Wenn der Berg ins Tal kommt

Es ist Mittwochabend, vor den Sälen drängen sich die ersten Gäste. Die Jury hat bereits einen Filmmarathon hinter sich. Draußen die letzten angenehm milden Sonnenstrahlen, drinnen Eiseskälte – zumindest auf der Leinwand. Die Entscheidung ist fast gefallen. Doch auf einige Filme wollen die Jurymitglieder noch einmal einen Blick werfen.

Beim Eröffnungsabend des Bergfilmfestivals in Tegernsee.

„Berg und Tal kommen nicht zusammen, aber die Menschen schon“, meint Festival-Direktor Michael Pause, mit einem Blick aufs Publikum: Da ist eine Frau aus Katar, die, begleitet von einem irischen Filmemacher, mit ihrer Familie den Kilimandjaro bestiegen hat. Direkt aus der Wüste gekommen, kann sie sich gar nicht satt sehen, an der überschwänglichen Farbenpracht eines strahlenden Herbsttages am Tegernsee.

Ganz in der Nähe sitzt ein „Halbgrieche“, der in Amerika lebt und einen Film über Skitouren am Olymp mit in die bayerischen Berge gebracht hat. Die längste Anreise hat Filmemacherin Carla Braun-Elwert hinter sich; sie war im letzten Jahr Jurorin in Tegernsee und hat nun eine preisverdächtige, sehr persönliche Dokumentation im Wettbewerb: Auf den Spuren ihres früh verstorbenen Vaters hat sie mit Tourenskis die Südalpen Neuseelands durchquert. Etwas zu spät kommt der Filmemacher aus Shanghai, quasi ein Heimspiel haben hingegen Fuzzy Garhammer und Markus Wasmeier, die am Donnerstag bei der Retrospektive zu Besuch sein werden.

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Botschaft wichtiger als Leistung

Dabei haben sich die Helden verändert – zumindest an diesem Abend im Tegernseer Barocksaal. Botschaft scheint eindeutig wichtiger als Leistung: Stephan Siegrist, einer der besten Schweizer Bergsteiger, macht im Kaschmir eine Erstbegehung und stößt dabei auf Spuren. Einheimische erinnern sich an einen Besteigungsversuch, ein Drama. Alt und neu laufen in der Filmgeschichte parallel. Die sportliche Leistung gerät immer mehr in den Hintergrund, umso spannender wird der schmale Grat zwischen Glück und Unglück.

Beide Male hätte es glücklich enden können, so wie bei den Schweizern. Hat es aber nicht. Da vor vielen Jahren kurz vor dem Gipfel ein Felsbrocken ausgebrochen ist, der einem der englischen Bergsteiger ein Bein fast zerquetschte. Eigentlich ein Todesurteil, doch seine Freunde schaffen die unglaubliche Rettung.

Abschied nehmen von Heiner Geißler

Manchmal bekommt man eben die zweite Chance. Die hat auch der ehemalige Basejumper Maximilian Werndl genutzt: „Last Exit“, der zweite Film an diesem Abend, entpuppt sich als kurzer, äußerst intensiver Film. Worte, die man so wohl noch nie gehört hat: „Wie kann man verlernen, zu fühlen?“ Diese Frage stellt sich der Extremsportler, als er vom Tod eines Freundes hört, und dabei nichts empfinden kann. Für ihn ist es ein Warnsignal, er fühlt sich „gefangen in einer Sackgasse“, auf der Suche nach immer noch intensiveren – und somit riskanteren – Erlebnissen.

Werndl hat professionelle Hilfe geholt, seinen Coach bezeichnet er im Gespräch mit Michael Pause als seinen Lebensretter. Es ist keine Heldengeschichte, gezeigt wird mit einfachen, unter die Haut gehenden Mitteln, was hinter dem Extremen steht, was das Umfeld, was vor allem Mutter und Lebensgefährtin, deshalb mitmachen müssen. Eine Sucht, wie eine tödliche Krankheit, wenn man keinen Ausweg findet.

Heiner Geisler war lange Jahre Schirmherr des Bergfilmfestivals.

Filme mit Tiefgang, die mit Sicherheit auch Heiner Geißler beeindruckt hätten, den im September verstorbenen Schirmherrn des Festivals. „Sein Geist ist immer noch unter uns“, betonte Altbürgermeister Peter Janssen, Mitbegründer des Bergfilm-Festivals und Weggefährte Geißlers.

Kraft seiner Persönlichkeit hat er das Bergfilmfestival entscheidend geprägt.

Es war immer einer der Höhepunkte, wenn Heiner Geißler, meistens bei der Schlussfeier das Wort ergriffen hat. „Worte, die unvergessen bleiben, über die es sich lohnt, immer aufs Neue nachzudenken – und die künftig fehlen werden.“

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