Vor allem Arten wie die Turmfalken, Mäusebussarde, Wandereulen und Rauhfußkäutze hatten es in diesem Winter besonders schwer mit dem Überleben, denn sie alle ernähren sich von Feldmäusen. “Die sind unter einer geschlossenen Schneedecke besonders schwierig zu erjagen”, sagt Alfred Aigner.
Zwar können die Vögel die Mäuse unter dem Schnee noch ausmachen. Wenn die Schneedecke aber mehr als 40 Zentimeter hoch liegt, haben sie keine Chance mehr, sich auf ihre Futtertiere zu stürzen und diese zu greifen, weiß der Greifvogel-Experte, der die Auffangstation in Otterfing leitet.
Gefährliches Jagdrevier im Winter
Zwar kann der Mäusebussard 14 Tage lang auch ohne Futter auskommen: “Aber dann wird es knapp”, so Aigner. Denn die Tiere brauchen vor allem im Winter viel Energie, um nicht auszukühlen. Ohne Futter entkräften sie, und die Parasiten in ihren Körpern nehmen überhand. Einige solcher Tiere päppelt der 53-Jährige derzeit auf.
Andere wurden mit Verletzungen zu ihm gebracht: Beispielsweise, weil sie entlang von Straßen jagen wollten, weil dort kein Schnee liegt. Ein gefährliches Revier, weil immer wieder Vögel bei der Jagd von Autos angefahren werden und sich dabei mitunter schwere Verletzungen zuziehen. Diese Tiere werden dann nach Otterfing gebracht, oder auch direkt von Aigner oder einem der Helfer abgeholt.
Auswilderung ist oberstes Ziel der Pflege
In Absprache mit einer Tierärztin wird dann anhand der Verletzungen entschieden, welcher Vogel aufgenommen wird: “Wir können nicht jedes Tier gesund pflegen”, so Aigner. Denn das Tier muss wieder ausgewildert werden können. Das ist die Maßgabe für die Entscheidung.
Ein komplizierter Trümmerbruch des Flügels beispielsweise schließt das aus: Der Flügel müsste abgenommen werden und das Tier könnte nicht mehr fliegen und nicht mehr jagen. Im Winter fehlen die wärmenden Deckfedern des Flügels. In einem solchen Fall würde man sich eher für die Einschläferung entscheiden, erklärt Aigner: “Das ist auch im Sinne des Tierschutzes, wenn das Tier nicht unnötig leiden muss.”
Wer Aussicht auf Heilung hat, wird von Aigner und seinem Team aufgenommen, gesundgepflegt und wieder aufgepäppelt, damit sie zu Kräften kommen. Dabei werden mit den Tieren vor allem das Jagen geübt. Erst wenn sie 30 Durchgänge überstehen, ohne völlig erschöpft zu sein, sind sie bereit, entlassen zu werden – denn in der freien Wildbahn sei nur jeder siebte Jagdflug erfolgreich. Bei 12 Mäusen, die ein Bussard am Tag braucht, muss sich der Vogel schon richtig anstrengen: “Die werden dann von Mal zu Mal kräftiger.”
Seit 35 Jahren pflegt Aigner ehrenamtlich Greifvögel. Zwei Stunden ist er täglich damit beschäftigt, die Tiere zu versorgen. Dazu kommen Besuche beim Tierarzt und Alarmierungen, wenn er einen verletzten Vogel abholen muss. Zwischen 70 und 90 Vögel versorgt er jedes Jahr bei Gehirnerschütterungen bis hin zu Knochenbrüchen. Rund 8.000 Euro kostet ihn das im Jahr. 5.000 Euro davon trägt seit einigen Jahren die Kreissparkasse Tegernsee-Miesbach. Der Rest muss durch Spenden eingenommen werden, oder Aigner trägt die Kosten selbst.
Mit einer Eule fing alles an
Eigentlich ist Alfred Aigner Lehrer am Sonderpädagogischen Förderzentrum in Bad Aibling. Angefangen hatte alles, als er 14 oder 16 Jahre alt war – so genau weiß er das heute nicht mehr. Damals hatte der Hund der Familie beim Spaziergang eine Wandereule aufgestöbert, die im Gras saß. “Das war ein Jungvogel”.
Um ihn vor anderen Hunden und Tieren zu schützen, setzte die Familie den Vogel auf einen Ast. Doch dort war die Eule dem Wetter ausgesetzt und wurde von Krähen angepickt. “Wir haben ihn dann mit nach Hause genommen und ich habe ihn dort aufgepäppelt. Damals wusste ich noch nicht so viel über die Tiere. Mit der Zeit wurde die Eule aber immer fitter und verabschiedete sich irgendwann.”
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Mittlerweile weiß Aigner mehr über Greifvögel und ihre Eigenschaften: Er hat unter anderem eine Falknerausbildung absolviert. Wenn er jetzt seine Vögel entlässt, werden diese zuvor beringt. So kann Aigner später nachvollziehen, wo seine Tiere hingeflogen sind – meistens erst, wenn diese tot sind und gefunden werden. Einer seiner Vögel hatte noch elf Jahre in der freien Wildbahn überlebt.
Ein anderer Vogel wurde zwei Jahre nach seiner Freilassung in Kapstadt gefunden. Tragisch an solchen Fällen ist die Todesursache der Tiere, findet Aigner. Denn der Lebensraum der Tiere wird immer gefährlicher: Durch Glasfronten an Häusern, die die Tiere nicht sehen und schließlich dagegen fliegen, Straßen, die ihre Jagdreviere zerschneiden oder auch Windkraftanlagen, die durch die Druckunterschiede Barotraumata auslösen – anders gesagt: Ihre Lunge platzt:
Man muss sich bewusst sein, dass jeder Eingriff des Menschen auch ein Eingriff in den Lebensraum der Tiere ist.
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