Es gibt wohl kaum ein bürokratischeres Wort für einen Menschen als „Fehlbeleger“. Gemeint sind damit Asylbewerber, deren Aufenthaltsantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angenommen wurde. Damit dürfen die Betroffenen nicht mehr in den vom Landratsamt zur Verfügung gestellten Unterkünften wohnen – theoretisch zumindest. In Holzkirchen ist dieser Fall jetzt für einen Syrer eingetreten.
Der 33-Jährige wurde am 20. Oktober als Flüchtling anerkannt und besitzt demzufolge nun einen offiziellen Aufenthaltstitel für zunächst drei Jahre. Laut Gerhard Brandl, Pressesprecher des Landratsamtes Miesbach, ist es der erste Fall in der Holzkirchner Container-Unterkunft. Dort sind aktuell rund 50 Personen untergebracht, viele von ihnen wohnen bereits seit über einem Jahr in Holzkirchen.
Nach Demo im Sommer: Eritreer erhalten Asylanträge
Vergessen wurden sie nicht, doch die Asylverfahren nehmen aufgrund des immensen Zustroms von Flüchtlingen immer mehr Zeit in Anspruch. Laut einer kürzlich veröffentlichten Erklärung der Organisationen Pro Asyl, Jugendliche ohne Grenzen und des Arbeitskreises Asyl Rheinland-Pfalz sind deutschlandweit schon jetzt 330.000 Asylanträge unbearbeitet. 75.000 Asylsuchende müssten länger als ein Jahr warten, bis überhaupt eine Entscheidung getroffen wird, heißt es in der Mitteilung.
Geduld brauchten auch die jungen Eritreer, die im Sommer noch gegen die Unterkunft an der Erich-Kästner-Straße protestiert hatten. Wie der Holzkirchner Bürgermeister Olaf von Löwis erklärt, haben die Bewohner der Container vor einigen Wochen Interviewbögen erhalten. Es handelt sich dabei um ein spezielles, beschleunigtes Verfahren für Asylbewerber aus Syrien, dem Irak, Iran und Eritrea.
Wie die Entscheidung im Fall der Holzkirchner Asylbewerber ausfallen wird, ist noch offen. Das beschleunigte Verfahren besagt jedenfalls, dass „auf ein persönliches Anhörungsgespräch zwischen Asylbewerbern und Entscheidern verzichtet wird“. Das bedeutet, dass die Befragten ihre Fluchtgründe schriftlich niederlegen dürfen.
Syrer darf Familie nachholen
Doch selbst wenn der Asylantrag abgelehnt wurde, gestaltet sich eine Abschiebung oftmals schwierig. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann fordert eine generelle Vereinfachung und Beschleunigung: „Die Einführung einer Asylcard und einer einheitlichen Datenbank, in die alle am Asylverfahren beteiligten Behörden individuelle Daten einspeisen und einsehen können, ist dringend geboten.”
In Holzkirchen verzögert sich der Bau der Traglufthalle am Moarhölzl aufgrund von unerwarteten Komplikationen. Das hat zur Folge, dass sich die ersehnte Räumung der Föchinger Turnhalle nach hinten verschiebt. Dort sind derzeit knapp 30 Personen untergebracht, in den kommenden Wochen soll jedoch die Maximalkapazität von 50 Personen ausgeschöpft werden. Damit wird Holzkirchen erstmals rund 100 Asylbewerber beherbergen.
Der 33-jährige Syrer, dessen Asylantrag erfolgreich war, darf wohl vorerst im Container wohnen bleiben. Von Löwis erklärt, dass das Landratsamt dem Mann einen Aufschub gewährt habe. Zudem habe der Syrer das Recht, seine Familie, die derzeit wohl in Dubai weilt, über die Türkei nachzuholen. Gerhard Brandl, Pressesprecher des Landratsamtes Miesbach,erklärt, dass im Landkreis Miesbach derzeit vier Anträge auf Familien-Nachzug laufen. Brandl weiter:
Mittlerweile gibt es […] vom Bundesinnenministerium eine Globalzustimmung für Familien-Nachzugsfälle von Syrern, so dass nahezu keine Beteiligung der Ausländerbehörden erfolgt.
Ob die Eritreer tatsächlich bleiben dürfen, vermag er hingegen nicht einzuschätzen. Deren Verbleib hänge davon ab, wie „großzügig“ das BAMF bei der Bewertung der Asylanträge vorgehe, so von Löwis. Unterdessen hat der Bürgermeister eine zündende Idee: Während die Traglufthalle vor allem Asylbewerber aufnehmen soll, werden dringend Unterkünfte für anerkannte Flüchtlinge gebraucht – Stichwort „Fehlbeleger“.
Olaf von Löwis bringt nun wieder die alte Polizeistation ins Spiel, die seit dem Umzug der Beamten leer steht. Zwar liegt die Verantwortung hier bei der Regierung von Oberbayern, doch von Löwis lässt durchblicken, dass bereits Gespräche über die weitere Verwendung laufen.
Sollten diese Pläne erfolgreich sein, stünde Holzkirchen mit einem Mal als großes Vorbild in Asyl-Angelegenheiten da. Derzeit sei man noch in einer „reaktiven Phase“, so von Löwis: „Wir haben aber lieber das Heft in der Hand.“
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