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Draußen grasen die Pferde auf der Waakirchner Koppel. Drinnen in der Stube erwarten uns Alexandra und ihre Mutter Manuela bereits mit gutsitzender Flechtfrisur. Auch weiße Strumpfhose, Dreh-Unterhose, Unterrock, Unterhemd, Janker und das sogenannte „Schmiesel“ – ein traditionelles weißes Oberteil, hat Alexandra schon angezogen. Sämtliche Haar- und Anstecknadeln, Blumen, Schmuck- und Kleidungsstücke liegen im Wohnzimmer bereit. Dann kann es losgehen.
Alles soll an der richtigen Stelle sitzen
Mutter Manuelas Aufgabe ist es seit jeher, der 19-Jährigen beim Anziehen der sogenannten „Tracht 2“ zu helfen. Insider wissen: allein schafft man das kaum. Dabei handelt es sich um das „Tanzmieder“, das traditionell zum Gaufest ausgeführt werden soll. Daneben gibt es noch die „Tracht 1“ – ein fast noch festlicheres Mieder, das lange Ärmel sowie seidene Elemente aufweist und beispielsweise zu Hochzeiten getragen wird.
Doch zurück zum „Tanzmieder“, das sich im Waakirchner Wohnzimmer Stück für Stück zur Festtagstracht formiert. Alexandra ist stolz, es zu tragen. Seit sie denken kann, ist sie im Trachtenverein, genau wie die anderen Familienmitglieder auch. Inzwischen sind sie und ihre Mutter auch im Vereinsvorstand, haben die Funktion der Kassiere übernommen.
Und auch noch kein Gaufest haben die beiden ausgelassen. Bei dieser jährlich stattfindenden Veranstaltung geht es für eingefleischte Trachtler darum, möglichst viele Punkte zu erreichen. Diese kann man durch die Aufführung von Tanzeinlagen erreichen, aber auch dadurch, dass man vor der Jury in einer möglichst authentischen Tracht erscheint, die über alle vorgeschriebenen Bestandteile verfügt.
Ein Erbe mit Verpflichtung
Das Mieder hat Alexandra von Mutter Manuela geerbt. Diese trägt als Verheiratete Frau nämlich kein Mieder mehr, sondern einen sogenannten „Schalk“. Mieder tragen die unverheirateten Frauen eines jeden Trachtenvereins. In jedem Verein ist das Design und die Machart ein bisschen anders. „Seit den 1980er Jahren sieht unser Mieder so aus“, erzählt Manuela und macht unter dem Reden flugs das Deckblatt des Schmiesels fest. „Da muss man alles schön befestigen, denn das soll ja auch den ganzen Tag halten und ordentlich aussehen.“ Sie steckt alles mit mehreren Sicherheitsnadeln fest.
Anschließend wird das Schmiesel am Janker fixiert. Das Prunkstück der Tracht ist jedoch der sogenannte „Panzer“, der jetzt integriert wird. Den hatte Alexandra zu ihrer Firmung bekommen, erfahren wir. Zwischen 400 und 800 Euro kostet so ein schwarzes Teil – einer Art Korsett nicht unähnlich, schätzt Manuela – aber ohne die silbernen Haken, an dem später das Geschnür eingehängt wird.
Ein gestärktes, weißes Tuch findet seinen Platz. Es wird vorne ins Oberteil hineingeschoben und dann mit silbernen Eichennadeln befestigt. Die Kunst ist die, das Tuch am Schmiesel festzustecken und zwar so, dass alles super sitzt und man nicht aus Versehen dem Miedermadl Verletzungen zufügt.
Schritt für Schritt zur Festtagstracht
Anschließend ist der Rock an der Reihe. Er hat eine unheimliche Fülle. „4,5 Bahnen Webstoff sind verarbeitet, weil das beim Drehen gut ausschauen muss“, berichtet Alexandra. Das Muster – schwarz, grün, gold, orangene Streifen – ist im Verein schon seit 100 Jahren, also dem Gründungsjahr 1919, festgelegt. Der Rock mit dem schönen Namen „Boin-Kittl“ wird also per Knopf-und-Gummiband am Panzer fixiert.
Weiter geht es mit der Schürze, die bei unverheirateten jungen Frauen wie Alexandra links per Schleife gebunden wird. Jetzt wird es kompliziert, denn jetzt kommt das silberne Geschnür. Dies ist eine sechs Meter lange silberne Kette, genannt „Erbskette“ mit angehängten Elementen, also mehreren Silbermünzen, einem Pferdeanhänger, einem Bierkrügerl, Eicheln sowie einem Schlüssel. Was drangehängt ist, ist wieder individuell.
Auch beim Einhängen des Geschnürs in den Panzer hat Manuela ihr eigenes, ausgeklügeltes System entwickelt. Sie fängt unten links an, dann drückt sie den Panzer zusammen, zieht an und schnürt die ganze Alexandra fest in ihr Trachtengwand ein. „Das Geschnür muss sitzen, sonst wird‘s halt dreimal aufgemacht. Jedenfalls will ich nicht, dass das um zwei am Nachmittag durchhängt.“ Deshalb wird es sauber zugezogen, damit es gut aussieht.
Die Regeln sind streng
Wieder wird es mit Eichelnadeln festgesteckt, dann einmal hinten herumgefahren mit der Kette und vorne nochmal alles feststecken. In kleinen Bogen hängt die Kette vorne nun drapiert herunter. Alles wird mit dem sogenannten „Geschnür-Stecker“, der vergoldet ist und Glassteine aufweist, festgesteckt.
Im nächsten Schritt geht es um‘s Ausschmücken. Dazu liegen Blumen und Grün bereit. Manuela hat sich für Rosen und Bux entschieden. Damit die Blumen länger frisch bleiben und das ganze besser „rutscht“ beim Befestigen, hat sie kleine Büschel mit Alufolie zusammengebunden.
Welche Blumen verwendet werden, ist wieder Geschmackssache. Rosen oder Nelken sind beliebt. Als Grün nimmt man Almenrausch, Asparagus oder eben Bux. Sind Blumen und Grün befestigt, so werden dann der Trachtenhut, ein samtener grüner Scheibling mit einreihiger Schnur, Rose und Gamsbart, per Gummiband am Flechtdutt befestigt. Pony ist übrigens nicht erlaubt, erfahren wir. Auch eventuelle Tatoos müssen abgedeckt werden. „Sowas gibt Punktabzug bei der Bewertung“, weiß Alexandra.
Gut vorbereitet für den “Großen Tag”
Auch müssen es Trachtenohrringe sein, die das Miedermadl trägt. Haarnadeln sind ebenso Pflicht. Und last but not least kommt noch die sogenannte „Kropfkette“ um den Hals, die ebenfalls eine silberne „Erbskette“ sein muss. Farbliche Experimente sind hier nicht erwünscht. Alles soll den ursprünglichen Traditionen folgen.
Alexandra freut sich, dass das Mieder so gut sitzt. „Im kurzen Mieder kann man sich gut rühren“, lobt sie die kurzen, grünen Ärmel. Das Grün als Farbe ist in Waakirchen übrigens auch festgelegt. Im seidenen Mieder sei man mit den langen Ärmeln schon eingeschränkter.
Geschafft: Alexandra und Manuela können jetzt sicher sein, dass von seiten ihrer Familie alles perfekt vorbereitet ist für das Gaufest, das am Sonntag, 28. Juli in Waakirchen stattfindet.
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