Dauerbrenner Tourismus im Tal

Das Tegernseer Tal und der Tourismus ist ein heiß diskutiertes Thema. Was für die einen ein „zu viel“ an Touristen, besonders Tagestouristen ist, sehen andere als eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Einnahmequelle der Gemeinden. Doch welche (wirtschaftliche) Bedeutung hat der Tourismus konkret im Tal? Und wann ist endlich genug?

Tourismus im Tegernseer Tal – eine ambivalente Thematik

Etwa 650 Gastgeberbetriebe und zirka 200 Gastronomiebetriebe gibt es laut dem Geschäftsführer der TTT, Christian Kausch, im Tegernseer Tal. Hinzu kommen noch um die 350 Einzelhändler sowie 200 weitere touristische Leistungsträger, so Kausch.

Studie gibt Aufschluss

In einer Studie des DWIF aus dem Jahr 2020 werden konkrete Zahlen genannt. Darin heißt es: Der Tourismus ist eine klassische Querschnittsbranche. Egal ob Gastgewerbe, Einzelhandel, Dienstleistende oder Zuliefernde wie regional Produzierende und Handwerksbetriebe – laut dem Bericht gebe es kaum einen Wirtschaftsbereich, der nicht vom Tourismus profitiert.

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Deshalb lohnten sich Investitionen von Kommunen und Unternehmen in die tourismusbezogene Infrastruktur, konkrete Produkte und die touristische Vermarktung so stark.

Große Zahlen und mehr Wachstum?

Der Wirtschaftsfaktor im Tegernseer Tal belief sich auf vier Millionen Tagestouristen und 1,57 Millionen Übernachtungsgäste, was zu einem Bruttoumsatz von 296,2 Millionen Euro führte. Den größten Anteil an dieser Summe haben die gewerblichen Betriebe, den geringsten das Camping mit 1,9 Millionen Euro. Als direkte Profiteure des Tourismus sind Gastgewerbe, Einzelhandel und Dienstleistungen ganz vorne mit dabei.

Seit 2013 hat der Tourismus außerdem einen starken Wachstum erfahren. Besonders deutlich wird das beim Tagestourismus, der 17,65 Prozent mehr Gäste und damit ein um fast 24 Prozent gesteigertes Bruttoeinkommen verzeichnet. Dieses Wachstum im Tourismus wird aber schon lange nicht mehr angestrebt. Kausch erklärt:

Eine pauschale Steigerung des Tourismus ist schon lange kein Ziel mehr im Tegernseer Tal.

Vielmehr ginge es darum, die Nebensaison und bestimmte Themenbereiche (beispielsweise Gesundheit) zu stärken, gezielt Übernachtungsgäste anzusprechen und auch zu lenken. Wichtig sei laut Kausch zudem auch die Steigerung der Wertschöpfung und der Erhalt der Region als Lebensraum für Einheimische und Gäste.

Weniger Werbung als Lösungen?

Gerade der zunehmende Tagestourismus sorgt für gespaltene Gemüter. Kausch macht jedoch deutlich: “Die Region lebt vom Tourismus und das hat auch bereits eine sehr lange Tradition. Dennoch haben wir zu viel Verkehr als negative Begleiterscheinung, für die allerdings nicht nur der Tourismus verantwortlich ist”, so Kausch.

Wir müssen alle aufpassen, dass wir nicht nach und nach das zerstören, was der Gast bei uns sucht. Und wir dürfen nicht vergessen, dass es sich im Tegernseer Tal auch um einen Lebensraum der hier ansässigen Menschen handelt, den es zu erhalten gilt. Auch der Tagestourismus ist wichtig für unsere Wirtschaft – aber er darf nicht überhand nehmen.

Doch allzu viele konkrete Maßnahmen zur Eindämmung des teils überhandnehmenden Tourismus gibt es nicht. Kausch setzt bisher hauptsächlich auf die Reduktion von Werbung. Ein gutes Beispiel sei hier der Tegernseer Advent:

Wir bewerben bewusst nicht mehr im Großraum München, sondern eher in weiter entfernten Gebieten wie Stuttgart oder Nürnberg, um mehr Übernachtungsgäste, statt Tagestouristen anzuziehen.

Auch die Anreise von Busgruppen soll wohl nicht mehr einfach so möglich sein. Man setze vermehrt auf öffentliche Verkehrsmittel, sowie eine öffentliche Anreise.

Zweiter zentraler Punkt ist die zeitlich-räumliche Entzerrung von Veranstaltungen, sowie eine allgemein transparente Kommunikation. “Die Veranstalter stimmen sich mit uns ab, um nicht an einem Wochenende mehrere Events zu haben. Außerdem versuchen wir möglichst wenige Veranstaltungen zu haben, die ein erhöhtes Verkehrsaufkommen nötig machen”, erklärt Kausch. Der Fokus werde auch vermehrt auf die Nebensaison gelegt, um die Hauptsaison zu entlasten.

Ähnlicher Ansatz in Kreuth

Bürgermeister des Bergsteigerdorfs Kreuth Josef Bierschneider vertritt ähnliche Ansätze. Er erklärt:

Unsere Zielsetzung ist im Prinzip nicht das quantitative Wachstum, sondern ein qualitatives Wachstum. Als Bergsteigerdorf ist es für uns wichtig, dass wir möglichst viele Gäste haben, die sich nachhaltig verhalten und die unsere Natur schonend nutzen. Dabei soll vor allem auch versucht werden, in den touristisch eher schwachen Zeiten eine Auslastung unserer Betriebe zu erreichen.

Vermutlich die wichtigste Problemstellung sei die Reduzierung des Verkehrs und die Besucherlenkung. Hier setze man laut Bierschneider auf den bereits begonnenen Ausbau des ÖPNV-Angebotes, sodass nicht nur die Urlaubsgäste, die jetzt schon kostenlos mit der Gästekarte Bus fahren können, nachhaltig mobil unterwegs sind, sondern dass künftig auch die Tagesgäste vermehrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen und damit die Straßen entlasten.

“Es läuft so viel schief”

Angela Brogsitter-Finck, erste Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal, hat dennoch allen Grund zur Sorge. Das Tal sei immer weiter kaputt gemacht worden, sagt sie – kleine Häuser mit Garten werden von großen Investoren mit Blick auf ihren Maximalgewinn vernichtet. Wie kann Tourismus davon profitieren, wenn wir das zerstören, dass das Leben im Tegernseer Tal lebenswert macht, argumentiert Brogsitter-Finck und sagt:

Die Bewohner des Tals sind zur Beute und Spielball der Investoren geworden.

Man müsse auch mal innehalten und sich fragen: “Wo wollen wir hin? Soll es so weitergehen? Was soll das Tegernseer Tal einmal sein?”, so Brogsitter-Finck weiter. “Talgerechter Bauen” sei hier das richtige Stichwort. Wenn die Landhäuser im Tegernseer Stil weniger werden, dann fällt damit auch ein Teil des Charmes, der Besonderheit des Tegernseer Tals.

Coronabedingter Verlust von rund 30 Millionen Euro in nur zwei Monaten

Im vergangenen Jahr zeigte die Corona-Pandemie das Tegernseer Tal ohne den üblichen Tourismus. Auf Dauer wären die Folgen laut Kauschs Einschätzung fatal. Fehlendes Geld für Infrastruktur und der Verfall von Kultur seien nur zwei der negativen Szenarien, die Kausch vorhersagt. Er fügt hinzu:

Da der Tourismus unser wichtigster Wirtschaftszweig im Tal ist, würden nicht nur Gästehäuser und Restaurants schließen, sondern auch viele Einzelhändler und sonstige touristische Anbieter, wie beispielsweise auch Schifffahrt und Wallbergbahn.

Viele Menschen würden ihre Arbeit verlieren und wegziehen müssen. Zu beachten seien auch weitere indirekt am Tourismus Verdienende – wie Handwerker, Bäcker, Wäschereien, aber auch Vereine. Allein für die Monate März und April 2020 sagt die genannte Studie einen coronabedingten Verlust von rund 29,4 Millionen Euro voraus.

Personalmangel nach Corona

Doch auch jetzt, wo nach den monatelangen Lockdowns langsam alles wieder anläuft, bleibt es schwierig – insbesondere für die Gastronomie. Jeder, der jetzt Mitarbeiter sucht, hat wenig Chancen, da der Markt, um den sich gerade alle Arbeitgeber gleichzeitig bewerben, leergefegt ist.

Das hat insbesondere damit zu tun, dass sich viele touristische Mitarbeiter während der Pandemie umorientieren mussten, um weiterhin ihre Miete und ihren Lebensunterhalt zahlen zu können. Hat man mit ein wenig Glück doch einen Mitarbeiter gefunden, ist es wiederum schwer, für diesen bezahlbaren Wohnraum zu finden, so Kausch. Er denke aber, dass die Unternehmen, die ihre Angestellten gepflegt haben, diese auch behalten und wieder gut starten konnten.

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