Stadt Tegernsee will Bau "engmaschig begleiten"
Almdorf: Leidecker schafft Tatsachen

Am Freitag ging es mit den Bauarbeiten für ein längst verloren geglaubtes Projekt los. Am Montag wäre die Baugenehmigung erloschen.

almdorf baugrube
Morgens halb zehn auf einer neuen alten Baustelle. Foto: Redaktion

Seit dreizehn Jahren läuft die Planung für das Luxus-Hotel-Dorf oberhalb von Tegernsee. Projektentwickler Rainer Leidecker von der Immo-Firma ‘Tegernseer Grund’ ist mächtig unter Druck. Denn der Stadtrat hat ihm die Pistole auf die Brust gesetzt. Da oben müsse was geschehen – und zwar bald. Ansonsten wird renaturiert. Sonntagnacht war Fristende. Kriegt Leidecker die Kurve? Zumindest hat er am Freitag mit den Bauarbeiten begonnen …

Jetzt wird das Erdreich abgetragen. Der zweite Bürgermeister der Stadt Tegernsee, Michael Bourjau, hat sich zusammen mit der Bauamtsleiterin, Bettina Koch, am Montag auf der Baustelle umgesehen. Das erzählt er im Gespräch. Er bestätigt den Baubeginn und dass, die Stadt Tegernsee den Bau “engmaschig begleiten” werde. Vereinbart seien etwa Bauzeitpläne, aus denen die einzelnen Schritte ersichtlich würden.

Auch das Landratsamt bestätigt den Start der Bauarbeiten. Ob auch ein Investor gefunden wurde, steht erstmals weiter in den Sternen.

Anzeige
almdorf august 2

Meldung, 21. August 2024, 14:00

Am Freitag sollen die Bagger rollen

Und 72 Stunden vor Fristende, reagiert wohl Leidecker. Wie man hört, soll er aber ein Tiefbau-Unternehmen beauftragt haben, um die ersten Arbeiten auf dem Gelände auszuführen. Uns gegenüber gibt sich Leidecker bedeckt. “Wir wollen keine Stellungnahme abgeben wollen. Aufgrund der sensiblen Situation wäre es aus unserer Sicht nicht hilfreich und würde eine unnötige Irritation erzeugen”, schreibt er. Sensibel ist das Projekt in der Tat.

Die Tegernseer Ernst Tengelmann Projekt GmbH hat das 4.500 Quadratmeter große Gelände vor über zehn Jahren teils in Erbbaurecht, teils in Eigentum erworben. Hier sollten betuchte Gäste in diversen Almhäusern Erholung finden, oder wie es der Bauträger nahezu lyrisch auf seiner Website formulierte: “Das Almdorf wird ein Sehnsuchtsort für Genießer mit Lust auf Natur.”

Nur Cheops-Pyramiden wurden länger geplant und gebaut

Lust auf das Projekt hatte 2012 auch der Stadtrat. Er genehmigte das Bauvorhaben Leideckers. Dann wurde im August 2022 noch einmal um zwei Jahre verlängert. Dazwischen lagen immer wieder neue Veränderungen, die mit den Aufsichts- und Genehmigungsbehörden abgestimmt werden mussten. Aus einer Nullzins-Zeit rutschte das Bauvorhaben in eine für große Bauvorhaben anspruchsvolle Zins- und Kostensituation.

Das Almdorf ist für das Luxussegment geplant. Es muss schon allein wegen der immensen Baukosten hochpreisig positioniert sein, erklären uns Experten der Materie. Aber an Luxus-Übernachtungen ist, anders als am Schliersee, am Tegernsee kein Mangel. Für den ehemaligen Commerzbank-Angestellten Leidecker ist das jetzt ein Ritt über den Bodensee. Entweder hat er seit einiger Zeit einen Investor, der das Hotelprojekt nach dem Bau übernimmt, oder er geht in Vorleistung. Fakt ist: Da oben zu bauen, ist kein Zuckerschlecken und deutlich teurer als Objekte im Tal (so sie nicht wie das Severin’s direkt am See liegen).

dji fly 20240403 194004 624 1712079463655 photo
Der Westerhof – Warten auf den Umbau. Aber die Zufahrt steht schon einmal Foto: Redaktion

Sehnsuchtsort oder Alptraumort?

Ein bitteres Lied kann Nachbar Andreas Greither vom Westerhof davon singen. Der Mediziner will seit Jahren sein Hotel modernisieren, kämpfte mit Auflagen und Klagen von Nachbarn und wurde darüber mittlerweile 74 Jahre alt. Bis jetzt konnte er die Zufahrtsstraße ertüchtigen – +finanziert aus eigenen Mitteln und zur Freude der Kommune.

Damit aus dem ‘Sehnsuchtsort kein Albtraumdorf wird, muss Leidecker also jetzt losbaggern. Denn wie Johannes Hagn, Bürgermeister der Stadt Tegernsee, uns im März erklärte, “greifen sonst Verzugsstrafen. Diese werden im Durchführungsvertrag geregelt.”

Hagn wird aktuell vom Stadtrat Dr. Michael Bourjau, vertreten. Der findet: “das Projekt für die Stadt Tegernsee attraktiv”, hat das bei unzähligen Sitzungen zu diesem Thema auch immer wieder betont. “Wenn jetzt die Bauarbeiten beginnen, bin ich doch erleichtert. Almdörfer in diesem Segment gibt es in anderen Ländern wie Österreich und der Schweiz ja auch. Die jetzige Kiesfläche mit den umgefallenen Bauzäunen waren ja auch kein Zustand, den wir uns als Stadt lange ansehen können”, erklärt er uns heute.

Er wird am Montag sicher hinauffahren, um sich über den aktuellen Stand der Bautätigkeiten zu informieren. Denn wenn Leidecker nur ein ‘Potemkisches Dorf’ errichtet, also eine Alibi-Baustelle, dann wird die Kommune gezwungen sein, das Landratsamt als Genehmigungsbehörde darüber zu informieren.     

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Bauen & Wohnen Berge und Almen Gastronomie & Hotellerie

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner