Alles „in Buddha“ – Begegnung mit der Achtsamkeit

Little Buddha lächelt. Die rechte Hand zum Gruß erhoben. Die Linke ruht gelassen im Schoß. Daneben strecken rote Tulpen ihre Köpfe gen Himmel. Die Morgenstrahlen der Sonne überziehen Buddhas Haut mit einem goldenen Schimmer. Davor zelebriert Udo Gleissner mit Räucherstäbchen.

Gleissners Leben als Buddhist hat auf den ersten Blick wenig Parallelen mit seinem Tun als Pächter des Bräustüberl-Souvenir-Shops. Und einmal zu Hause tauscht er auch seine Alltagskleidung gegen die orange-rote Novizenrobe.

Die beste Lebensphilosophie der Welt

Seine frühere Arbeit – mittlerweile ist er nur noch einmal die Woche im Laden – ist für ihn jedoch vereinbar mit der Philosophie des Buddhismus. „Die beste Lebensphilosophie, die es gibt,“ sagt er.

Bereits über zwanzig Jahre ist er überzeugt von dem was er tut, seit er die abenteuerliche Route ins Reich Buddhas eingeschlagen hat. Der Tegernseer liegt damit im Trend, obwohl ihm persönlich Moden vollkommen egal sind. Immer mehr Deutsche finden zum Buddhismus. Auf der Suche nach sich selbst, nach Sinn und Seelenheil.

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Schön hat er sich eingerichtet in der hellen Wohnung mit Blick auf den Tegernsee. Geordnet sieht es aus und sehr sauber. Auch im Umfeld zeigt sich die Achtsamkeit, auf die Buddhisten großen Wert legen. Ebenso merkt man es an der Sprache.

Er spricht „wohlwollend“. So nennt sich die gütige Artikulation, die bestimmte Worte auslässt. Die Philosophie ist seit langem in seinen Alltag übergegangen. Er könnte sie jeden Tag ablegen, wenn er wollte, sagt er. Denn man kann sie leben, muss es aber nicht.

Achtsamkeit im Alltag

„Sag’ deine Wahrheiten ruhig und klar und höre den anderen an, sogar die Dummen und Unwissenden; auch sie haben etwas zu erzählen.“ Die „Desiderata“, die an der Wand ganz hinten hängt, erinnert Udo täglich an Wünschenswertes im Alltag. Seit er in Rente ist, hat er mehr Zeit für die bewußte innere Einkehr. Meditieren gehört jedoch seit einem Jahr nicht mehr dazu. Inzwischen hat er sich mehr dem Thai Chi zugewendet.

Was ihn an der Ausübung des Buddhismus – speziell in Deutschland – stört, ist die Kommerzialisierung dieser Philosophie in den Zentren, die davon leben (müssen). Auf Geldgeschenke sind die buddhistischen Gemeinden angewiesen, um Gruppenräume und Veranstaltungen zu finanzieren und um berühmte Lehrer für Vorträge einfliegen zu lassen. Auch werden viele Produkte – Bücher, Karten und anderes Zeug – verkauft, die von der eigentlichen Sache nach seiner Meinung zu sehr ablenken.

Lehre nach Buddha

Der Endsechziger braucht keinen Meister. Er lebt den Alten Buddhismus, „theravada“ genannt, so wie ihn Buddha selbst vorlebte. Daneben gibt es viele andere Richtungen, nach denen man leben könnte. Auf der Suche nach dem wunschlosen Glück landen viele bei den tibetischen Buddhisten. Sie verehren den Glauben, sie vergöttern den Dalai Lama, das geistige Oberhaupt, sie verbrüdern sich – politisch korrekt – mit den unterdrückten Tibetern. Buddhismus soll dem Leben eine Richtung geben, versteht sich jedoch nicht als Religion.

Seit sechs Jahren ist er wieder in Deutschland. Wegen der Rente. Hat sich mehr dem weltlichen Leben zugewendet. Davor hatte er in der Gastronomie gearbeitet, dann die Ausbildung als Butler in England absolviert. Zwölf Jahre hatte er als Butler auf Mallorca gedient. Die Demut – Grundlage für jeden Buddhisten – war ihm bei seiner Tätigkeit sehr nützlich gewesen.

Harmonie, Demut und Achtsamkeit, gelernt und angewendet während seiner Zeit, als er nach strengen Regeln in einem Thai-Kloster gelebt hatte. 4.30 Uhr Aufstehen. Dann Reinigung und Arbeit. Geschlafen wurde auf einer Holzpritsche. Auch sonst gab es keinen Luxus, der von der Lehre ablenken hätte können.

Enthaltsamkeit und tiefe Einsichten

Die beiden Roben – eine für den Winter und eine für den Sommer – und seine Glatze sind eine schöne Erinnerung an die Zeit im Kloster, die er nicht missen möchte. Seitdem ist er es gewohnt, enthaltsam zu leben. Nicht mehr so streng wie im Kloster, aber doch mit gewissen Regeln für den Alltag.

Abends isst er zum Beispiel nur noch eine Suppe. Wie alle Buddhisten ist er Vegetarier. Im Kloster wird ab mittags gar nichts mehr zu sich genommen. Keine Berauschung durch Drogen oder Alkohol. Keine luxuriösen Betten. Keine Lügen sprechen und Versprechungen einhalten. Das sind nur ein paar der Regeln, nach denen Anhänger der Philosophie leben.

Achtsamkeit ist eine der bekanntesten buddhistischen Methoden heute. Buddhisten aller Traditionen sehen in der Achtsamkeitspraxis die Möglichkeit, tiefere Einsichten in die Wirklichkeit und dadurch mehr innere Freiheit zu erlangen. „Nimm deine Geschäfte immer mit Umsicht wahr, denn die Welt ist voller Arglist,“ rät die Desiderata an der Tegernseer Wand.

Ja, Leben kann auch Leiden bedeuten. Jeder von uns macht diese Erfahrung immer mal wieder. Leiden, das sich als Unzufriedenheit, Eitelkeit, Krankheit, als ziellose Sehnsucht, als Begierde, Neid, Hass und Rache ins Leben schleicht. Dieses Leiden zu besiegen ist das Ziel – und zugleich der Weg für Buddhisten. So sieht es Udo Gleissner.

In seinen Meditationen lässt er, wie alle Buddhisten, Ärger, Wut und Gier vorüberziehen. Das Ziel sei es Mitgefühl zu entfalten und sich gleichzeitig in Selbstbeherrschung zu üben. Achtsamkeit üben, heißt Freundschaft mit sich selbst zu schließen. Spätestens wenn man das erreicht, ist “Alles in Buddha”.

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