Gute Freunde kann niemand trennen

Angetrunken erholt sich ein Miesbacher Azubi auf der Mercedes-Motorhaube seines Wiesseer Kumpels. Findet der ganz und gar nicht toll. Resultat? Gegenseitiges Geschubse, ein Gerichtstermin und am Ende ein “echter” Freundschaftsdienst.

Auf dem Parkplatz vor dem “Riva” kam es im Juni 2016 zu einem kleinen Gerangel. Zwei Freunde trafen sich deswegen heute vor Gericht.(Foto: Archiv)

Heute Vormittag standen zwei junge Männer vor Gericht, die sich schon lange kennen, Freunde nennen und sich gegenseitig nichts Böses wollen. Im letzten Juni hatten sie trotzdem eine nächtliche Auseinandersetzung, weswegen sie sich heute vor dem Miesbacher Amtsgericht verantworten mussten. Die Anklage lautete: Versuchte Körperverletzung. Die mögliche Strafe: ein Gefängnisaufenthalt.

Ein 19-jähriger Azubi aus Miesbach war im Juni mit seinen Freunden in Rottach unterwegs, erst im Chalet, dann im Riva. Er hatte nur ein paar Bier getrunken, vielleicht vier, wie er aussagte, dann wurde ihm übel. Gegen vier Uhr morgens ging der Miesbacher mit einer Freundin an die frische Luft, um eine Zigarette zu rauchen. Weil ihm schwindelig wurde, lehnte er sich gegen ein Auto.

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Auf der Motorhaube entspannt

„Mir war schwindelig und übel.“, erklärte der angeklagte Miesbacher. „Ich vertrage nicht so viel.“ Wegen seiner Übelkeit habe er dann auch nicht sofort, sondern erst beim zweiten oder dritten Mal reagiert, als ihn jemand ansprach. Sein Freund und Eigentümer des Wagens – der Mitangeklagte – hatte ihn auf der Motorhaube liegen sehen und war darüber wenig erfreut. Nach dem dritten Mal sei der Angetrunkene von der Motorhaube weg und auf ihn, Koch aus Bad Wiessee, zugekommen und habe gleich aggressiv reagiert:

Was, Oida?

Dann wurde der Wiesseer Koch auch gleich vom Azubi aus Miesbach geschubst, drei Mal vor die Brust. Der hat sich dann ebenso revanchiert. Zuschauer seien dann dazwischen gegangen und haben wohl so eine Schlägerei verhindert.

Provokation im Chat

Was danach passierte, kann man wohl als unglückliche Verkettung von parallelen Ereignissen sehen. Am nächsten Morgen forderte der Azubi den Koch in einem Facebook-Chat heraus. Der genaue Wortlaut ist unklar, hatte aber den Tenor, wenn der andere Mut habe, solle er doch kommen und noch einmal zuschlagen.

Der Koch beschloss daraufhin, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Ein paar Tage vergingen, man telefonierte zwischenzeitlich wieder miteinander, traf sich, versöhnte sich. Alles war wieder gut. Der Wiesseer zog seine Anzeige zurück.

Schlecht getimed

Unglücklicherweise erreichte den Miesbacher zum ungefähr gleichen Zeitpunkt die Nachricht, dass er angezeigt wurde. Von der Rücknahme der Anzeige wusste er nichts. Da der junge Mann aber Bewährungsauflagen hat, die aus einem früheren Verfahren wegen Körperverletzung resultieren, glaubte er, es sei sinnvoll, seinerseits Anzeige zu erstatten.

Heute vor Richter Walter Leitner war dem jungen Mann die Anspannung anzusehen, und auch die im Zuschauerraum anwesenden Verwandten samt Freundin waren deutlich nervös. Der Angeklagte musste dem Gericht seine Version der Geschehnisse wiedergeben. Sowohl Richter Leitner als auch Staatsanwältin und Verteidiger des Mitangeklagten wollten detailliert wissen, was in der Nacht vorgefallen war. Genauso wie sie Näheres über das Wortduell im Facebook-Chat erfahren wollten und wann die Anzeigen erstattet wurden.

Doch eigentlich hatte der Koch – genau wie der Azubi – mit der Angelegenheit schon längst abgeschlossen. Die beiden hatten sich ja ausgesprochen, waren wieder Freunde. Ein Umstand, der Richter Leitner durchaus positiv auffiel und zu einem Vorschlag bewegte:

Wenn alle Parteien mitmachen: Können wir dann vielleicht zu einer Einstellung kommen?

Worauf die beiden Angeklagten, wie aus einem Munde voller Erleichterung „Auf jeden Fall“ riefen. Die Staatsanwältin musste kurz mit sich ringen. Da aber keinerlei Schaden entstanden war, alles wieder versöhnt waren und gute Aussichten bestehen, dass es nicht wieder vorkommt, stimmte auch sie zu. Das Verfahren wurde eingestellt, die Angeklagten tragen die Kosten für ihre Anwälte selbst. Und die – so urteilte Richter Leitner – waren „auch keine Billigheimer.“

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