Schon immer haben die einheimischen Familien die Geschicke der Menschen im Tegernseer Tal bestimmt. Sie haben sich eingemischt in Politik und Wirtschaft. So auch die Wiesseer Familie Beil. Ohne Hotelier und Naturschützer Anton Beil würde es die Ringseeinsel wahrscheinlich nicht mehr geben.
Über Jahrzehnte hinweg, so erzählt es die 81-jährige Witwe Maria Beil, widmete sich ihr Mann ehrenamtlich „seinen“ Vögeln und der Insel, während beide dem Bestand des Hotelbetriebs verpflichtet waren. „Verwegene Geschichten“ aus einer anderen Zeit.
Von königlichem Glanz zum abgewohnten Überrest
„Richtig Balkan, nicht wahr?“, notierte Bad Wiessees Begründer Dr. Adrian Stoop in einem Brief, als er auf einmal Besuch in seinem Hotelzimmer bekam. Einer der Herren war kein Geringerer als Bulgariens König Ferdinand I., der sich sein Zimmer ansehen wollte. „Ich nehme es, aber nur, wenn Sie das Hotel nach mir benennen!“ Schnell war sich der königliche Interessent mit Pensionswirtin Maria Beil handelseinig. Die geschäftstüchtige, zweite Frau von Michael Beil, der zusammen mit Schwiegervater Johann Lärch die Pension im Jahr 1901 erbaut hatte, hatte nichts gegen den Namen „Rex“.
So oder ähnlich könnte sich die Szene in den 1920er-Jahren abgespielt haben. Der bulgarische Regent kam drei Jahre lang hintereinander in „sein Hotel“ zur Sommerfrische, das damals zu den größten und besten im Tal gehörte. Auf den königlichen Gast folgten viele bekannte Persönlichkeiten. Jegliche Prominenz, die etwas auf sich hielt, nächtigte hier: Boxweltmeister Max Schmeling, die Familien Krupp und Hentschel sowie Richard Strauß und etliche andere.
„Der architektonisch beachtenswerte Bau enthält allen Komfort: geräuschlos fließend kaltes und warmes Wasser, vollkommen ruhige, sonnige und staubfreie Lage … es wird nur mit reinster Tafelbutter gekocht …“ (aus dem Prospekt von 1930)
Der Fremdenverkehr florierte immer mehr, und so vergrößerte sich das Haus schnell auf 120 Betten. Doch die Geschäfte sollten nicht mehr allzu lange so gut laufen, denn dann kam der Krieg. Anton Beil, der Sohn der geschäftstüchtigen Maria, war gerade mal 17 Jahre, als er eingezogen wurde. Maria Beil, seine spätere Ehefrau, die gleich nebenan aus dem „Haus Sonnwend“ stammte, gerade mal elf.
Für das „Rex“ brachen schwierige Zeiten an. Für viele Hoteliers – auch für die Beils ‒ hieß es, sich durchzubeißen. Das Haus wurde 1943 als Luftwaffenlazarett beschlagnahmt, zwei Jahre später von den Amerikanern besetzt. Als diese sich 1948 zurückzogen, war vom königlichen Glanz des Hauses nicht mehr viel übrig. „Als der Krieg aus war, war das Haus abgewohnt, verwahrlost und geplündert“, erinnert sich Maria Beil.
Große Liebe gewonnen – bayerischen Charme verloren
Die Freude der Familie war groß, als Anton Beil Weihnachten 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrte. Anton war mit dem Leben davongekommen, jedoch gesundheitlich schwer angeschlagen. Der Krieg und fünf Jahre Sibirien hatten seine Spuren hinterlassen. Unter den Folgen eines Kopfschusses und seiner erfrorenen Füße sollte er noch lange zu leiden haben. Das psychische Martyrium, das er durchgemacht haben musste, konnten seine Verwandten nur erahnen.
Doch Maria und Anton fanden einander und heirateten. Neben Antons Gesundheit wurde auch das Hotel neu aufgebaut. „1956 haben wir es bis zum ersten Stock abgerissen“, erzählt Maria. Doch seinen gewohnten bayerischen Charme des Hauses hatte der Krieg mitgenommen. Jetzt baute man anders. „Weg von dem Lederhosen-Stil, etwas Neues muss her …“, heißt es in einem Schreiben der oberen Baubehörde. So zeigte sich das Hotel bald mit einem neuen Gesicht.
Geschundene Insel ‒ unvergessener Ornithologe
Während das Hotel in den 1960er-Jahren durch Filmaufnahmen für die Serie „Der Kommissar“ mit Götz George, Sonja Ziemann und Horst Tappert berühmt wurde, sollte sich Anton Beil mit seinen Verdiensten um den Naturschutz auf der paradiesischen Insel unvergesslich machen. Bereits 1978 erwirkte er ein totales Betretungsverbot für die „geschundene Insel“, die von Wassersportlern und Nachtschwärmern so oft betreten wurde, dass sie schließlich in zwei Stücken lag. Von 1930 bis 1975 war sie um fast ein Drittel geschrumpft.
1982 schließlich die Rettung – nach dem Einfordern durch Anton Beil, den Naturschutzbeauftragten Volker Herden sowie Ex-Landrat Wolfgang Gröbl: das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim wurde mit der Rekultivierung auf Staatskosten beauftragt. 400 Pfähle wurden auf 200 Metern in den Boden eingebracht und mit Weidenruten verflochten. Die Ruten fingen an, auszuschlagen, konnten Wasserpflanzen einfangen. So entstanden wieder Fischlaichplätze, die Inselteile wuchsen langsam wieder zusammen.
„Alles für die Tiere“
Beinahe wäre sie untergegangen – jetzt konnte sich auf und rund um die Insel wieder naturnahes Leben entfalten. Haubentaucher, Reiherenten, Eisvögel: Anton Beil fing an, sie zu zählen. Und sich um sie zu kümmern. Jahrzehntelang war er Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz im Landkreis. Auch zu Hause bei den Beils fand man häufig gefiederte Gäste. Denn Anton nahm alle auf, die verletzt waren, die man aufziehen oder denen man helfen musste. Aus dem ganzen Landkreis wurden sie nach Bad Wiessee gebracht.
„Er gab alles für die Tiere“, erinnert sich Ehefrau Maria. Heuer hätten sie 60-jähriges Hochzeitsjubiläum gefeiert, erzählt sie. Viel zu früh war Anton verstorben. Nach einer letzten Inspektionsfahrt zu Insel und Nistplätzen konnte er es am 8. Juli 1984 gerade noch nach Hause schaffen, bevor er am plötzlichen Herztod starb.
Egal, ob Uhu, Falke, Möwe oder Schwan ‒ viele Vögel hatte er retten können. Sogar die Beilsche Badewanne wurde Heimat für sie, wenn es notwendig war. Tiere waren hier genauso zu Hause wie die vier Kinder von Maria und Anton. Die ganze Familie engagierte sich für den Vogelschutz. Nach Antons Tod trat Sohn Josef in seine Fußstapfen.
Das Hotel Rex sowie das Betretungsverbot der Insel bestehen bis heute. 86 Betten kann man aktuell in dem Haus mieten, etliche waren zusammengelegt und mit Bad und WC ausgestattet worden. Immer noch wird es im Familienbetrieb geführt. Genauso wie Maria Beil haben auch die Enkelinnen Maria und Isabella das Hotelfach erlernt.
Ähnlich wie vor Jahrzehnten spielen auch heute noch die Kleinkinder – so wie Marias Urenkelin Josefine ‒ an der Theke. Oder an dem großen Schaukasten mit den vielen bunten Vögeln, die Anton Beil nicht retten konnte. Sie wurden ausgestopft und ausgestellt im Foyer des Hotels, um an den unvergessenen Ornithologen zu erinnern.
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