Akademiker lernen kein Handwerk

Nur noch wenige Wochen, dann gehen wieder zahlreiche Absolventen von den Haupt- und Realschulen ab. Im September beginnt dann das neue Ausbildungsjahr. Trotz zahlreicher freier Stellen bleiben jedoch immer mehr Plätze unbesetzt.

Im Landkreis Miesbach werden in diesem Jahr mehr als 120 Azubis fehlen. Auch die Unternehmen im Tegernseer Tal bekommen diesen Wandel zu spüren. Ein Grund: Immer mehr Schüler wollen studieren.

Hier zu sehen: Die auszubildenden der Egerner Höfe
Hier zu sehen: die Auszubildenden der Egerner Höfe

Der Trend geht zum Akademiker. Viele Schüler versuchen auf verschiedenen Bildungswegen möglichst weit zu kommen. Ob das traditionelle Abitur oder der Umweg über Fach- oder Berufsoberschule – immer mehr junge Leute entscheiden sich für den längeren und angeblich erfolgsversprechenderen Weg.

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Das rührt daher, dass den Schülern von Anfang an eingetrichtert wird, man könne nur mit einem guten Schulabschluss wirklich erfolgreich im Beruf sein. Dabei kann man sich als guter Schreiner durchaus eine goldene Nase verdienen. Akademiker gibt es dagegen mittlerweile so viele, dass die Arbeitslosenquote in diesem Bereich immer mehr ansteigt.

Mehr als 120 Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt

Die Folge der ganzen Misere ist ein mittlerweile ausgeprägter Lehrlingsmangel im Hotelgewerbe, im Handwerk und im Einzelhandel. Im vergangenen Jahr hatten die Landkreis-Betriebe insgesamt 520 Ausbildungsstellen bei der Agentur für Arbeit gemeldet. Eine Zahl, die sich heuer auf dem gleichen Niveau bewegt. Doch wie die IHK Miesbach jetzt mitteilt, sind derzeit im Landkreis noch 273 Stellen unbesetzt – es gibt aber nur noch 148 unversorgte Bewerber. Das bedeutet, dass mehr als 120 Stellen im kommenden Jahr unbesetzt bleiben könnten.

Hinzu kommen diejenigen, die sich für einen weiterführenden Bildungsweg entscheiden oder für die unter den Angeboten nicht das Richtige dabei ist. „Die Unternehmen bieten aufgrund der guten Konjunktur und des Fachkräftemangels viele Ausbildungsplätze an, es fehlt aber schlicht an Bewerbern“, erklärt Reinhold Krämmel, Vorsitzender des IHK-Gremiums Bad Tölz-Wolfratshausen-Miesbach.

Hotels bestätigen Lehrlingsmangel

Die Leidtragenden sind dabei natürlich in erster Linie die Unternehmen. Besonders ausgeprägt zeigt sich die Situation im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie im Einzelhandel. Das bestätigen auch die Hotels im Tegernseer Tal. Daniela Böhm, Personalleiterin der Egerner Höfe, hat derzeit ein großes Problem, Absolventen zu finden. „Es kommen schon Bewerbungen, aber keine wirklich qualifizierten“, erklärt sie.

In den Egerner Höfen sind noch Stellen im Hotelfach, im Restaurant und in der Küche unbesetzt. Und für die Hotels bedeutet das große Einbußen. „Das System geht nicht auf. Man braucht in jeder Abteilung einen Azubi“, meint sie. Um dem Ganzen entgegenzuwirken, will sie den Schülern zukünftig schon mehr Praktika anbieten und ihnen so den Beruf schmackhafter machen.

Auch das Hotel Bachmair Weissach hat Schwierigkeiten bei der Suche nach Auszubildenden. Personalleiter Alban Weber sieht das Problem an einer anderen Stelle. „In der Gastronomie zu arbeiten, scheint nicht mehr attraktiv zu sein.“ Trotzdem wäre er froh, die fehlenden Stellen noch zu besetzen.

Auch der Gmunder Gasthof Kreuzstraße versucht, Schüler für den Beruf des Konditors zu begeistern.

Bei den Einzelhandelsbetrieben scheint sich dieses Bild nicht ganz zu bestätigen. Sowohl Sport Estner in Bad Wiessee als auch Sport Schlichtner in Rottach-Egern haben wenig Probleme, Auszubildende zu finden. Auch die Schreinerei Eham meint: „Wir können uns nicht beklagen.“ Im Gegensatz dazu ist sich die Inhaberin von Coiffeur Hermine & Isabella sicher: „Handwerker und Dienstleister werden über kurz oder lang ein Problem bekommen.“ Auch sie suchen noch nach einem Lehrling für das kommende Jahr.

Für den IHK-Vorsitzenden Krämmel steht jedenfalls fest, dass die zunehmende Akademisierung auf den Prüfstand gestellt werden müsse: „Die Lage in den Betrieben ist im Bereich der beruflich qualifizierten Fachkräfte alarmierend.

Wir brauchen eine wirksame Stärkung des weltweit anerkannten Dualen Ausbildungssystems und eine Verbesserung der Berufsorientierung bei den Jugendlichen“, so der IHK-Gremiumsvorsitzende. „Die Betriebe, die in eine attraktive Ausbildung investieren und neue Bewerbergruppen ansprechen, hätten im zunehmenden Kampf um den Nachwuchs die Nase vorn“, erklärt er abschließend.

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