Auf ins gelobte Land, rassistische Urlauber!

Oh weh, ein böser Brief! Rottachs Bürgermeister Christian Köck kuscht offenbar lieber vor fremdenfeindlichen Urlaubern, als die mit Mühe auferlegte soziale Verantwortung in der Flüchtlingskrise wenigstens mit etwas Würde zu erfüllen. Das sollten sich künftige Touristen merken: In Rottach ist als Fremder nur willkommen, wer Kohle mitbringt.

Bei seinem Rechenschaftsbericht auf der gestrigen Bürgerversammlung fasste Christian Köck die wichtigsten Themen und Projekte des vergangenen Jahres zusammen.
Christian Köck bei der letzten Bürgerversammlung: Ein Bürgermeister, den vor allem zahlungskräftige Touristen interessieren.

Ein Kommentar von Marius Mestermann
Christian Köck ist die tragikomische Figur in der Flüchtlingsthematik im Tegernseer Tal. Wacker stemmte er sich im vergangenen Jahr gegen die Aufnahme von Asylbewerbern, bis das Landratsamt ihn mit einer subtilen Drohung – Stichwort nagelneue Turnhalle – zur Vernunft brachte. Köcks größter Traum für seine Gemeinde blieb jedoch: Ein luxuriöser Urlaubsort direkt am See, vermeintliches Idyll, viel Besuch von außerhalb – aber nur der mit großem Portemonnaie.

Dass das nicht die Meinung aller Rottacher widerspiegelt, liegt (zum Glück) auf der Hand. Seit Monaten kümmern sich etliche ehrenamtliche Helfer mit großem Engagement um die Flüchtlinge, die in einer tristen Traglufthalle am Birkenmoos hausen. Die Rottacher Gastfreundschaft soll hier nicht per se infrage gestellt werden. Auch Köck wechselte zwischenzeitlich – von den Umständen gezwungen – in eine sanftere und kooperativere Tonlage. Doch wer Negatives zu sagen hat, schreit immer lauter – so wie die Unterstützer einer Petition gegen die Asylunterkunft im letzten Jahr.

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Berechtigte Sorgen und Kritik vs. Pauschalisierung

Dass die Unterbringung in Massenunterkünften in der Tat auf Dauer keine Lösung ist, zeigte nicht zuletzt die religiös motivierte Massenschlägerei im Juni. Hier war und ist die Empörung gerechtfertigt, schließlich ist gerade von jenen Menschen ein Mindestmaß an zivilisatorischen Umgangsformen zu erwarten, die in Deutschland Schutz suchen und sich von der aufnehmenden Gesellschaft Hilfe erhoffen.

Flüchtlinge pauschal zum Problem zu deklarieren, ist trotzdem nicht förderlich. Christian Köck ist dieses Kunststück jedoch herausragend gelungen. Gegenüber der „Tegernseer Zeitung“ erklärte er jüngst, dass ihm ein baldiges Verschwinden der Traglufthalle sehr gelegen käme. So weit, so legitim. Wäre da nicht der nächste Satz:

Für einen Fremdenverkehrsort in der Hauptsaison ist das ein schwieriges Thema. Die Gäste nehmen das nicht nur wohlwollend zur Kenntnis.

Der Kunde ist bekanntlich König, sodass Köck auch von „bösen, anonymen Briefen“ berichtet. Attraktivität für Touristen liegt sicher auch im Verantwortungsbereich des Dorfvorstehers. Aber Himmel, BÖSE BRIEFE! Würden die Talgemeinden jeden bösen Brief ernstnehmen, wäre der Tegernsee bald ein Bürgerkriegsschauplatz. Dass Köck „nicht wohlwollende“ Touristen vorschiebt, die in Wirklichkeit bloß reisende Rassisten ohne Differenzierungsvermögen sind, überrascht kaum.

Seine ursprüngliche Abneigung gegen die Unterbringung von Asylbewerbern im schönen Rottach-Egern feiern „besorgte Bürger“ seit langem. Das hochpreisige Tal sei für größere Wohnanlagen auf grüner Wiese “trefflich ungeeignet”, so Köck gegenüber dem Merkur. Dabei gilt: Zweifeln und infrage stellen ist das gute Recht eines jeden. Doch der Bürgermeister scheint mehr Wert auf die zahlungskräftigen Touristen zu legen als auf das Solidaritätsgeplauder, das er noch bei der letzten Bürgerversammlung verbreitete.

Urlauber entpuppen sich per Brief als Rassisten unter dem Deckmantel des “besorgten Bürgers”? Ganz egal, kommt nach Rottach, da hat man für euch Verständnis. Hauptsache, die leidigen Flüchtlinge sind bald weg, dann kann man dort wieder ungestörte Oberschichtspflege betreiben.

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