Sie träumte von der weiten Welt, von Abenteuern und wilden Tieren – Carmen Rohrbach wusste bereits als Kind ganz genau wie sie sich das perfekte Leben vorstellte. Sie machte alle ihre Träume wahr, allen Widrigkeiten zum Trotz. In ihrem Vortrag „Sehnsucht nach Ferne“ blickt die Reiseschriftstellerin auf beeindruckende Erlebnisse in den vergangenen 40 Jahren ihres Lebens zurück.
Carmen Rohrbach ist ein gerngesehener Gast im Kulturzentrum Waitzinger Keller in Miesbach, hat sie bei ihren Multimedia-Vorträgen doch immer eine Menge neuer Zeugnisse ihrer Abenteuer und meistens sogar noch ein neues Buch mit im Gepäck dabei.
So auch wieder am vergangenen Donnerstag, als sie das Publikum im Gewölbe auf eine Reise durch ihr aufregendes Leben einlud. Mit zahlreichen Fotografien dokumentierte sie ihr Leben, ihre Reisen und Abenteuer und einen Ausschnitt daraus bekam das Publikum, angereichert mit unglaublichen Erzählungen und humorvollen Anekdoten, gezeigt.
Das Abenteuer beginnt
Der „eigentlich unabänderliche Weg“, wie ihn die Reiseschriftstellerin selbst nennt, begann in Bischofswerda. Dort kam sie als erstes von vier Kindern zur Welt und wuchs sehr naturverbunden auf: zelten und wandern mit der Familie, die ersten Tiere in ihrer natürlichen Umgebung erleben und erforschen. „Ich war schon immer anders als die anderen Kinder und sehr festgelegt in dem, was mich interessierte“, erzählt sie.
Denn während die anderen Kinder herumtollten, verzog sich die kleine Carmen lieber in den Wald, erforschte die Tierwelt, hegte eine große Leidenschaft für Geschichte und war fasziniert von den Abenteurern und ihren Erlebnissen in Büchern. „Ich wollte Forscherin werden und Expeditionen machen.“
Als sie das erste Mal von Meerechsen und ihrem Lebensraum auf den Galapagosinseln, einem einzigartigen Archipel in Ecuador, hörte, stand für sie fest: „Dort will ich hin.“ Viele Jahre später verwirklichte sich ihr Traum, doch dazwischen lagen noch so einige Hürden, die sie nehmen musste. Denn was die kleine Carmen damals noch nicht verstand war, dass sie in der DDR lebend, eigentlich nirgends auf der Welt so leicht hin konnte.
Fernweh mit Folgen
Nach ihrem Abitur studierte sie Biologie in Leipzig und als sie sich für eine Forschungsgruppe in der Mongolei bewerben wollte, wurde ihr bei der Begründung ihrer Ablehnung zum ersten Mal so richtig bewusst, wie weit ihre Träume von ihrer damaligen Realität entfernt waren. „Wir hatten Verwandte in West-Deutschland und es wurde angenommen, dass ich über die Mongolei zu ihnen flüchten könnte“, erzählt die Autorin bei ihrem Vortrag.
Wenn Carmen Rohrbach mit ihrem trockenen Humor darüber spricht, kann man nur erahnen, was diese Erkenntnis mit der abenteuerlustigen jungen Frau gemacht hat. Denn später floh sie über die Ostsee, wurde jedoch geschnappt und musste zwei Jahre ihre Strafe im Gefängnis Hoheneck im Erzgebirge absitzen.
Ein Traum erfüllt sich
„Danach wurde ich in den Westen verkauft, was ganz in meinem Sinne war“, erzählt sie unter den Lachern des Publikums. Ihre neugewonnene Freiheit nutze sie, promovierte am Max-Planck-Institut in Seewiesen und dann ging schließlich ihr größter Wunsch in Erfüllung: Sie wurde für eine Forschungsreise auf die Galapagosinseln geschickt, um dort ihre geliebten Meerechsen ein Jahr lang zu analysieren.
Dort lebte sie alleine, nur in einem Zelt und 1000 Kilometer vom Festland entfernt – was in vielen Beklemmung hervorrufen würde, war für Carmen Rohrbach der Traum vom Leben. „Danach hat sich alles verändert“, sagt sie. Denn dann begannen die zahlreichen Abenteuer an ganz besonderen Orten der Welt für sie.
Es waren keine bezahlten Forschungsreisen, die sie unternahm. Es waren ihre eigenen Abenteuerreisen. „Ich stellte mir selbst Aufgaben, erforschte die Länder und schrieb darüber Bücher.“
Eintauchen in andere Welten
Wie etwa ihre einjährige Reise durch den Jemen. Wo sie erst Arabisch lernte und dann mit Beduinen lebte, um danach alleine mit ihrem Dromedar „Al Wasim“ auf der Weihrauchstraße bis nach Shibam zu reiten. Meistens schlief sie ohne Zelt unter den Sternen oder blieb ein paar „Anstandstage“, wie sie sie nennt, bei Einheimischen, welche es gar nicht fassen konnten, dass die Deutsche die arabisch sprach alleine herumreiste.
„Ich bin zwar mutig, aber nicht leichtsinnig“, antwortet sie auf die Frage, ob sie nie Angst gehabt hätte. Sie habe sich zehn Jahre auf die Reise in den Jemen vorbereitet. Gerade als Frau hätte sie viel tiefer in die Welt der Bewohner eintauchen können und sei viel geschützter gewesen als es vielleicht ein Mann an ihrer Stelle gewesen wäre.
Wildnis, Dschungel, Wüste
Atemberaubende Aufnahmen von ihren Reisen rufen im Publikum immer wieder erstaunte „Ahs“ und „Ohs“ hervor. Langweilige Strandurlaube in Italien sucht man bei Carmen Rohrbach vergebens. „Es musste immer Wildnis, Hochgebirge, Wüste oder Dschungel sein“, erzählt sie im Gespräch.
Sie hätte immer nach einem roten Faden auf ihren Reisen gesucht. Wie etwa in Island die Vulkane, auf den Philippinen die Ureinwohner oder in Namibia die Massai. „Ich habe auch ein Jahr lang ganz alleine in einer Hütte in Kanada im Nirgendwo gelebt, aber sonst nichts vom Land gesehen.“ Menschenleere Gegenden zögen sie immer wieder an. „Da weitet sich mein Herz“, sagt sie.
Was Carmen Rohrbachs Reisen ausmacht ist, dass sie tief in die Seelen der Länder eintauchte, oft die Sprachen lernte und vor allem die Tierwelt erforschte, wenn auch nur noch für sich selbst und ihre Leser. „Ich kann den ganzen Tag warten bis ein Tier aus dem Wald herauskommt, aber wenn ich selbst etwas tun möchte, bin ich schrecklich ungeduldig“, sagt die Forscherin.
Wenn sie selbst ihrem jüngeren ich etwas hätte sagen können, dann wäre es folgender Tipp gewesen: „Hab mehr Geduld. Die Erde ist zu groß und das Leben ist zu kurz.“ Wie viele Länder sie in Summe bereist hat? Bei der Frage muss sie passen, sie habe nie mitgezählt. Ein Sehnsuchtsort bleibt ihr jedoch wohl für immer verwehrt: die russische Halbinsel Kamtschatka. „Ein Paradies voller Vulkane und Bären.“
Abenteuer ein Leben lang
Carmen Rohrbach hat zwar ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland gefunden, „aber so lange ich gesund bin, reise ich weiter.“ Es gäbe zwar nicht mehr allzu viele Gegenden auf der Erde, die sie noch anziehen würden, da vielerorts schon „viel von uns Menschen beeinflusst ist“. Aber ein paar Abenteuer hat die Schriftstellerin noch auf ihrer Liste.
Als nächstes geht es für sie nach Skandinavien. Und auch von dort wird sie wieder mit einer Vielzahl an beeindruckenden Fotos, Eindrücken und Erzählungen heimkehren. Genauso wie die Abenteurer ihrer Kindheit sie beeinflussten, lösen auch ihre Geschichten in den Menschen etwas aus – und wenn es nur das Fernweh ist.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im Online-Magazin KulturVision am 18.03.2024 | Ein Beitrag von Selina Benda.
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