Es war im vergangenen Oktober, als Anna-Kristina Stekl Pfarrer Sebastian Obermaier in Bolivien besuchte, erinnert sich die langjährige Mitorganisatorin der Sternsingeraktion. Sie und der Pfarrer waren auf dem Weg zu einer Wahlkampfveranstaltung des Präsidenten Evo Morales: „Die Menschen erkennen ihn dort. Er ist so berühmt wie der Präsident“, sagt sie. Eine Berühmtheit, die sich der katholische Pfarrer unter anderem durch die von ihm gegründete Stiftung Bolivienhilfe Padre Obermaier erarbeitet hat.
„Er erfüllt die Aufgaben, die eigentlich ein Sozialstaat erfüllen sollte“, sagt Stekls Bruder Andreas Rullmann-Stekl. Ein Verdienst des Pfarrers aus Rosenheim ist das Kinderheim „Casa del Nino“ – übersetzt „Haus des Kindes“. In diesem Kinderheim werden misshandelte und vergewaltigte Kinder zwischen drei und 14 Jahren aufgenommen, bis sie entweder zu ihren Familien zurückkehren können, oder in ein anderes Kinderheim verlegt werden.
Misshandelte Kinder: „Nicht nur eine Ohrfeige“
„Wir bieten den Kindern in erster Linie Schutz“, sagt Stekl. Sie berichtet, mit welchen Misshandlungen die Kinder dort von den Behörden gebracht werden. „Das ist nicht nur eine Ohrfeige.“ Sie spricht von Verbrennungen, abgerissenen Ohren, schweren Kopfverletzungen und sogar von Kleinkindern, die „auf den Strich geschickt“ wurden.
In diesem Jahr sammeln die Bad Wiesseer Sternsinger ausschließlich für die Kinder im Casa del Nino. 30 von ihnen waren bis gestern in der Gemeinde unterwegs, um mit den Bürgern zu singen und den traditionellen Segen „20 C+M+B 15“ an die Türrahmen der Wohnungen und Häuser zu schreiben.
Kinder segnen die Häuser
Die Segensformel steht nicht für die Namen der drei Könige Caspar, Melchior und Baltasar, sagt Andreas Rummel-Stekl, der die Aktion mitorganisiert. Sondern sie steht für „Christus Mansionem Benedicat“ – Christus segne dieses Haus. Er selbst war lange Jahre Sternsinger. Nun ziehen zwei seiner Kinder mit um die Häuser. Sogar die mittlere Tochter mit gerade einmal sieben Jahren.
„Man sollte schon lesen können“, sagt er. Das erleichtert es, die Texte und Lieder zu lernen, die die Könige für die Hausbewohner singen. Die Siebenjährige hat diese schon mit ihren Geschwistern gelernt. Neben den drei Königen ist auch immer ein Sternträger und bei minderjährigen Kindern eine erwachsene Begleitperson dabei.
Sternsingen für den Spaß
Die Gruppe wird von der Nachbarschaft schon immer erwartet: „Viele Leute rufen schon im Dezember im Pfarrbüro an und bitten darum, dass die drei Könige sie besuchen“, sagt Rullmann-Stekl. Anmelden muss man sich für den Segen nicht. Die Sternsinger versuchen, jedes Haus zu besuchen und zu segnen. Dabei kommt es aber immer darauf an, wie viele Kinder zum Sternsingen kommen und wie gut sie es verkraften, bei Kälte, Eis und Schnee durch die Nachbarschaft zu ziehen: „Wir wollen die Kinder ja nicht überlasten“, sagt er.
Schließlich soll es Spaß machen, sich zu verkleiden und zu singen. Knapp 13.000 Euro haben die Kinder im vergangenen Jahr gesammelt. Geld, das laut den Organisatioren direkt in Bolivien ankommt. „Dort sichert es ein Drittel des Jahresunterhalts des Casa del Nino“, sagt Anna-Kristina Stekl. Also Geld, das für vier Monate ausreicht, eingenommen in knapp sechs Tagen.
Vieles hat sich in den vergangenen Jahren in dem Kinderheim getan: Die Kinder bekommen Schutz, Essen, hygienische und medizinische Versorgung. Und Bildung. Das Kinderheim hat eine kleine Bücherei mit Kinderbüchern und Schulbüchern eingerichtet. Es gibt sogar zwei Computer, an denen die Kinder Hausaufgaben machen können.
Spenden als persönliche Angelegenheit
Lehrer geben nach ihrem eigentlichen Unterricht noch ehrenamtlich Unterricht im Kinderheim. Manche der Kinder können sogar draußen eine Schule besuchen, ohne Angst vor der Familie haben zu müssen. Als nächstes soll der alte Spielplatz, der zum Kinderheim gehört, wieder flott gemacht werden.
Dieses Engagement habe das Sternsingen in Bad Wiessee in den vergangenen Jahren zu einer „sehr persönlichen Angelegenheit gemacht“, so Stekl. Es sind Kooperationen mit Hotels entstanden, die die Sternsinger besuchen dürfen, um bei den Gästen zu sammeln. Zudem seien mittlerweile viele Bürger Mitglieder der Stiftung geworden und helfen so das ganze Jahr.
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