Barrierefrei auf Achse: Das Tal macht sich

Da ist der Bordstein am Gehweg. Der schotterige Kiesweg. Der Höhenunterschied zwischen Straße und Buseinstieg. Oder die drei Treppenstufen, die ins Café oder das Wirtshaus führen.

Kleine Schritte für die meisten, manchmal unüberwindbare Hindernisse für behinderte Menschen, sei es durch Krücken oder durch einen Rollstuhl.

In Bayern gibt es laut dem Gmunder Behindertenbeauftragten Anton Grafwallner fast eine Million Menschen mit Behinderungen, wovon rund die Hälfte über 65 Jahre alt ist. Für eine alternde Gesellschaft wird Barrierefreiheit immer wichtiger.

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Barrierefrei oder behindertengerecht? Was heißt das eigentlich? Lange Zeit wurde beim Bauen nicht an gehbehinderte Menschen und Rollstuhlfahrer gedacht. Dabei ist das angesichts der demografischen Veränderungen extrem wichtig. Doch die bis heute praktizierte Bauweise verschwendet oft wenig Gedanken daran, dass wir alle einmal älter und damit auch unbeweglicher oder gar gehbehindert werden.

Positives Fazit

Nicht abgesenkte Bordsteinkanten an Fußgängerampeln. Durch Wurzeln hochgedrückte Asphaltwellen auf dem Gehweg. Treppen ohne Ausweichmöglichkeiten auf Rampen oder Aufzüge. Manche Rampen sind auch schlichtweg zu steil, um diese als Rollstuhlfahrer mit der eigenen Muskelkraft erklimmen zu können.

Für das Tegernseer Tal zieht der Behindertenbeauftragte Anton Grafwallner allerdings ein positives Urteil. In den vergangenen Jahren sei viel in behindertengerechte Infrastruktur investiert worden, und die Ergebnisse sind durchaus positiv: Grafwallner sieht das Tal für Behinderte inzwischen als relativ problemlos an.

Bei einem Treffen am gestrigen Abend zusammen mit Bayerns Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel, TTT-Chef Georg Overs sowie dem Wiesseer und dem Kreuther Bürgermeister Peter Höß und Josef Bierschneider zeigte Grafwallner auf, wo es rund um den Tegernsee positive Beispiele gibt. Vor allem die Einrichtungen für Touristen stechen dabei heraus.

So seien mittlerweile einige Cafés mit barrierefreiem Zugang ausgestattet. Im gesamten Landkreis sind das 130 gastronomische Einrichtungen und 40 Behindertentoiletten. Gleichzeitig haben die Gemeinden, so Grafwallner, in der Zwischenzeit viele Behindertenparkplätze zur Verfügung gestellt. Aber auch Sehenswürdigkeiten wie das Thomas-Mann-Denkmal, die Tegernseer Klosterkapelle oder das Jodschwefelbad sind für Rollstuhlfahrer zugänglich.

Was Grafwallner besonders freut, sind die behindertengerechten Busse und Bahnen im Tal. So sind mittlerweile rund 75 Prozent der RVO-Busse mit einer Rollstuhlrampe ausgestattet. Und auch die BOB ist ohne Probleme zugänglich.

Rollstuhlgerechte Ausflugsschiffe

Und auch die „Ausflugsdampfer“ der Tegernseer Seenschifffahrt lassen sich ohne große Probleme mit einem Rollstuhl besteigen. „Alle Schiffe sind rollstuhlgerecht“, so ein Kapitän auf Nachfrage.

Nur wenn man in einer größeren Gruppe unterwegs ist oder eine Toilette benötigt, sollte man mit den großen Schiffen „Rottach“ und „Tegernsee“ fahren. Auf der „Kreuth“ und der „Gmund“ wird es ab zwei Rollis schon recht eng.

Dabei ist die Gesamtsituation positiv. Und Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel zeigte sich beim gestrigen Runden Tisch auch erstaunt, wie stark in den Talgemeinden an der „Inklusion“ gearbeitet wird. „Ich bin beeindruckt, was hier alles passiert. Daran sollten sich andere Gemeinden ein Beispiel nehmen“, so Hessels Einschätzung.

Prominente Problemzonen

Doch so gut sich die Gemeinden bei der Barrierefreiheit touristischer Einrichtungen präsentieren, so schlecht sieht das Bild dagegen in den Rathäusern aus. Diese sind zwar ebenerdig befahrbar und damit rollstuhlfahrergerecht. Aber nur in einem der fünf Orte rund um den See sind die Sitzungssäle ohne Hilfe erreichbar.

In Tegernsee, Rottach-Egern und Bad Wiessee befinden sich die Räume für die monatlich stattfindenden öffentlichen Gemeinderatssitzungen jeweils im ersten Obergeschoss. Einen Lift gibt es nirgends. Und es sind auch nur „normale“ Treppen vorhanden. Technisch sei die nachträgliche Installation kein Problem. Aber die finanzielle Seite stelle eine Herausforderung dar, so hört man aus den Rathäusern.

Einzig Gmund hat in den vergangenen Tagen den lang geplanten Rollstuhllift eingebaut. 30.000 Euro soll die Maßnahme gekostet haben. Doch auch die Gmunder wären dazu nicht verpflichtet gewesen. Denn es besteht für die Kommunen nur bei öffentlichen Neubauten die Pflicht, diese komplett barrierefrei zu gestalten. Bei Altbauten handelt es sich um eine Kann-Regelung. Manchmal muss Inklusion eben noch warten.

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