Von Generation zu Generation:
Blaskapellen am Tegernsee – eine über 100-jährige Tradition

Berichte ich in Berlin von meinem neuen Wohnort am Tegernsee und dass ich dort begeisterte Blasmusikhörerin geworden bin, ernte ich oft Unverständnis und werde mit Klischees konfrontiert. Blasmusik sei konservativ, habe ein angestaubtes, folkloristisches Image, sei uncool.

Tag der Blasmusik Gemeinde Gmund Maria Glas
Am Sonntag ist Tag der Blasmusik auf Gut Kaltenbrunn. / Foto: Gemeinde Gmund, Maria Glas

Tatsächlich besitze ich keine dieser Vorurteile, da meine Mutter mit mir als Kind schon zu Militärkonzerten im Polizeisportstadion gegangen ist. Das war für mich einfach gute Musik und außer Märschen wurden Walzer, Polkas, Pop, klassische Musik und Bigband Jazz gespielt. Mein Eindruck als kleines Mädchen war: Jeder Soldat, der Musiker ist, ist ein guter Soldat, den der schießt niemanden tot.

Platzkonzerte von Militärkapellen

Und ich lebte in Istanbul, wo ab und zu die Janitscharen, die Militärmusiker des Osmanischen Reiches, aufspielten. Natürlich war das in einem Museum und die Janitscharen waren normale Musiker in historischen Kostümen. Aber es gab doch einen Eindruck, wie diese Klänge die Österreicher beeinflusst haben, als 1683 die Türken vor Wien standen. In der klassischen Musik, zuerst in der Wiener Klassik, fand diese türkische Musik Verwendung, um einen effektvollen Gegensatz zwischen vertrauten westlichen und exotischen östlichen Elementen herauszuarbeiten. So ging man Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts Sonntagsvormittags zum Platzkonzert der Militärkapelle am Ort und lauschte der „türkischen Musik”.

Von Mozart bis Haydn

Mozart ist das bekannteste Beispiel der Aneignung dieses Musikstils. In seiner Oper „Die Entführung aus dem Serail” von 1782 integriert er Janitscharenmusik, also türkische Militärmusik, mit Instrumenten wie Zimbeln, Triangeln, Basstrommeln, Klarinetten, Piccoloflöten, Trompeten und dem beeindruckend aussehenden Schellenbaum, der heutzutage in den Bundeswehrkapellen und bei besonderen Anlässen, wie z.B. dem ‚Rosstag’ in Rottach, den Blaskapellen vorneweg getragen wird. Seine Klaviersonate Nr. 11 A-Dur KV 331 endet mit dem Rondo Alla Turca „im türkischen Stil” und imitiert Janitschareninstrumente und noch in vielen anderen Stücken verwendet Mozart diesen Stil. Musikalisch hat dieser Stil auch viele andere Musiker beeinflusst: Joseph Haydns Sinfonie Nr. 100, Lullys Marche pour la Cérémonie des Turc, Beethovens Opus 113 Nr. 4 ist ein türkischer Marsch, Richard Wagner hat auch Spuren in der Militärmusik hinterlassen, z.B. mit dem Ritt der Walküren in der Oper „Die Walküre”, man sollte es nicht denken, auch Gustav Holst, der englische Komponist von „Die Planeten“, benutzt im Marsch „Mars, der Kriegsbringer” viele Elemente der Militärmusik und so gäbe es noch unzählige Beispiele.

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Geschichte der Blaskapellen

Also ist es klar, dass die Blasmusik eine ehrwürdige Tradition besitzt. Und hier rund um den Tegernsee lebt die Tradition der Blaskapellen. Wie sieht deren Geschichte aus? Im Tal gründete nach dem 1. Weltkrieg der ehemalige Militärmusiker Albin Schmidt 1927 die Blaskapelle Bad Wiessee. Er bildete auch den Nachwuchs aus an verschiedenen Instrumenten.

Heutzutage haben die Blaskapellen am See Nachwuchssorgen, klagt Korbinian Herzinger (43), der Vorstand und Organisator der Blaskapelle Bad Wiessee. Zum einen haben die Jugendlichen oft keine Zeit mehr für das Lernen eines Instruments, die zeitaufwendigen Proben und Auftritte, zum anderen sind die Instrumente teuer, eine Tuba kostet leicht 10.000 €. Ein Landwirt spendete einmal den Erlös einer Kuh für den Kauf von Instrumenten, solche Mäzene wünscht sich Herzinger öfter. Heute hat die Kapelle 22 Mitglieder aus verschiedenen Altersstufen. Geprobt wird von Januar bis Mai – dann wird aufgespielt und alle haben viel Spaß zusammen. Klaus Raßhofer (61), der Leiter der Tegernseer Blaskapelle, gegründet 1925 und der Gmunder Blaskapelle, gegründet 1919 von Einheimischen und Mitgliedern der damaligen Louisenthaler Werkskapelle, wurde selbst durch einen Militärmusiker unterrichtet. Seit 50 Jahren spielt er jetzt Posaune und Tenorhorn. Er plädiert dafür, dass die Schulen mehr für den Nachwuchs sorgen sollten. Seine Tochter spiele in der Kapelle mit, aber sie sei da ja auch reingewachsen, so Raßhofer.

Die Tegernseer Blaskapelle

Auch vor über hundert Jahren wurde die Blaskapelle für die Kurkonzerte in Rottach-Egern gegründet. Hans Weber (56) ist musikalischer Leiter und Dirigent der Blaskapelle Rottach-Egern. Er lernte schon als Kind an der Musikschule Flügelhorn, mit 11 Jahren spielte er das erste Mal bei einem Kurkonzert mit. Die bürgerlichen Tätigkeiten der 35 Mitglieder, davon sieben Frauen der Kapelle im Alter von 14 bis 78 sind Zimmerer, Schmiede, Juristen, Rentner, Schüler und Studierende. „Alles engagierte gute Leute“, meint Weber, sein 18-jähriger Sohn spielt Tenorhorn, seine Frau Klarinette. Da Hans Weber auch der musikalische Leiter der Blaskapelle Bad Wiessee ist, dazu noch in anderen Kapellen ab und zu als Musiker einspringt, ist es sinnvoll, dass seine Familie dasselbe Hobby pflegt, denn sonst würden sich die Familienmitglieder ja nie zu Hause sehen … Was zeichnet die Blaskapelle aus? „Dass wir gut sind!” so Weber und das stimmt.

Einmal wöchentlich wird geprobt, allerdings entfallen die Proben währendes Sommers, da die Kapelle Sonntagsvormittags und Freitagsabends in Rottach-Egern sowie dienstags im Kreuther Kurpark Kurkonzerte gibt. Da steckt viel Engagement dahinter, denn mehr als eine Aufwandsentschädigung kann die Gemeinde den Musikern und Musikerinnen nicht zahlen. Dies ist bei allen Kapellen der Fall.

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