Als der Urgroßvater von Elisabeth Winkler-Rottenstein, der jetzigen Inhaberin, im Jahre 1903 seine Schneiderwerkstatt gründete, dachte er wohl nicht im Traum daran, dass sich seine Joppen und Anzüge einmal in die ganze Welt verkaufen würden. In den siebziger Jahren übernahm Elisabeths Vater, Josef Winkler, den Betrieb.
Seit 2002 ist Elisabeth Winkler-Rottenstein die Chefin. Doch der Papa arbeitet immer noch mit, trotz seiner mittlerweile 81 Jahre. Zusammen mit den Kindern Verena und Josef stehen somit drei Generationen Winkler täglich in der Werkstatt, die ein wenig versteckt im beschaulichen Kreuth liegt. Ein paar Stufen führen in die beiden Räume im Souterrain eines Wohnhauses hinab, die Werkstatt und Stofflager beherbergen.
Berufserfahrung in London und Paris
„Die Kinder haben daheim gelernt“, erzählt die Chefin, „aber nach der Lehre sollten sie dann auch mal raus“. Die 24-jährige Verena hat diesen Schritt schon hinter sich. In London arbeitete sie bei einem klassischen Herrenschneider und in Paris durfte sie sich in der Kostümabteilung an der Oper ausprobieren.
Doch obwohl da draußen die große weite Welt lockt und man mit einem Zeugnis von der Schneiderei Winkler wohl in den renommiertesten Häuser arbeiten könnte, hat es Verena irgendwann nach Hause zurück gezogen. „Da bin i hoit dahoam“, sagt sie bescheiden und steckt behutsam ein paar Nadeln in das edle Stück Stoff vor ihr auf dem Tisch.
Sechs Monate Wartezeit
Wenn man in der Schneiderei Winkler arbeitet, kommt die große weite Welt sowieso früher oder später von selbst zur Tür herein. Bis nach Amerika verkaufen die Kreuther ihre Kleidungstücke. Zu den Kunden zählt der Adel ebenso wie Unternehmer oder einfache Handwerker aus der Region.
Die Trachtenanzüge und Jacken aus feinem Loden, Leinen, Flanell oder Kammgarn werden immer individuell auf Maß geschneidert, dementsprechend lange sind die Wartezeiten. „Rund sechs Monate vorher sollte man bestellen“, empfiehlt die Chefin und betont: „Die Auftragslage ist sehr, sehr gut“.
Wenn die Arbeit dann endlich beginnt, geht es allerdings recht flott. Schon nach zwei Anproben und drei bis vier Wochen ist das maßgefertigte Stück fertig. Beliebt sei dabei vor allem die klassische Tegernseer Joppe. Einst von den Wittelsbachern aus der Steiermark mitgebracht und am Tegernsee eingeführt, gilt sie auch heute noch als klassische Tegernseer Trachtenjacke, die aus den verschiedensten Stoffen hergestellt wird.
Nur der Schnitt ist immer derselbe. Markant ist die offene Falte am Rücken und die echten Hirschhornknöpfe. Rund 40 Arbeitsstunden benötigen Elisabeth Winkler-Rottenstein und ihre Familie für solch ein Kleidungsstück. „Aber das hält dann auch für die Ewigkeit“, sagt die Handwerksmeistern und bringt die Faszination ihres Berufs auf den Punkt.
Ich sehe was von meiner Arbeit, auch noch nach Jahrzehnten.
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