“Das war längst überfällig”

„Sollen homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen?“ Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ein klare Meinung: Ja. Das bisherige Verbot für Homosexuelle, ein Adoptivkind ihres eingetragenen Lebenspartners ebenfalls zu adoptieren, verstoße gegen das Recht auf Gleichbehandlung.

Robert Kühn, Vorsitzender der Wiesseer SPD, selber schwul und in einer eingetragenen Partnerschaft lebend, sieht die Homosexualität trotz des Urteils immer noch nicht in der Gesellschaft angekommen.

Robert Kühn (rechts) und sein Lebenspartner Thomas

Die Kühns – Robert und Thomas – gehen offen damit um, dass sie zusammen sind. Andere Männer im Tal hätten größere Probleme, zu ihrer Liebe zu Männern zu stehen. Das betrifft nicht nur das Gespräch über sexuelle Neigungen, sondern auch und gerade den Wunsch, voll akzeptiert zu werden.

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“Ganz normales” Leben führen

Beide wollen ein „ganz normales Leben“ in einem „normalen Umfeld“ führen. Sie möchten sich in die Gesellschaft einbringen. So zum Beispiel bei den Aktiven Wiesseern, dem örtlichen Gewerbeverband, in dem Robert Vorstandsvorsitzender ist.

Auch mit dem Thema, irgendwann einmal ein Kind zu adoptieren, haben sie sich auseinandergesetzt. Allerdings haben sie sich noch nicht abschließend entschieden. “Das hat noch Zeit”, denken sie sich. Schließlich sind die beiden jungen Männer erst 30.

Richter würdigen Gleichstellung

Allerdings fänden sie es schön, wenn man ein Kind adoptieren könnte. Deshalb freut sich Robert auch über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit der herkömmlichen Ehe gleichzustellen. Vor allem freue es ihn, dass endlich Bewegung in die Diskussion kommt.

Nun müsse der Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2014 eine verfassungsgemäße Regelung treffen. Bis zur Neuregelung sei die sogenannte Sukzessivadoption jedoch “ab sofort” auch für eingetragene Lebenspartnerschaften möglich, so das Urteil.

Ist Homosexualität damit in der Mitte der Gesellschaft angekommen? Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung jedenfalls nicht in Bayern. Obgleich sie die Verfassungsklage gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes zurückgenommen hat, lehnt die Bayerische Staatsregierung ein gemeinsames Adoptionsrecht für Schwule und Lesben weiterhin ab.

“Ich erwarte keine Proteststürme im Tal”

Im Interview spricht Robert Kühn ganz offen über sein Leben, die Unterschiede zwischen Homo- und Hetero-Ehe und warum eine Gleichbehandlung seiner Meinung nach noch lange nicht erreicht ist:

Tegernseer Stimme: Herr Kühn, ist Homosexualität durch das Urteil der Karlsruher Richter jetzt in der Mitte der Gesellschaft angekommen?

Robert Kühn: Es ist gut, dass das Urteil so ausgegangen ist. Allerdings ganz angekommen ist sie in der Gesellschaft noch nicht. Denn schließlich habe wir ja noch keine volle gesetzliche Gleichstellung. Wenn man ein Kind adoptiert, kann das noch immer nur einer der beiden Partner. Erst wenn es keine Unterschiede mehr zwischen Homo-Ehe und Hetero-Ehe gibt, ist eine Ungleichbehandlung aufgehoben. Dazu gehört für mich zum Beispiel auch die steuerliche Gleichstellung, also das sogenannte Ehegatten-Splitting.

Tegernseer Stimme: Wie offen geht man hier im Tal mit dem Thema Kindererziehung durch Homosexuelle um?

Robert Kühn: Wir gehen ganz offen mit unserer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft um und sind bisher noch nie wegen unserer sexuellen Neigung diskriminiert worden. Ich stelle mir vor, dass das mit einem Kind genauso sein wird. Zu offenen Proteststürmen wird es jedenfalls sicher nicht kommen, davon bin ich überzeugt.

Quelle: Helena Souza, pixelio.de

Tegernseer Stimme: Was sagen Sie persönlich zum aktuellen Urteil?

Robert Kühn: Das Urteil war längst überfällig und ich begrüße es natürlich. Ich glaube, das war jetzt schon das sechste oder siebte Urteil in Folge, dass uns gleiche Rechte zusichert. Ich finde gut, dass das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung gefällt hat, weil die wirklich alles prüfen. Manche Parteien sagen ja zum Beispiel, dass ein Kind in einer Homo-Ehe leiden würde.

Tegernseer Stimme: Ist das ihrer Meinung nach Blödsinn?

Robert Kühn: Das Verfassungsgericht hat Studien herangezogen und festgestellt, dass dem nicht so ist. Bedeutet also: Es ist alles von allerhöchster Instanz im Lande geprüft worden und nicht nur aus einer aktuellen Laune heraus. Allerdings hätte man eine vollständige Gleichstellung auch schon früher und ohne Zwang durch das Bundesverfassungsgericht erreichen können.

Kindeswohl in Vordergrund stellen

Tegernseer Stimme: Haben Sie schwule oder lesbische Bekannte mit Kindern und was haben diese für Erfahrungen gemacht?

Robert Kühn: Wir haben etliche befreundete Paare in München. Sie haben alle keine Probleme. Sie gehe ganz normal auf der Straße. Hand in Hand. Oder zum Beispiel auf dem CSD (Christopher Street Day). Da sieht man immer Familien mit Kindern. Das ist Alltag und vollkommen normal.

Tegernseer Stimme: Glauben Sie, die Unterbringung eines Kindes aus gleichgeschlechtlicher Partnerschaft in einer christlichen Betreuungseinrichtung würde Probleme mit sich bringen?

Robert Kühn: Nein, das denke ich eigentlich nicht. Dass die Kinder sich gegenseitig hänseln, das kommt doch immer mal vor. Zum Beispiel auch, wenn jemand dick ist oder einfach ein bisschen anders, als die anderen. Auf die Homo-Ehe der Eltern kann man das meiner Meinung nach nicht schieben. Daher glaube ich fest daran, dass die Verantwortlichen in den Einrichtungen stets das Kindeswohl in den Vordergrund stellen.

Tegernseer Stimme: Finden Sie, dass es ausdrücklich einen weiblichen Part in der Erziehung geben sollte?

Robert Kühn: Nein, eine weibliche Bezugsperson muss es nicht unbedingt in der Familie geben. Sehen Sie sich doch die ganzen unterschiedlichen funktionierenden Familienmodelle an, die es heute gibt. Entscheidend ist doch ein verantwortungsvoller und liebevoller Umgang mit seinem Kind. Ein gutes Vorbild zu sein und Werte vorzuleben. Die soziale Kompetenz bekommt man dann auch in der Krippe, im Kindergarten oder in der Grundschule vermittelt.

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