Corona-Blockade am Anfang des Lebens

Im Rahmen der Themenmonate der TS macht für den Monat Dezember die Kategorie Gewinner und Verlierer des Jahres den Abschluss. Verlierer sind unter anderem auch die, die gerade noch am Anfang ihres Lebens stehen und gleichzeitig so vieles verpassen müssen: junge Menschen.

Für viele junge Menschen spielt sich das Leben seit der Pandemie vor dem Laptop und online ab.

Als ich mein Studium mit zwanzig Jahren begonnen habe, war Home Office eigentlich nicht so schlimm. Mittlerweile sitze ich in meinem dritten Semester vor dem Laptop. Motivation und Energie kann ich nur noch selten für das Studieren finden, obwohl mich das Fach Soziologie sehr interessiert. Stattdessen ist mein Medien- und Nachrichtenkonsum ungesund übermäßig geworden. Und auch sonst ist meine Stimmung durch die Pandemie eher bescheiden. Bei Corona-Maßnahmen werden junge Leute kaum mitgedacht, nur hin und wieder mal erwähnt. Wie geht es anderen in meinem Alter?

“Ich weiß nicht mehr, wie es vor der Pandemie war“

Yunus war mitten in der Abiturphase am Miesbacher Gymnasium, als die Pandemie ihn ins Homeoffice geschickt hat. Erst zwei Wochen Ferien, dann alle Materialien nur noch online. „Man musste irgendwie nie was abgeben, wurde nie ausgefragt. Eigentlich war es entspannt“, erinnert sich der heute 19-Jährige. „Aber man hat halt auch nie wirklich was gelernt“, räumt er ein. Das habe sich auch nicht gelohnt – wurde ja eh nicht überprüft. „Ich hab‘ viel weniger für die Schule gemacht“, erzählt Yunus. Dafür mehr Zeit für Freunde? Schon, aber alles nur online:

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Generell hatte ich mehr Freizeit. Ich habe viel mehr gezockt, man durfte sich ja nicht treffen. Ich habe mich nicht weniger mit Freunden getroffen, sondern einfach online.

Auch sein Physikstudium, dass er in diesem Wintersemester begonnen hat, macht der 19-Jährige mittlerweile wieder von Zuhause aus. Ein Minuspunkt in seinen Augen: „Man lernt halt nicht so wirklich Leute kennen“. Ob sich seine Stimmung durch die Pandemie geändert hat, verneint er. „Es ist ja jetzt schon fast zwei Jahre so, ich hab‘ mich eigentlich dran gewöhnt. Ich weiß gar nicht mehr, wie es vor der Pandemie war“.

“Ständig ist irgendwas anders“

Almina* hat in diesem Jahr ihre Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten in Hausham begonnen. Ihr Arbeitsalltag ist geprägt von Corona – FFP2 Maske, tägliche Selbsttests, im kalten Klassenzimmer mit offenem Fenster lernen. „Das beeinträchtigt auf jeden Fall die Arbeitsfähigkeit, weil ich ständig unter Stress stehe, schwitze und Kopfschmerzen bekomme“, erzählt die 19-Jährige. Der Beruf ist eigentlich perfekt für sie, aber unter diesen Umständen mache Ausbildung generell einfach keinen Spaß. Auch in der Freizeit sorgt die Pandemie für keine Ablenkung:

Ich kann einfach gar nichts machen, ganz einfach gesagt. Es ist einfach fad, jeder Tag ist gleich. Ständig wird was eingeschränkt, ständig ist irgendwas anders. Man weiß ja meistens nicht mal genau, was jetzt eigentlich gilt.

Sich neben der Ausbildung mit der Corona-Politik zu beschäftigen, ist für Almina nicht drin. Ihre Ausbildung sei auch so schon aufwändig genug. „Da habe ich keine Zeit, keinen Nerv und keine Lust, auch noch das zu lesen. Und dann auch noch zu prüfen, was echt ist und was nicht, weil so viele Fake News verbreitet werden“, so die Auszubildende. Wenn sie an die Zukunft denkt, sieht sie erstmal keine Änderung: „Ich denke mal schon, dass das mindestens noch ein Jahr so geht“.

Die Gewöhnung an das Stehenbleiben

Vincent studiert mittlerweile schon im siebten Semester Geoinformatik und Vermessung. Seitdem die Pandemie sein Unileben bestimmt, verliert er immer mehr Spaß an dem Studiengang. „Es ist einfach keine Motivation mehr da, und das liegt auch sicherlich daran, dass ich keine Professoren habe, die vor mir stehen“, erklärt der 23-Jährige. Mittlerweile ist auch er an das Leben in der Pandemie gewöhnt:

Man ist ja inzwischen schon in einem Trott drin, man hatte jetzt schon genug Eingewöhnungszeit in das pandemische Geschehen. Ich glaube auch nicht, dass Corona bald weggeht.

Die Studienzeit sei die beste Zeit, bekommt er immer wieder von Älteren erzählt – immer schwingt etwas Mitleid mit. Heute ist das Studium ein Abschnitt, den er hinter sich bringen möchte. „Ohne Pandemie würde mir das Lernen leichter fallen“, ist sich der Student sicher. Außerdem bedauert Vincent den plötzlichen Kontaktabbruch zu seinen Mitstudierenden. „Ich habe seitdem meine Kommilitonen nicht mehr gesehen. Wir sind jetzt fast alle fertig mit dem Studium, aber einen Abschied gab es nie wirklich“. Momentan ist er einfach nur froh, wenn kein Lockdown ist.

2022 – das Jahr der Jugend?

In allen Gesprächen merkt man: Energielosigkeit und Motivationslosigkeit bestimmen immer mehr Facetten des Alltags der jungen Menschen. Man ist müde von der Pandemie und sieht weder Veränderungen noch ein Weiterkommen. Auch eine Studie der Bertelsmann Stiftung stellt fest, dass junge Menschen in Deutschland durch die Corona-Pandemie zunehmend mit Einsamkeit, psychischen Belastungen und Zukunftsängsten zu kämpfen haben.

Wird sich das im kommenden Jahr ändern? Im Dezember hat das Europäische Parlament das Jahr 2022 als das „Europäische Jahr der Jugend“ erkoren. Jungen Menschen in Europa soll wieder eine “positive Perspektive” gegeben werden, so der O-Ton. Genauer heißt es:

Im Europäischen Jahr der Jugend sollen die Prioritäten der Jugend in den relevanten EU-Politikbereichen und bei allen Entscheidungsprozessen besonders Beachtung geschenkt werden.

Wie viel sich tatsächlich für junge Menschen ändert, besonders von Seiten der Politik? Wer weiß …

*Name von der Redaktion geändert

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