Längst nicht jeder, der sich gesund ernährt, ist auch Vegetarier oder Veganer. Es gibt Menschen, die lieben den Geschmack von Fleisch und wollen nicht darauf verzichten. So wie ich auch. Da ich aber weder synthetisch erzeugte Lebensmittel noch “schmeckt wie” Ersatzprodukte essen möchte, orientiere mich bei meiner Ernährung an die The Planetary Health Diet des Stockholmer Resilience Centers. Was bedeutet, sehr bewußt mit dem eigenen Konsum umzugehen, großen Wert auf eine nachhaltige und ausgewogene Ernährung zu legen. Nur selten hat man dabei Fleisch auf dem Teller.
Und das Tier, dessen Fleisch ich verzehre, sollte ein schönes, artgerechtes Leben gehabt und beim Schlachten nicht gelitten haben. Soweit so gut. Selbstverständlich will ich dann aber auch nicht, dass dieses Fleisch in Plastik eingeschweißt wird, das ist selbst bei Biofleisch nicht nachhaltig. Und zu guter Letzt muss ich mir den Genuss auch noch leisten können. Und schon ist guter Rat teuer bei der Fleischbeschaffung.
Ökomodellregion unterstützt die regionalen Bauern
Zum Glück habe ich das Privileg, im Landkreis Miesbach in einer von Weidetierhaltung geprägten Umgebung zu leben – sogar einer anerkannten Ökomodellregion (ÖMR). Also verabrede ich mich mit ÖMR-Managerin Stephanie Stiller zu einem Vorort-Termin auf dem Siglhof in Hochkreuth, um mir selbst einen Eindruck von der heimischen Fleischproduktion zu verschaffen.
Vom Hof, der auf den Hängen des Wendelsteins in einer Höhe von 900 Metern liegt, hat man einen wunderbaren Blick auf das Sudelfeld, auf Bayrischzell und in Richtung Sonnenwendjoch in der Ferne. Den genießen heute auch die vielen Wanderer, die sich auf der großen Terrasse des alten imposanten Bauernhauses eine Brotzeit oder Kuchen schmecken lassen.
Stiller erklärt mir sogleich, warum sich gerade hier oben all meine fleischigen Wünsche erfüllen könnten. Dabei zeigt sie auf die friedlich auf der Alm grasenden Ochsen. Riesenviecher mit einem auffallend entspannten Gesichtsausdruck. Jetzt wird mir gerade etwas mulmig. Okay, ich habe so meine Ansprüche an das von mir bevorzugte Fleisch. Doch wollte ich es so genau wissen?
Es ist das Eine, in der Fleischtheke ein Steak auszusuchen, und das Andere das noch lebende Vieh direkt vor Augen zu haben – mit großen Kulleraugen, süßem Schwanz, Fell und glücklich schmatzend. Leicht verstört denke ich: ‚Ich soll mir jetzt aber nicht eines der Tiere aussuchen zum Verzehr?‘
Zu meinem Glück kommt gerade Josef Winkler um die Ecke und stoppt meinen Gedankengang. Er wird mir als Viehbauer und Sohn des Hauses vorgestellt. “Die Ochsen kommen mit fünf bis sechs Monaten zu uns auf die Alm. Früher hatten wir hier oben Milchvieh. Vor 15 Jahren haben meine Eltern auf die Bewirtschaftung der Wiesen durch die Weideochsen umgestellt. Wie sich herausstellte, eine gute Entscheidung”, berichtet der Jungbauer mit großer Begeisterung.
Winkler ist auf dem Siglhof auch für den Vertrieb des Fleisches der großen braunen Tiere verantwortlich. Und er scheint sich mit großer Leidenschaft und Erfolg seiner Arbeit mit den Tieren zu widmen. Das bestätigt auch die Managerin der ÖWR lächelnd: “Dank der extensiven Bewirtschaftung der Hänge des Siglhofs durch die Ochsen sind die Almwiesen hier oben besonders artenreich.”
Bewirtschaftung der Almen wichtig für Arten Diversität
Dies sei auch ein Grund gewesen, warum der Betrieb in das Kulturlandschafts- und Vertragsnaturschutzprogramm aufgenommen worden sei, erklärt Stiller weiter. Zudem gehöre der Hof zur Gruppe der Miesbacher Weidefleisch Produzenten, einem Projekt des ÖWR.
Okay – und damit wären wir wieder beim Ausgangsprodukt unseres Besuches: Meinem Wunsch, mich gesund, bewußt und respektvoll dem Lieferanten des Fleisches gegenüber zu ernähren.
Ich frage den Almbauern: „Was ist so besonders an dem Fleisch eurer Ochsen?“ Winkler lacht. „Das besondere ist, dass die Tiere als Kälber zu uns auf die Alm kommen, ihr ganzes restliches Leben hier oben verbringen und jetzt auch auf dem Hof geschlachtet werden.“ Also doch. Vielleicht doch lieber an die Fleischtheke.
Hofschlachtung – Gesetzesänderungen machen es möglich
Doch der Almbauer sieht meinen Blick und erklärt weiter: „Früher haben wir die Tiere zu einem Schlachter ins Tal oder zum Schlachthof nach München gebracht. Das war immer mit großem Stress für die Tiere verbunden.“ Man habe die Tiere einfangen und separieren müssen, um sie dann auf den Transportwagen zu verladen für die Fahrt vom Berg herunter. Dazu noch die fremde Umgebung in den Schlachträumen. “Das alles sind unsere Tiere nicht gewohnt gewesen. Die kennen doch nur die Weide und den Stall. Eine heftige und unnötige Belastung für die Ochsen vor der Schlachtung”, erklärt mir Winkler noch.
Zusammen mit seinem Schwager Robert Stark, einem gelernten Metzger, haben die beiden Pläne geschmiedet, wie man diese große Belastung für die Tiere vermeiden könnte. Beim Veterinäramt erfuhren sie dann, dass dank einiger Gesetzeslockerungen in den letzten Jahren die Schlachtung auf dem Hof möglich sei. Stark und Winkler bauten die alte Garage des Hofes zu einem modernen Schlachtraum um. Inklusive aller für die EU-Zertifizierung erforderlichen Komponenten. Winkler beschreibt den aufwändigen Umbau:
Der Schlachtraum musste für die vorgeschriebene Reinigung komplett wasserdicht sein, was einige Umbauten erforderte. Zudem haben wir eine Hygieneschleuse am Eingang eingebaut und Spezialgeräte für die Sterilisation der Werkzeuge angeschafft
Die Vorgaben seien sehr penibel. Zudem werde die Einhaltung aller Standards über die vorgegebenen Protokolle immer wieder überprüft. „Aber sehen Sie selbst“, sagt der junge Bauer und öffnet die vor uns liegende Tür. Da war er – der gekachelte Raum. Reinweiß. Nur abgegrenzt durch die eben schon erwähnte Hygieneschleuse aus durchsichtigen Plastikbahnen. Dann sehe ich auch Stark vor einer massiven Metalltür stehend.
Auch stressfreie Schlachtung ist blutig
Er grüßt uns freundlich. Auch er ist gänzlich in Weiß gekleidet – blutfrei zum Glück. Ich bleibe ganz ruhig und lächle. Mit meiner Fassung ist es aber fast dahin, als ich Winkler den Satz sagen höre: “Robert, holst du den Ochsen von hinten.“ Bevor ich dem augenblicklich einsetzenden Fluchtreflex folgen kann, schiebt der Metzger bereits zwei riesige, säuberlich getrennte Rinderhälften in den Raum. Ohne Fell, Augen und offensichtlich bereits tot. Puh – Glück gehabt.
Ein imposantes – vorher auf der Alm und nachher im Schlachtraum – Gefühl bleibt im Kopf, während Winkler mir beschreibt, wie entspannt das Tier ihm und seinem Schwager in den Schlachtraum gefolgt sei. Der Aufwand sei auch nicht so groß gewesen. Da nur ein bis zwei Ochsen pro Monat geschlachtet werden, brauchen die Hochkreuther keinen separaten Zerlegeraum. “Aber bevor es soweit ist, muss das Fleisch noch in aller Ruhe im gekühlten Lagerraum reifen”, erklärt uns Stark, bevor wir gemeinsam die ehemalige Garage verlassen.
Bewusster Genuss als nachhaltige Strategie
Mir ist auf dem Siglhof noch viel bewusster geworden, was mein Fleischkonsum wirklich bedeutet. Nennt mich grausam, aber diese Erfahrung ist wichtig gewesen. Ich werde zwar weiterhin Fleisch essen, aber hoffentlich noch bewusster. Beim Abschied vom Siglhof gebe ich noch meine kleine Bestellung für den nächste Schlachtung am 18. September auf.
Im Landkreis Miesbach gibt es viele Bauern, die als Direktvermarkter oder über lokale Metzgereien das Fleisch ihrer Tiere verkaufen. Sie zu unterstützen, ist ein aktiver und wichtiger Beitrag von uns Fleischfressern – für das Tierwohl und auch für die Existenzsicherung unserer Landwirte.
Weitere Einblicke vom Siglhof findet ihr in einem Video auf unserer Instagram-Seite der Tegernseer Stimme.
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