Streitigkeiten und Schlägereien waren im Mai dieses Jahres in der Tegernseer Turnhalle, bedingt durch die zusammengewürfelten Schicksale, Nationalitäten und Kulturen, fast an der Tagesordnung. Aber auch Alkohol war häufig ein Grund, die Gemüter anzustacheln. So auch bei einem Flüchtling, der heute vor Gericht stand.
Vor der Verhandlung erschien der Angeklagte 20-jährige Afghane, der mittlerweile in Holzkirchen wohnt, noch recht gelassen. Schnell wurde ihm aber der Ernst der Lage bewusst. Die Würde des Gerichts, die strengen Regeln und das äußerst korrekte Einhalten der Formalien machten dem jungen Mann trotz Sprachbarrieren offensichtlich klar, dass er es mit einer ernst zunehmenden Situation zu tun hatte.
Streit eskaliert
Dem zum Tatzeitpunkt in der Tegernseer Turnhalle lebenden Flüchtling wurde vorgeworfen, im Mai dieses Jahres einen anderen Flüchtling mit einem Stock geschlagen zu haben. Laut Anklage kam es in der Unterkunft zu einem Streit der beiden Asylbewerber, bei dem sich der Angeklagte einen Ast aus einem Gebüsch schnappte und auf seinen Mitbewohner einschlug.
Die Sicherheitsleute versuchten die beiden Streithähne zu trennen, doch nur kurze Zeit später warf der Angeklagte mit einem Stein nach dem Geschädigten – und verfehlte ihn. Schließlich trafen die Beamten der örtlichen Polizei ein. Desweiteren soll der junge Mann bei anderer Gelegenheit seinem Kontrahenten bedroht haben. Dabei hatte er wohl mit der Hand am Hals angedeutet, er würde dem Geschädigten die Kehle durchschneiden.
Kummer im Alkohol ertränkt
Bei der heutigen Verhandlung vor dem Amtsgericht räumte der Holzkirchner alle Taten ein. Er habe sich eine lange Zeit dem Alkohol hingegeben und von morgens bis abends getrunken, so der 20-Jährige. Als Grund gab er an, dass sowohl Vater als auch Mutter kurz zuvor in Afghanistan Opfer eines Selbstmordanschlages geworden waren. Damals, so spricht er vor dem Gericht, sei er nicht mehr er selbst gewesen und habe sich immerzu nur betrunken.
Zum Streit kam es, weil der Geschädigte abfällige Bemerkungen über die verstorbene Mutter des Angeklagten fallen lies. Um welche Äußerungen es sich dabei handelte, konnte der Angeklagte vor Gericht nicht wiedergeben. “Da bin ich einfach ausgerastet”, gestand der 20-Jährige.
Ein als Zeuge geladener Sicherheitsmann bestätigte, dass der Mann – der vor Gericht ruhig und nüchtern wirkte – damals häufig betrunken war. Doch da Streitigkeiten in der Tegernseer Turnhalle zu dieser Zeit an der Tagesordnung waren, konnte sich der Zeuge an den konkreten Fall nicht wirklich erinnern. Was er aber wusste war, dass der Angeklagte durchaus an mehreren Streitigkeiten beteiligt gewesen war.
Drohungen an der Tagesordnung
Der Angeklagte äußerte in der Verhandlung mehrfach seine Sorge, dass er nun abgeschoben werde und erklärte, dass er sich in die Hand des Gerichts geben würde. Amtsgerichtsdirektor Klaus-Jürgen Schmid erklärte ihm jedoch, dass darüber jetzt nicht zu befinden sei. Diesmal ginge es um eine Straftat, nicht um sein Aufenthaltsrecht. Auch der Geschädigte kam bei Gericht zu Wort, allerdings war kein entsprechender Übersetzer anwesend, sodass eine Verständigung sehr schwierig war. Deutlich wurde nur, dass er durch den 20-Jährigen öfter bedroht wurde.
Dieser hatte wohl eine nur geringe Schulbildung. Der Angeklagte sagte zwar aus, gelernter Schreiner zu sein, gab jedoch auch an weder lesen noch schreiben zu können. Er sei jedoch bemüht die deutsche Sprache zu lernen, besuche zurzeit einen Deutschkurs und würde auch gern an einem Integrationskurs teilnehmen. Diese werden aber für Afghanen in Holzkirchen nicht angeboten.
Richter Schmid regte an, die Anklagen wegen Bedrohung und des Schlagens mit dem Stock fallen zu lassen. Er bewertete den Steinwurf als schwere Tat:
Sie wissen, dass man mit einem geworfenen Stein jemanden töten kann?
Der Angeklagte zeigte Reue und fing an zu weinen. In seinem Urteil folgte der Richter dem Vorschlag der Jugendgerichtshilfe und der Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte wurde daher zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren mit einjähriger Unterstützung durch einen Bewährungshelfer verurteilt. Als Bewährungsauflagen muss der Afghane zu einem Sozialtrainings-Wochenende sowie 48 Stunden sozialer Arbeit ableisten.
Der Richter bescheinigte dem jungen Mann eine hohe kriminelle Energie, meinte aber, dass daran auch der Alkohol Schuld trage. Daher wurde ihm zudem auferlegt, ein Jahr lang keinen Alkohol zu trinken. Bei Widerhandlung droht dem Mann eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten.
SOCIAL MEDIA SEITEN