Brexit meets Tegernsee – Folgen und Bedeutung

Seit dem Referendum um den EU-Austritt Großbritanniens hat sich die Lage etwas beruhigt – so scheint es. Doch erst kürzlich hat der Spiegel berichtet, dass der Brexit die britische Wirtschaft noch stärker treffen könnte als zunächst gedacht. Dies schlussfolgert der Spiegel daraus, dass die britischen Wirtschaftsprognosen laut einer Studie stark herabgesetzt werden mussten.

Quelle: Pixabay.com

Erst im November 2017 hatte der britische Finanzminister Hammond angekündigt, milliardenschwere Rücklagen aufzubauen, um das Land auf den Brexit vorzubereiten. Dies steht im starken Kontrast zu den stets positiven aber nach und nach immer weiter sinkenden Wachstumsprognosen der Briten. Daraus ergibt sich, dass der Brexit bereits jetzt die sonst so starke britische Wirtschaft erheblich schwächt. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass der Einbruch unmittelbar nach dem Brexit-Votum schwächer ausfiel als zunächst befürchtet.

Auswirkungen auf Tegernsee

Man könnte sagen, die Auswirkungen auf den Tegernsee als Wirtschafts- und Ferienregion werden wohl nur minimal zu spüren sein. Dies ist aber eine vage Prognose, denn es könnte auch die Region stärker betreffen als man heute vermuten mag. Warum das so ist, möchten wir in einem kurzen Resumée erläutern.

Tourismusentwicklung

Seit Jahren stagniert, beziehungsweise reduzieren sich im Tegernsee-Gebiet nicht nur das Gesamt-Bettenangebot, sondern auch die Tagungsgäste werden weniger. Erst dieses Jahr trennte man sich vom Tourismusverband München um Geld zu sparen. Sowohl die Zahl der Übernachtungen als auch die Zahl der Gästeankünfte ging schon 2016 im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurück. Zwar ist man mit dieser Entwicklung nicht allein, denn die Nachbar-Landkreise sind von der Abschwächung noch stärker betroffen. So verlor der LK GAP im Vergleich zum Vorjahr fast 200.000 gewerbliche Übernachtungen. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass sich die Region derzeit ohnehin in einem Abwärtstrend befindet, der durch den Brexit noch weiter verschärft werden könnte.

Es mag trösten, dass Gäste aus Großbritannien nur etwa 0,5{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63} ausmachen und der überwiegende Teil mit mehr als 95{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63} aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stammt. Dies kann sich aber zum Trugschluss entwickeln, denn einerseits machen alleine in Tegernsee 0,5{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63} der Gäste bereits mehr als 100.000 Übernachtungen in der gesamten Region aus und andererseits ist derzeit noch unklar, wie stark der Brexit die übrige europäische Wirtschaft belasten wird. Die zusätzliche Belastung könnte wiederum zu weiteren internationalen Besuchereinbrüchen führen.

Inflation Großbritanniens

Seit den Brexit-Verhandlungen ist die Inflation in Großbritannien auf den höchsten Wert seit fünf Jahren gestiegen. Im August 2017 lag sie bei fast 3{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63}. Dabei werden die Preise überwiegend aufgrund des schwächelnden Pfund nach oben getrieben, denn im Vergleich zum Euro hat der britische Pfund deutlich an Wert verloren. Dies macht Importgüter für die Briten teurer und erhöht damit die Lebenshaltungskosten, was wiederum dazu führt, dass die Verbraucher sich mit Käufen zurückhalten. Dies dämpft damit auch gleichzeitig die Ausgaben für Urlaube und macht gleichzeitig den Urlaub im Ausland teurer, was zu einer zusätzlichen Abflachung des Auslandstourismus führt.

Urlaubsverhalten der Briten

Studien der britischen ONS zufolge, hat sich das Urlaubsverhalten der Briten in den letzten 20 Jahren deutlich verändert. So neigen immer mehr Briten eher zu mehr und dafür kürzerem Urlaub. Der zweiwöchige Urlaub ist dem Wochen- oder Zehn-Tages-Trip gewichen. Ein Grund für diese Entwicklung ist die steigende Zahl von Low-Budget Airlines, was Urlaube im nahegelegenen Ausland günstiger machte. Dies kann sich durch die gestiegene Inflation nun egalisieren, was mehr und mehr Urlauber dazu bewegen kann, statt dem Ausland den Urlaub lieber im eigenen Land zu verbringen, wo die gestiegenen Kosten durch Inflation und Währungsabschwächung nicht so stark spürbar sind.

Urlaubsverhalten der Einheimischen

Nicht zu unterschätzen ist auch der umgekehrte Effekt, der sich aus dem schwächeren Pfund und dem steigenden Euro ergibt. So könnten sich einheimische Urlauber vermehrt zu Reisen nach Großbritannien begeben, denn diese werden bei anhaltendem Trend deutlich günstiger werden, denn sowohl Übernachtungen als auch Verpflegung vor Ort würden im direkten Vergleich zur Tegernseeregion spürbar günstiger sein.

Der zuvor erwähnte Wandel hinsichtlich des Urlaubsverhaltens der Briten ist auch in der Tegernseeregion äquivalent spürbar. So hat sich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer vor Ort in den letzten 10 Jahren von 5,15 Tagen auf 4,3 Tage reduziert und auch der Bettenbestand insgesamt ging von rund 11.300 auf 9.800 zurück. Interessanterweise stieg aber die Gesamtzahl an Gästen im 10 Jahres Vergleich von 292.000 auf rund 350.000 an, was den Abwärtstrend bei der Aufenthaltsdauer kompensieren konnte.

Währungsentwicklung

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist der Euro im Vergleich zum britischen Pfund etwa 5{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63} stärker geworden. Prognosen gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung aufgrund der Stagnation der britischen Wirtschaft und der negativen Prognosen noch weiter verschärfen wird. So gehen Forex-Experten und Broker von weiteren Wertschwankungen aus, die sich bis zum zweistelligen Bereich entwickeln könnten.

Betrachtet man das Verhältnis zwischen Pfund und Euro sehen die meisten Prognosen den Euro deutlich im Vorteil. Etwas spannender und ungewisser sind die Aussichten hingegen beim Verhältnis vom Pfund zum US-Dollar, denn hier zeigen sich starke Schwankungen, die Analysten derzeit Rätsel aufgeben. Allerdings fällt und steht hier alles mit dem Einfluss und der Wertentwicklung des Dollar. Es ist nicht zu erwarten, dass der Brexit sehr starke Auswirkungen auf das Verhältnis zum Dollar haben wird, könnte aber im Nachgang, wenn die erwartete Abschwächung gegenüber des Euro eintrifft, ebenfalls deutlich bemerkbar machen.

Schwankungen und Währungsentwicklungen dieser Art sind nicht nur für den internationalen Markt wichtig, denn auch private Finanzinvestoren sind hiervon betroffen. Der Forex-Handel ähnelt dem allgemein bekannten Aktienhandel, statt in Aktien wird hier jedoch in eben jene Währungen investiert. Bei den diversen Forex-Brokern im Internet wird zur Zeit also darauf spekuliert, ob der britische Pfund im Verhältnis zu Euro oder US-Dollar weiter fallen wird, oder ob sich die Währung des Vereinigten Königreichs mit weiteren Verhandlungen stabilisiert. 

Bezug zur Tegernsee-Region

Was hat der Finanzmarkt und die Entwicklung des Pfund mit der Region um den Tegernsee zu tun, mag sich der eine oder andere fragen. Dabei liegt die Antwort auf der Hand, denn in der Region sind viele Industriebetriebe ansässig, die direkt vom steigenden Euro betroffen sein könnten, denn schließlich hinterlässt der Brexit bereits jetzt deutliche Spuren in der Exportbilanz deutscher Unternehmen. So musste die Pharmaindustrie mit Exportrückgängen von rund 19{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63} erleben und auch die Automobilindustrie exportierte im Vergleich zum Vorjahr 14{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63} weniger Fahrzeuge nach Großbritannien. Insgesamt verringerten sich die Exporte zur Insel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 7,2{0df041b544200f98e0403f5bfaff217e8ddb0fa5a49c3e35acc6e6a32ff09f63}.

Sollte der Euro im Vergleich zum Pfund weiter zulegen und gleichzeitig zum US-Dollar verlieren, könnte dies die Lage zusätzlich dramatisch verschärfen und die Exportstatistik der deutschen Unternehmen nachhaltig negativ beeinflussen. Dies wiederum führt zu einem Stellenabbau der Industrie und der exportierenden Unternehmen, sofern die Exporte nicht anderweitig deutlich nach oben geschraubt werden können. Dies beträfe alle Regionen unseres Landes, inklusive der Tegernseeregion. Tourismusregionen sind bekanntlich von Rückgängen stets am stärksten betroffen, denn in Zeiten in denen das Geld knapp wird, ist der Urlaub eine der ersten zusätzlichen Ausgaben, die vom Verbraucher gestrichen werden.

Grund zur Panik?

Grundsätzlich besteht derzeit aber kein Grund zur Panik. Denn obwohl Trends und Prognosen eine Abschwächung des Pfund vorhersagen, so hat die Vergangenheit auch gezeigt, dass die Region aus einer Krise stets stark hervorging. Auch wenn sich die gesamte positive Entwicklung über die vergangenen 10 Jahre wieder etwas abschwächt und der Brexit diese Talfahrt noch beschleunigen und verstärken kann, ist nicht zu erwarten, dass der Region der Tourismus-Kollaps droht. Dafür ist einerseits der Anteil an einheimischen Urlaubern zu groß und andererseits auch die Kostenstruktur der Unterkünfte zu hoch. Denn unter Luxus-Reisenden wird die Region nach wie vor beliebt bleiben und die wohlhabenden Urlauber werden – Brexit hin oder her – ihren Urlaub wahrnehmen.

Für den Durchschnittsbürger kann die Entwicklung sich auch zum Vorteil entwickeln, denn sollte die Nachfrage sinken, werden auch die Preise für Übernachtungen sinken, was Freunde der Urlaubsregion Oberbayern sicherlich freuen wird.

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