Das Orakel von Gmund

Er ist Schauspieler und Kabarettist aus Leidenschaft. Als „Semme-Arbad“ (für Zuagroaste: Brötchenjob) macht der Kreuther Florian Oberlechner jedoch in Immobilien. Kein Wunder also, dass er die rund um den See geplanten Bausünden zum Hauptthema seiner Fastenrede erhob.

„Die Weid ist doch ned unterganga.“ So startete der „Flickä“ seine Rede am Freitagabend im vollbesetzten Saal am Gmunder Gasteig. Neben Bürgermeister Georg von Preysing samt Stellvertreter, Teilen des Gemeinderates sowie „Promi-Wirt Peter Hubert“ ließ es sich auch Nico Schifferer – seines Zeichens ebenfalls Fastenprediger im Bräustüberl – nicht nehmen, die launige Rede im Köck zu verfolgen.

Li-Pizza-ner. Kometeneinschläge. Ex-Pontifex.

Zuerst redete sich „der verwirrteste Bayer, den ihr eich fir an Haufn Eintrittsgeid bsteid habts“, mit Allgemeinplätzen warm. Die Kosten der Wiedervereinigung, Kochsendungen, Gerichtsshows und andere Seifenopern sorgten für so manchen Lacher im Publikum.

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Immer wieder wieherte Oberlechner zwischen seinen Einlagen. Eine Anspielung auf „Ilse-Hasis“ Verbraucherschutzpolitik und die drei Lebensmittelskandale in den vergangenen zwei Monaten. „Transparenz bedeit fei ned, dass Fleisch in Klarsichtfolie eipackt werdn muaß“, so sein Rat an Ministerin Aigner.

Über Li-Pizza-ner, Seepferdchen in Fischstäbchen, Öko-Eier und Kometeneinschläge in Russland landete der Prediger schließlich beim Ex-Pontifex – und damit im Tegernseer Tal. Jetzt nach dem Rücktritt hätte Benedikt endlich die Zeit, sich seiner eigentlichen Bestimmung zu widmen – und die Einladung vom Baier Flori zum Patronatstag der Gebirgsschützen anzunehmen.

Baugenehmigungen in Sekundenschnelle

„Tröööt.“ Oberlechner nutzte das Überraschungsmoment und erschreckte so manchen mit seiner Lärmattacke. „An der Kreizstraß drauß kaft grod wieda oana a Lederhosn“ – seine Anspielung auf den „Trachten-Drive-in“ im äußersten Norden des Tals. „Tröööt“ – „Ein aufblasbarer Georg Bromme glangt dir 100 Euro rauf“, spann er den Faden mit dem Drive-in auch auf andere Bereiche weiter.

„Tröööt.“ Im Eiltempo bekäme man zurzeit auch so manche Baugenehmigung. So leitete er den Hauptteil seiner Predigt ein. „Aba aufpassn – solltst a Einfamilienhaus beantragt ham, glangts vielleicht bloß fir an Schuaschachtl“, warnte er.

Die Kellnerinnen – sie schleppten schwer an den vielen Krügen, die die Besucher an ihre Tische orderten. Und Oberlechner redete sich so richtig in Rage. Gegen willkürliche Bebauung gäbe es ja Vorschriften. „Doch der Blotz, wo de Kinda aufwachsn soin, werd langsam knapp“, vermittelte er den Zuhörern seinen Eindruck.

„Dinner for koan“ in Rottach

In Rottach koste ein Haus am See annähernd so viel wie damals die Mondlandung. Wie gut, dass es jetzt das Landbaderfeld in Dürnbach gäbe – „danke Gmund – danke Dürnbach.“ Die Orte, an denen Einheimische noch bauen könnten, sie seien knapp. „Unterwallberg, Glashütte, Schwarzentenn, Moosrain“, grenzte er sie ein. Und weil er eh schon in Gmund angekommen war, machte er einen kleinen Ausflug in die Kommunalpolitik.

„Tu mir nix, i hob nix gsuffa“, würde vielleicht ein Kreuther denken, wenn einer sagt: „de Greana kemman“. Wo doch eigentlich ein jeder weiß, dass damit die rund um den See bekannten einzigen beiden grünen Ratsmitglieder aus Gmund gemeint seien. Der Ausflug gestaltete sich kurz, schon war er wieder beim Hauptthema angelangt.

„Dinner for koan – koa Sir Toby, koa Admiral von Schneider, koa Pommeroy und koa Mister Winterbottom is kemma – bloß da Siebach Julian.“ Geschickt würde dieser es verstehen, das Rottacher Seeforum vor vorzeitiger Abnutzung zu bewahren. Schließlich sei das bei einer Bausumme von 5,5 Millionen auch notwendig. „Was häd des erst kost, wenn de des gscheid gmacht hättn“, orakelte er – zum Beispiel mit ein paar mehr Toiletten im ersten Stock als drei für 500 Besucher.

An Wiessees Glanzzeiten anknüpfen

Oberlechners Abrechnung mit den Lokalgrößen – sie war deftig und ging rund um den See. Bloß in Kreuth tue man sich wie immer schwer, Themen zu finden. Wo dort doch Spitzensportler und geschützte Birkhühner die einzigen Aufreger seien.

Gmunds Bürgermeister Georg von Preysing war ebenso anwesend, wie ein Teil des Gemeinderates

Zwar nie unter der Gürtellinie, langte er trotzdem richtig zu. Die „Männerfreundschaft zwischen Sareiter und Höß“ brachte er genauso aufs Tablett wie Bürgermeister ohne – und mit – Gegenkandidat („Ja, Kreuth und Gmund: des gibt’s wirklich!“).

Wie könnte Bad Wiessee wieder an seine Glanzzeit vergangener Jahre anknüpfen? Jedenfalls wäre es schon ganz schön, wenn man im Tal auch im Winter irgendwo schwimmen könnte – mit oder ohne Kinder. Oberlechner findet jedenfalls, dass das Warmbad auch jetzt ganz gut gefüllt sei. „Aba vielleicht liegt des ja a an meim Volumen.“

Weitere Aufreger der vergangenen Monate

In jedem Fall gleiche das Tauziehen um Grundstückseigentümer langsam einem wahren Monopoly-Spiel. Und da seien sie alle mit dabei. Oberlechner kam von einem zum anderen Aufreger der vergangenen zwölf Monate: Tegernseer Seesteg, Almdorf und Krankenhausareal, Wiesseer Hotel Lederer und geplante Therme, um wieder bei seinem persönlichen Wunsch anzugelangen.

„Dass in zwanzg Jahr ned mehra Arbeit für Totngraber, Dokta und Apotheker gibt als fir Kindagärtner und Lehrer.“ Zukunft für Einheimische – nicht nur das Anliegen des Fastenredners. Ein Trost bleibt auch bei vermeintlich düsteren Zukunftsaussichten: „Ein super Sää, sauberer als so manche Politikerweste.“

Xaver und Iwan Iwanowitsch – die Krönung des Abends

Nach der kurzen Pause war das Publikum mächtig in Fahrt. Das Bier floss – die Stimmung kochte – im Saal eine heiße, schwüle Luft. Die Gelegenheit für die Schauspieler Silvester Leo und Anian Roth, dem Immobilienwahnsinn noch so richtig eins draufzusetzen. Das eingespielte Team aus Heimatverkäufer (Leo) und Vollblutrusse Iwan Iwanowitsch (Roth) machte sich auf rund um den See, stets auf Schau nach Immobilienobjekten.

Von links: Silvester Leo und Anian Roth als Heimatverkäufer und Russe

„Was das“, Roth spricht es mit stark übertriebenem russischen Akzent in seiner „wie-Bär-Verkleidung“: dicker Mantel, schwere Stiefel, Tierfell. So muss ein „Iwan Iwanowitsch“ aussehen.

„Sie meinen das Almdorf? Das wird ein Projekt für junge Tegernseer. Da reichen ja sieben Hütten“ – Leos treffliche Antwort in Anspielung auf die demografische Entwicklung der Stadt. Volle Breitseite gegen die Ostseite des Sees. Leo kam von Chinesen über griechische Italiener und Döner Dehli zum Bräustüberl. „Urigliche Traditionswirtschaft?“ Iwans Frage wurde sofort verneint. „Nicht mehr – ich habe auch keinen Tisch reserviert!“

„Sääähr viel Geld fir altes Glump“

Über den Seesteg „was, umgefallener Zaun in See?“, wo der Zentimeter 50 Euro koste, kamen die beiden zum allzu bekannten Schuhschachtelgebäude. „Sieht sich aus wie Gebeide von Tschernobyl.“ Dann aber gleich zum Seeforum, oder wie esLeo zu verkaufen versuchte: „Ideal für gemütliche Familienfeiern – so exklusiv, dass gleich keiner gekommen ist.“ Das Publikum johlte. Das Duo nahm es mit noch weiter südlich.

„Ins Naherholungsgebiet mit verschissenen Waldwegen und dem letzten Schwimmbad vor der Grenze.“ Fehlanzeige für russische Kaufinteressenten auch am Ringsee und ein bisschen weiter. „Greawasserl? Das ist Bibergebiet, und der Sonnenbichl gehört dem Audi.“

Ein Fünftwohnsitz mit Golfplatz, U-Boot-Haltestelle am See, Schwimmbad und „Wohnungs-Wohnung für Angestellte“ mit viel Altholz, das wär’s. Leo bezifferte alles mit 426 Millionen. „Sääähr viel Geld fir altes Glump“, so Iwan Iwanowitsch. „Kauf ich mir lieber gaaanze Schweiz.“ Darauf einen guten Böck vom Köck. Dass d’Gurgl ned verrost.

Alles – nur nicht langweilig – diese Ansage hatte sich am Freitagabend bewahrheitet. Die Kunst der gekonnten Unterhaltung haben sowohl Oberlechner als auch Leo und Roth seit Jahren drauf. Dabei wissen sie offenbar auch, dass sie sich auf einem schmalen Grat bewegen. Zwischen Provokation und „political correctness“. Die Themen anzusprechen, ohne absolute Abrechnung mit der Politik zu bringen, darauf kommt es an. Dann können die Derbleckten auch mitlachen.

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