Gleichzeitig gibt es Gerüchte, die Bayerischen Staatsforsten betrieben auch im Tal Kahlschlag zu Schleuderpreisen. Verträge, die ausländischen Firmen große Holzmengen garantieren, würden dazu zwingen. Was ist dran?
Die Aufregung über den Breitenbach-Sonnseitenweg in Bad Wiessee ist groß: Riesige Schneisen seien von den Staatsforsten in den Wald geschlagen worden. So kommen die Holzerntemaschinen besser an den Staatsforst, der hinter dem Hirschberg liegt. Und so kann das geerntete Holz besser abtransportiert werden. Anwohner und Wanderer vermuten Kahlschlag und den Verlust „ihres Waldes“. Die Schuld soll ein österreichisch-russischer Holzhändler tragen. Dafür sorgen Knebelverträge, die die Staatsforsten vor Jahren abgeschlossen haben und die sie nun zwingen, mehr Holz zu schlagen als nachwächst ‒ wie in Nordrhein-Westfalen. So weit zu den Gerüchten.
Die Lieferverträge mit dem Holzlieferanten Klausner, dessen Landsberger Sägewerk mittlerweile der russischen Ilim Timber Industrial Limited gehört, bestätigt Philipp Bahnmüller, Pressesprecher der Bayerischen Staatsforsten, ohne Umschweife. Die Verträge seien unter dem Eindruck der damaligen Sturmschäden entstanden. Die offiziellen Stellen rechneten mit weiteren durch den Klimawandel bedingten Stürmen.
Man wusste nicht, wo man das Holz verarbeiten sollte. Deshalb wurde vereinbart, dass Klausner ein Sägewerk in Landsberg baut und von 2005 bis 2015 jährlich 500.000 Festmeter Holz an Klausner geliefert werden. Das konnte nicht in jedem Jahr gehalten werden, weshalb sich beide Parteien außergerichtlich dahin gehend verglichen, von 2017 bis 2020 noch jährlich 300.000 Festmeter Holz zu liefern.
Die Angst vor Kahlschlag in bayerischen Wäldern verpufft durch die Zahlen: 5,9 Millionen Festmeter Holz wachsen im Jahr. 5,2 Millionen Festmeter werden jährlich geerntet. Klausner bekommt davon also knapp zehn Prozent geliefert ‒ als einer von rund 1.000 Kunden der Staatsforste.
Der Vertrag mit Klausner sei auch einzigartig, so etwas würde man jetzt nicht mehr machen, sagt Bahnmüller. Man setze da auf eine gute Durchmischung von Kunden. Und das liege nicht nur am Preis, zu dem Klausner das Holz bezieht. Dieser bewege sich derzeit deutlich unter dem Marktpreis, sagt der Pressesprecher:
Wir haben in den vergangenen Jahren Nasslagerkapazitäten von 1,2 Millionen Festmeter gebaut, um anfallendes Sturmholz ohne Qualitätsverluste lagern zu können.
Ein Kahlschlag ist demzufolge also nicht zu befürchten. Trotzdem hat Gerhard Penninger Angst. Er ist der Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung Holzkirchen: Obwohl der Holzpreis für Fichten bei einem historischen Hoch liegt, lassen die Privatwaldbesitzer ihre Bäume stehen, anstatt sie zu verkaufen. Ihnen gehört der Wald rund um den See. Die Bereiche der Bayerischen Staatsforste liegen dahinter, in den Gebirgswäldern.
Das Risiko für Sturmschäden steigt
In den Privatwäldern steige dadurch das Risiko für Sturmschäden, sagt Penninger. Werde der Wald nicht bewirtschaftet und die Bäume stehen gelassen, wachsen die Bäume ‒ hauptsächlich Fichten ‒ dichter und höher. Die Stämme würden dadurch dünner, knicken bei Stürmen auch eher ab und reißen weitere Bäume mit sich, sagt Penninger:
Das setzt einen Dominoeffekt in Gang.
In den vergangenen Jahren sei man von Stürmen und großen Schneemassen verschont geblieben und wiege sich deshalb in Sicherheit, sagt Penninger. Das sei trügerisch.
Zudem führe der fehlende Einschlag zu einer stärkeren Ausbreitung der Fichte. Zwischen zehn und 14 Festmeter wachsen davon pro Jahr und Hektar. Das gehe schneller als bei den Laub- und Tannenbäumen, die zunehmend in den Wäldern angebaut werden sollen, um eine stärkere Durchmischung zu erzielen. Ein Anteil von 20 Prozent anderer Holzarten als Fichte sei angestrebt, sagt Penninger. In trockenen Gebieten müsse der Anteil höher sein.
Trügerische Sicherheit
Dann wären die Wälder widerstandsfähiger gegenüber Wettereinwirkungen und Schädlingen wie dem Borkenkäfer, der sich vor allem in trockenen Gebieten und Wetterlagen ausbreitet. Daher sei ein Mischwald zu bevorzugen, sagt er. Doch die schnell wachsenden Fichten schießen in die Höhe und nehmen den anderen Bäumen das Licht und damit die Nahrungsgrundlage, sagt Penninger. Folge: Die anderen Baumarten gehen ein. Der Wald wird anfälliger.
Die Waldbesitzervereinigung könne ihre Mitglieder nicht zum Einschlag zwingen, auch wenn sie nach der Satzung verpflichtet seien, sich um den Wald zu kümmern. Sie könne nur an sie appellieren, etwas zu unternehmen.
Doch daran dächten sie derzeit nicht, sagt Penninger. Die meisten von ihnen seien nicht auf die Holzerträge angewiesen und nutzten ihren Wald als „Geldanlage“. Legten sie das aus dem Einschlag erwirtschaftete Vermögen bei der Bank an, würden derzeit kaum Zinsen dafür bezahlt. Es ist zu wenig, als dass es sich lohnen würde. Daher blieben die Bäume stehen, bis die Zinsen wieder steigen. Eine Wette auf die Zukunft.
Ein anderer Teil der WBV-Mitglieder seien Landwirte, die mit ihrer landwirtschaftlichen Produktion bereits so viel verdienten, dass sie mit einem Holzeinschlag die steuerliche Grenze überschreiten, nach der sie höhere Abgaben auf ihre land- und forstwirtschaftlichen Erträge bezahlen müssten. Je höher der Holzpreis, desto weniger wird von diesen Landwirten geerntet. Die höhere Steuerlast bei höherer Ernte würde den zusätzlichen Gewinn einfach auffressen.
Die scheinbare Sicherheit für die Waldbesitzer kann schnell vorbei sein. Stürme wie „Kyrill“, „Vivien“ und „Lothar“ melden sich selten rechtzeitig an, um den Wald darauf vorzubereiten. Und auch wenn es in den vergangenen Jahren wenige sogenannte Jahrhundertstürme gab: Durch die Klimaerwärmung werden immer extremere Wetterlagen erwartet. Wenn die Sommer weiterhin so heiß und trocken sind, freut sich nur der Borkenkäfer ‒ nicht die Geldbeutel der Waldbesitzer und schon gar nicht die Einwohner und Besucher.
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