspezialisten.

Somit steht Holzkirchen recht gut da. Der Schlüssel für eine „bedarfsgerechte Verhältniszahl“ für Hausärzte liegt der Kassenärztlicher Vereinigung zufolge bei 1:1671. Das bedeutet, dass statistisch auf 1671 Einwohner ein Allgemeinmediziner kommen sollte. Bei knapp 16.000 Einwohnern gibt es in Holzkirchen eine hervorragende Grundversorgung. Darüber hinaus übernehmen zahlreiche Internisten auch hausärztliche Aufgaben. Oder anders gesagt: Im Landkreis liegt ein sogenannter „Versorgungsgrad“ von 117,7 Prozent vor.

KVB-Pressereferentin Birgit Grain weist jedoch darauf hin, dass die Zahlen kritisch zu sehen sind. „Statistisch herrscht in Bayern eine Überversorgung“, erläutert sie, aber durch die großen Entfernungen in manchen Landstrichen müsse unter Umständen eine regionale Anpassung vorgenommen werden. Für die Gemeinde Holzkirchen dürfte sich das Problem im Rahmen halten.

Bis zu 2.500 Menschen täglich

Stets gut besucht ist das Gesundheits- und Ärztezentrum Atrium in der Münchner Straße, direkt am Bahnhof. Es wurde quasi als „Ausgleich“ für die Schließung des Holzkirchner Krankenhauses ins Leben gerufen, nachdem das Krankenhaus Agatharied Ende der 90er Jahre eröffnet wurde.

Die Idee des Ärztehauses: Unabhängige, selbstständige Ärzte verschiedenster Fachrichtungen, Therapeuten und Dienstleister aus dem Gesundheitsbereich sind an einem zentralen Ort vereint. Das bedeutet für die Patienten kurze Wege, insbesondere wenn sie von einem zum anderen Facharzt überwiesen werden. So spart das Ärztehaus manchem Holzkirchner lästige Fahrten nach Miesbach, Bad Tölz oder nach München.

gesundheit

Mit mittlerweile zwölf Arztpraxen, die insgesamt 33 Ärzte beschäftigen, einer Physiopraxis, einer Heilpraktikerin und Osteopathin sowie Optiker, Sanitätsgeschäft und anderen Spezialisten ist das Atrium gut ausgestattet. Darunter sind wichtige Fachrichtungen wie Internisten, Orthopäden, Chirurgen, ein Hautarzt sowie Zahnärzte und Kieferorthopäden vertreten.

Dass das medizinische Zentrum gut angenommen wird, belegen Zahlen zum Patientendurchlauf. Rund 2000 bis 2500 Menschen geben sich dort täglich die Klinke in die Hand, so verlautet es auf dem Vorstand des Atrium e.V. Allerdings beinhaltet diese Schätzung auch das Fitnesszentrum, die Physiopraxis und den Kieferorthopäden, die alle eine hohe Besucherfrequenz aufweisen.

Auch mit Fachärzten gut versorgt

Eine Besonderheit im Gesundheitszentrum ist die Time Share-Praxis. „Hochspezialisierte Fachärzte wie Neurologen oder Onkologen, für die sich hauptberufliche Praxis in Holzkirchen nicht lohnen würde, bieten ihre Leistungen zu festgelegten Zeiten in dieser Praxis an“, erläutert Barbara Müller. Die Health Care Managerin hat dieses Konzept im Jahr 2000 in Holzkirchen eingeführt und erklärt:

Vor acht oder neun Jahren gab es hier keinen einzigen Onkologen. Jetzt haben wir drei.

Für die Bürger sei dies ein großer Vorteil. Früher mussten die Patienten zur Chemotherapie nach München oder wurden stationär ins Krankenhaus eingewiesen. Immerhin vierzig bis fünfzig Kranke nutzen diesen Service täglich.

Ärztezentrum ersetzt Krankenhaus nicht

Als Ersatz für ein Krankenhaus sieht die Gesundheitsmanagerin das Ärztezentrum und die Time Share-Praxis jedoch nicht. „Eine ambulante Versorgung kann kein Krankenhaus ersetzen – und umgekehrt“, betont Müller. Bauchweh, ein gebrochener Arm oder ein eingeklemmter Nerv könnten problemlos von niedergelassenen Ärzten behandelt werden. Für eine größere Operation müsse der Patient in eine Klinik eingewiesen werden.

Jedoch: Für die Gesundheitsspezialistin ist die Versorgung vor Ort ausreichend. Die Unterhaltskosten für ein eigenes Krankenhaus wären aus ihrer Sicht „viel zu hoch“. Auch die Gemeinde sieht die medizinische Versorgung „als gesichert“ an, zumal das Ärztehaus eine Vielzahl unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen anbietet. Aber: „Das Krankenhaus kann damit selbstverständlich nicht gänzlich ersetzt werden“, so Ewgenia Boger von der Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde.

Vorstand des Atriums
Das Atrium sichert die Versorgung in Holzkirchen.

Insgesamt zieht Dr. Kühnel ein klares Resumee: Trotz der insgesamt dünneren Medizinerdecke „ist die medizinische Versorgung mit Ärzten hier am Ort ausreichend.“ Auch das frühere Krankenhaus, das zugunsten von Agatharied geschlossen wurde, fehle aus seiner Sicht nicht. Denn die chirurgische Versorgung sei durch das Atrium sichergestellt.

Wenn was wäre, ist Agatharied, aber auch Tölz oder München innerhalb einer halben Stunde zu erreichen.

Und auch wenn so mancher Patient lieber kürzere Wartezeiten hätte: Die ärztliche Versorgung ist im Augenblick gut, der viel diskutierte Ärztenotstand ist kein aktuelles Thema für Holzkirchen. Auch das Durchschnittsalter der „Götter in Weiß“ liegt mit 54 Jahren im normalen Rahmen. Trotzdem: Eine gezielte „Nachwuchsförderung“ sollte die Gemeinde im Blick behalten.

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