Am Tegernsee schwinden die Gästebetten

Hotelkomplexe und ortsbildprägende Bettenburgen statt charmanter Pensionen? Der demografische Wandel könnte auch im Tegernseer Tal wirtschaftliche und strukturelle Veränderungen mit sich bringen.

Immer mehr Gästehäuser und Pensionen müssen schließen, weil die Vermieter zu alt werden, um sie zu betreiben. Und die Kinder? Die wollen den Betrieb meist nicht übernehmen. Denn das sei, so Anastasia Stadler vom Webermohof, nicht attraktiv genug und verspräche vor allem viel Arbeit.

Die Zehnjahresstatistik der TTT zu Übernachtungen, Gäste, Bettenanzahl und durchschnittliche Aufenthaltsdauer / Quelle: TTT
Die Zehnjahresstatistik der TTT zu Übernachtungen, Gäste, Bettenanzahl und durchschnittliche Aufenthaltsdauer / Quelle: TTT

Die Zahlen lassen sich nicht abstreiten: In den vergangenen vier Jahren ist die Bettenanzahl in den Hotels, Gästehäusern und Pensionen im Tegernseer Tal weiter um knapp zehn Prozent zurückgegangen: von 10.938 im Jahr 2009 auf 10.072 im vergangenen Jahr. Das geht aus der Zehnjahresstatistik für die Ferienregion Tegernsee hervor.

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An der Nachfrage kann das nicht liegen. Die ist hoch, sogar steigend, wie Georg Overs, TTT-Geschäftsführer, und Bernhard Kaiser, Vorsitzender des Kur- und Verkehrsvereins Bad Wiessee, unisono erklären. Zurzeit bekomme er das auf der Messe “Touristik & Caravaning International” in Leipzig zu spüren, so Kaiser.

Auch hier bestätigt die Zehnjahresstatistik Kaisers Eindruck: im vergangenen Jahr übernachteten 14 Prozent mehr Gäste (319.164) im Tal als noch im Jahr 2009 (278.919). Die Zahl der Übernachtungen ist seit der Zeit dabei um knapp 20 Prozent gestiegen (2009: 1.471.479; 2012: 1.789.660).

Generationenwechsel? Kein Interesse!

“Der Bettenschwund ist ein Problem, das man in ganz Oberbayern findet”, sagt Georg Overs. In den vergangenen Jahren seien nicht nur große Hotels vom Markt gegangen, wie das Hotel Lederer (165 Betten), sondern hauptsächlich kleine Gästehäuser oder Pensionen.

Der häufigste Grund: Die alten Besitzer wollen sich meist zur Ruhe setzen und finden keine Nachfolger, so Overs’ Begründung. Das bestätigt auch Anastasia Stadler, Vorsitzende des Verkehrsvereins Rottach-Egern. Für deren Kinder oder die Jüngeren sei die Übernahme des Betriebs nur wenig attraktiv. Denn mit der Übernahme laden sich die Erben zunächst enorme Kosten und damit ein hohes Risiko auf: Meist müssten sie ein veraltetes Gästehaus zunächst renovieren und sanieren, um beispielsweise moderne Brandschutzverordnungen zu erfüllen oder Barrierefreiheit herzustellen, so Stadler.

Miterben müssten ausgezahlt werden, und die Eltern wollten ebenfalls eine regelmäßige Zahlung zu ihrer Rente. Dann behalte man das Haus oder die Ferienwohnung lieber für sich und für Freunde, die zu Besuch kommen.

Anastasia Stadler betreibt zusammen mit ihrem Mann den Webermohof.
Anastasia Stadler betreibt den Webermohof.

Dazu komme ein großer Aufwand, der sich selten mit den Lebensplanungen der Erben vereinbaren lasse: Sieben-Tage-Wochen, zeitaufwendiger bürokratischer Aufwand für Baugenehmigungen und für die Pflege von Internetauftritt und Reservierungsportalen – meistens am Abend. Man müsse ständig erreichbar sein und sehr schnell auf E-Mails reagieren, das erwarten zumindest die Kunden mittlerweile. Früher habe man Briefe geschrieben oder angerufen. Stadler wundert es nicht, dass nur wenige unter diesen Bedingungen übernehmen möchte:

Das ist ein Fulltime-Job geworden. Man ist selbst und ständig im Einsatz. Dafür muss man die Arbeit lieben und für sie leben.

Um Vermieter und Jungvermieter bei ihrer Arbeit zu unterstützen, stehen die TTT und die ATS in Kontakt zu den Vermietern. Die ATS biete beispielsweise die sogenannte Gastgeberberatung an. Dabei werde bei einem Vor-Ort-Termin geschaut, was am Angebot noch zu verbessern sei, erklärt Overs.

Um den Bettenrückgang aufzufangen, würden außerdem neben Großprojekten auch kleinere und mittlere Betriebe mit dieser Maßnahme gefördert, so der Tourismus-Chef. Außerdem baue man auf neue Projekte, die nicht in Konkurrenz zu den bestehenden Hotels stehen. Also solche mit einem bestimmten Konzept oder für eine spezielle Zielgruppe. Außerdem gebe es für die ansässigen Vermieter, Gasthäuser und Pensionen einen Bestandsschutz.

Engere Zusammenarbeit mit der TTT gewünscht

Dennoch fühlen diese sich alleingelassen, sagt Anastasia Stadler, die mit ihrer Familie den Webermohof in Rottach-Egern führt. Sie betont, dass die Zusammenarbeit zwischen den Tourismusorganisationen und den kleineren Vermietern insgesamt noch enger werden müsse: Beispielsweise könnte man in der Gastgeberberatung bei Bauvorhaben auch rechtliche Belange klären lassen.

Bauanträge zögen sich derzeit wegen Bearbeitungs- und Antwortzeiten sowie fehlender Unterlagen mehr als ein Jahr hin, bis sie in den Gremien entschieden würden. Da könne man beispielsweise von Anfang an beratend zur Seite stehen, welche Unterlagen nötig seien, so Stadler.

Dabei wolle sie weder der TTT noch der ATS einen Vorwurf machen und betont, wie gut sie deren Arbeit findet. Grundsätzlich, so die Rottacher Gemeinderätin, müsse man aber auch immer wieder vermitteln, welchen Stellenwert das Geschäft mit dem Gast im Tegernseer Tal hat.

Tourismus ist nicht alles, doch ohne Tourismus ist alles nichts!

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