Das Bachmair am See. Seit Jahren wird an dem einstigen Juwel vom Pächter, der Hirmer Gruppe, herumgebastelt. Jetzt scheint die Investment Gruppe den Stecker ziehen zu wollen.
Die Hirmer Hospitality Group, der touristische Teil der Münchner Hirmer-Gruppe, hat viele Projekte in der Pipeline. Eines steht in Rottach-Egern und kommt nicht recht voran. 2020 konnte Hirmer mit einem langjährigen Erbpachtvertrag das legendäre Hotel Bachmair am See von Familie Rauh-Bachmair übernehmen. 150 Zimmer sollten es werden und alles auf den neuesten Stand der Touristik gebracht werden. Man wollte “die Geschichte des Bachmair weiterschreiben”. Für Ende 2022 war ein Soft-Opening angepeilt. Stattdessen Stille.
Von Umbau nichts zu sehen. Anfang 2023 beklagte Hirmer-Immobilien-Geschäftsführer Frank Siegfried noch die Verwerfungen auf dem Bau- und Immobilienmarkt. Allein die Baukosten, so Siegfried damals in einem Interview mit dem Merkur, seien seit 2021 um 25 Prozent gestiegen. Also habe man das Projekt hinsichtlich der Machbarkeit auf den Prüfstand gestellt und sich dem Markt angepasst. „Wir haben festgestellt, dass die ursprünglich und bereits als Bauantrag eingereichte Planung in der heutigen Zeit sowie mit Blick auf den Tourismus und auf die Historie des Hotels Bachmair etwas zu groß ist.“ Aktuell sei deshalb die Neuplanung “intensiv am Laufen”.
Davon ist jetzt nichts mehr zu hören. Wir haben in München angerufen. Hirmers Pressefirma gibt uns ein Statement, das man auf verschiedene Weise interpretieren kann: “Die HIRMER Gruppe kommt ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag zum „Bachmair am See“ vollumfänglich nach”, sagt Dirk Loesch von der Agentur LHLK, die für Hirmer spricht. Damit sind die Pachtzahlungen an die Erben des Bachmair-Grundstücks gemeint. Aber es wird nicht umgebaut, nicht investiert. Ist das Geld knapp geworden, hat die Lust auf ein Hotel am Tegernsee abgenommen?
Hirmer Immobilien verwaltet laut eigenen Angaben “138.000 Quadratmeter Immobilienbestand. Neben der Entwicklung von Hotel- und Resorthotellerie-Projekten in Deutschland, Österreich und Italien liegen die Investitionsschwerpunkte des Unternehmens im Raum München sowie in Leipzig und Dresden. In jüngster Zeit gab es einige Rochaden in der Führungsspitze der Firma. Hirmer-Hospitality-Geschäftsführerin Edith Gerhardt blieb gerade 18 Monate an Bord der Münchner Firma. Daniel Eickworth hatte die Übernahme des Bachmair am See als Chef der Hirmer Immobilien verantwortet. Auch er verließ im letzten Jahr das Unternehmen.
“Spekulationen werden wir nicht kommentieren. Und auch keine Angaben zu Investitionssummen machen”, antwortet uns Loesch. Aber dann kommt ein interessanter Satz, der aufhorchen lässt: “Im Übrigen verweisen wir auf die weltweit derzeit nicht nur für die Hotellerie schwierigen Rahmenbedingungen im Immobilienmarkt.” Dazu muss man wissen, dass zu Hirmer auch das Unternehmen Travel Charme Hotels & Resorts gehört. Die Hotelgruppe wurde von Hirmer 2018 erworben. Über diese Firma entwickelt der Immobilienkonzern immer neue Hotelprojekte, jüngst bei unseren österreichischen Nachbarn mit einem ‘Badeschloss in Bad Gastein, und einer weiteren Wellness-Stätte in Salò am Gardasee – alles keine kleinen Projekte.
Viele Hotel-Bälle fliegen bei Hirmer in der Luft. Wie funktioniert das? Schauen wir uns die Branche genauer an. Zugespitzt gibt es in der Welt der Immobilien-Entwickler seit Jahren ein auf den ersten Blick eher einfaches Rezept: Man leiht sich Geld (für niedrige Zinsen), baut ein Projekt (Hotel/Wohn- oder Bürogebäude), verkauft, bedient mit den Verkaufserlösen die Kredite, streicht eine Rendite ein und entwickelt weiter. Oft finanzieren sich solche Projekte gegenseitig. Wenn aber eine Finanzierung ausfällt, hat dies selbstverständlich auch einen Einfluss auf andere Projekte.
Diese Strategie wurde bisher teilweise mit attraktiven Renditen belohnt. Doch nun befindet sich seit gut einem Jahr der gesamte Immobilienmarkt, ob Büro, Privat- oder Hotelprojekte, in Deutschland in schwierigerem Fahrwasser. Kriege, Krisen, Zinsen hemmen den Konsum. Die Folgen gewagter Investitionen und fehlerhafter Entscheidungen der letzten Jahre treten nun zutage. Allein seit August diesen Jahres crashten vier große Immobilien-Entwickler, ‘Development Partner’, ‘Project’ und ‘Euroboden’. In den letzten Tagen kam Signa, die Firma von Rene Benko, dazu.
Das Prinzip funktionierte über Jahre gut, verschleierte aber eben bei dem ein oder anderen Spieler Finanzengpässe, könnte zuweilen auch im rechtlichen Graubereich stattfinden, und durfte nicht von Unannehmlichkeiten wie steigenden Zinsen oder andere Krisen beeinträchtigt werden. Sicher: Die einzelnen Immobiliensegmente Büro, Privatwohnungen und Hotels haben jeweils auch eigene Bedingungen. Zurück zu Hirmer. Spricht man mit Experten, sagen alle: Das Portfolio der Gruppe ist werthaltig, die Firma gilt als hochseriös und liquide.
Dennoch wird aktuell nicht im Bachmair gearbeitet. Geht man ums Anwesen, wirkt alles leer. Und das passiert nicht irgendwo, sondern in Rottach-Egerns Prachtmeile. Hört man sich um, soll es wohl auch im Binnenverhältnis mit der Gemeinde Rottach-Egern gerade nicht glattlaufen. Das Thema Stellplätze soll für Streit gesorgt haben. Zudem gab es im letzten Jahr auch mit einem Erben des Bachmair-Grundstücks Ärger. Der wollte auf einer nahen Wiese u.a. eine Fotovoltaikanlage mit einer Hackschnitzelanlage platzieren, um diverse Gebäude (unter anderem das Hotel Adolphine und das Bachmair am See) mit rund einem Megawatt Strom pro Jahr versorgen. Der Gemeinderat lehnte ab. Gründe damals: Emissions-, Natur- und Denkmalschutz. Ist der Grund für den Leerstand lediglich eine Auseinandersetzung der Pächter und Eigentümer mit der Ortsverwaltung?
Das Bachmair am See ist nicht irgendein Hotelbunker aus vergangenen Gloria-Zeiten. Es war lange Jahre das erste Hotel am Platz, Stars und Sternchen gaben sich die Klinke in die Hand. Aber der Erfolg vergangener Jahre ist längst verblasst. Vor der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine, in der Niedrigzins-Phase, da war man über Hirmer und seine Pläne glücklich in Rottach-Egern. Ein ortsansässiger Bauwerber erklärt uns: Jetzt rutschen wohl viele Projekte in die Freezing Phase, wie man das in der Branche so nett ausdrückt. Bauherrn warten ab, lassen die Projekte liegen, hoffen auf fallende Baukostenpreise. Denn nur so lassen sich die gestiegenen Zinsen ausgleichen. Wie lange das Abwarten dauert, ist unklar. Für heimische Handwerker ist das ein langsam ansteigender Alarmsound. Sind die fetten Jahre vorbei?
“Viele Bauprojekte liegen mit höheren Zinsen und Materialkosten auf Eis – mit sichtbaren Folgen für Projektentwickler, Bauunternehmen und vor allem den Wohnungsmarkt”, sagte erst vor wenigen Tagen der Chef des Kreditversicherers Allianz Trade, Milo Bogaerts. “Die Auftragslage trifft viele Projektentwickler und Bauunternehmer hart, da sie seit Monaten praktisch keine neuen Aufträge haben.”
Bogaerts zufolge sind oft Mittelständler am härtesten betroffen. “Gerade die vielen mittelständischen Unternehmen sind als Subunternehmer oft in einer Art Sandwichposition mit geringer Preissetzungsmacht gegenüber großen Auftraggebern.” Das mache sie besonders anfällig bei einer Verschlechterung der Auftragslage und Konjunktur. Auch hier am Tegernsee hoffen Investoren auf eine größere Preisflexibilität bei Bauunternehmen.
Der Leerstand ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Für ein nicht genutztes Hotel muss Pacht gezahlt, die Instandhaltung gesichert werden. Derweil zieht die Severin’s-Konkurrenz im Osten der Seestraße weiter ihr Projekt in die Höhe. Dann ist da noch in Wurfweite die ‘Überfahrt’, und nicht weit entfernt laden die “Egerner Höfe” zu einer Luxus-Übernachtung ein. Es wird viel Angebot auf dem Bettenmarkt in Rottach-Egern geben, und auch im gesamten Tal. Es bleibt fraglich, wie sich die Nachfrage entwickeln wird. Drüben in Bad Wiessee ist Strüngmann mit seinem “Seegut” in der ersten Bauphase. In Tegernsee gibt es das Caro&Selig. Der kalkulierte Leerstand, den die Hirmers am Südufer zulassen, ist eine Wette auf die Zukunft. Kann funktionieren – für Hirmer. Für die Gemeinde ist Leerstand hingegen nie schön …
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