Riskante Mobilität im Alter

Ob in den Maibaum oder in den See – ältere Menschen sind im Tal mit ihren Autos schon an so einigen Ecken hängen geblieben. Häufig gehen die Fahrfehler glimpflich aus – manchmal aber auch tödlich. Auch die Statistik sagt: Immer häufiger kommt es zu Unfällen, die durch Senioren verursacht werden.

Eine 83-Jährige ist im Juni gegen den Maibaum in Rottach gerast
Eine 83-Jährige ist im Juni gegen den Maibaum in Rottach gerast.

Eigentlich ist das Fahren als Rentner nicht riskanter als in anderen Altersgruppen – das besagen zumindest die statistischen Daten. Doch man muss einschränken: Lediglich bis zum 75. Lebensjahr geht von älteren Verkehrsteilnehmern kein erhöhtes Risiko aus.

Danach steigt die Wahrscheinlichkeit für einen selbstverschuldeten Unfall kontinuierlich an: Bei einem Fahrer Ende 70 ist das allgemeine Risiko doppelt so hoch wie bei Pkw-Lenkern zwischen 30 und 60 Jahren. Bei einem Fahrer mit Ende 80 ist es dann mit demjenigen von Fahranfängern – die absolute Risikogruppe – vergleichbar. Auch im Tegernseer Tal kommt es immer wieder zu Unfällen, an denen Senioren beteiligt sind.

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In dem Maibaum gekracht

Ende Juni dieses Jahres krachte eine 83-jährige BMW-Fahrerin in den Rottacher Maibaum. Nachdem die Frau beim Ausparken vom Seitenstreifen gegen einen LKW gefahren war, raste sie quer über die Hauptstraße auf den Parkplatz, auf dem der Maibaum stand.

Dass bei dem Unfall nicht mehr passiert ist, grenzt an ein Wunder. Zwar mussten die Rottacherin und ihr 89-jähriger Ehemann ins Krankenhaus gebracht werden. Verletzt wurden sie aber nur leicht. Die Ermittlungen ergaben, dass die Frau wohl in der Aufregung den Vor- und Rückwärtsgang ihres Automatikautos verwechselt hatte.

Im Juni 2014 versenkte ein 76-Jähriger seinen Jeep fast im Tegernsee. Der Mann hatte das Autos auf einem zum See ausgerichteten Privatparkplatz abgestellt. Aus Versehen rutschte er mit dem Fuß vom Bremspedal seines Fahrzeugs, weshalb das Auto einen Satz nach vorn machte. Dadurch hing der Wagen nun mit der vorderen Fahrzeughälfte über der Mauer und zugleich über dem See.

Wenn Unfälle tödlich enden …

Zu einem tödlichen Unfall kam es im Mai 2015 an der Naturkäserei in Kreuth. Ein 88-jähriger PKW-Fahrer wollte gerade in Richtung Wallberg abbiegen, als er den 60-jährigen Münchner, der ihm auf seinem Motorrad entgegenkam, übersah. Das Motorrad mitsamt Fahrer wurde unter ein anderes Auto geschleudert. Schwerverletzt wurde der 60-Jährige in ein Krankenhaus gebracht, in dem er wenig später seinen Verletzungen erlag.

Die Polizeiinspektion Bad Wiessee ging damals davon aus, dass der Unfall durch die „Altersschwäche des Autofahrers“ verursacht wurde. Noch schlimmer ein Fall im April 2012. Eine 91-Jährige fuhr vor der “Überfahrt” mit ihrem Wagen in den Tegernsee. Nur die Frau konnte aus dem Auto befreit werden. Ihre beiden Mitfahrer ertranken.

Im April 2012
Im April 2012 raste eine 91-Jährige mit ihrem Mercedes in den Tegernsee. Zwei Menschen starben.

Auch in den Verkehrsstatistiken wird seit einigen Jahren gesondert auf Unfälle mit Beteiligung von über 70-Jährigen geachtet. So konnte 2015 auch im Tal wieder ein Anstieg verzeichnet werden: Insgesamt 176 Unfälle wurden im Tal von Rentnern verursacht. In 24 Fällen wurden Personen verletzt.

2014 waren es dagegen noch 142 sogenannte „Seniorenunfälle“. Häufigste Unfallursache waren in 81 Fällen Fehler beim Wenden oder Rückwärtsfahren, in 26 Fällen Vorfahrtsverstöße, 16 Auffahrunfälle, sowie in 35 Fällen Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot beziehungsweise Fahrfehler.

Fahrtests sinnvoll?

Viele Experten raten daher seit Jahren zu einer Art Fitnesstest im Alter, um die Verkehrstauglichkeit fest- beziehungsweise sicherzustellen. Auch laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Deutschen Verkehrssicherheitsrats im vergangenen Jahr hält jeder zweite Autofahrer solch einen Test für sinnvoll.

Anfang dieses Jahres forderten die Grünen sogar einen verbindlichen Fahrtest für alle über 75-Jährigen. Die Regierung lehnte diesen Vorschlag allerdings ab. Man wolle die Autofahrer nicht bevormunden. Doch die Zustimmung für regelmäßige Tests sinkt genau bei der Gruppe, die davon „betroffen“ wäre: Nur 36 Prozent der über 60-jährigen Autofahrer sind bereit, sich testen zu lassen. Deutschland ist damit eines der wenigen Länder in Westeuropa, die den sogenannten „Rentner-TÜV“ bisher nicht eingeführt haben. Bei vielen Menschen stößt das auf Unverständnis.

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